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No Brain Drain!

"Wenn heute die Doktoranden und Studenten die Universitäten verlassen, wissen sie gar nicht mehr, dass sie auf einer Universität studiert haben", kritisierte unlängst Würzburgs Universitätspräsident Axel Haase. Und meinte nichts anderes, als dass die universale Ausbildung, gegründet auf Wilhelm von Humboldt, an Deutschlands "so genannten" Universitäten längst Geschichte ist. "Schmalspurwissenschaftler" kann sich Deutschland nicht mehr leisten, meint auch der Dekan der Würzburger Philosophischen Fakultät Wolfgang Riedel, weshalb er sich für einen Sitz im Direktorium der neuen International Graduate School entschloss. Einer Einrichtung die das Schlagwort "Interdisziplinäre Ausbildung" in den Mittelpunkt gestellt hat:

Susanne Lettenbauer |
    Im Moment basiert das auf individueller Initiative. Also wenn sich zwei Hochschullehrer zusammentun dann läuft das, oder wenn sie Zeit haben und Lust haben. Jetzt könnten diese Dinge institutionell verankert und auch auf Dauer gestellt werden, so dass auch die Doktoranden erwarten können, in solche Seminare hineinzukommen. Im Moment ist das ein wenig zufällig. Wenn der Professor es für seine Doktoranden tun haben sie, wenn er es nicht tut hat er Pech.

    Pharmakologe Prof. Martin Lohse, Initiator der Graduiertenschule und Leiter des 2002 gegründeten Würzburger Virchow-Zentrums stellt sich ein Ausbildungskonzept vor, wie es in den Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft üblich ist. Künftig sollen die Doktoranden der bislang vier Biomedizinischen Graduiertenkollegs von Würzburg – hinzu kommen noch die in Planung befindlichen Graduiertenkollegs für die Sprachwissenschaft, die Altertumswissenschaft und die Theologie - in sechs Semestern so ausgebildet werden, dass sie über den engeren Kontext ihrer Arbeit hinaus eine breitere Allgemeinbildung bekommen, die sie für den Arbeitsmarkt besser vorbereitet. Martin Lohse:

    Wir wollen und das ist das Neue, für diese Graduiertenkollegs und andere Verbünde ein gemeinsames Dach schaffen, so dass es auch möglich wird, interdisziplinäre Veranstaltungen anzubieten – einmal - und zum anderen, dass es auch möglich wird einheitliche Standards hineinzubringen, was ja nicht einfach oder selbstverständlich, ist, dass man zum Beispiel sagt, was eine Promotion in der Betriebswirtschaft gut und vergleichbar macht mit einer guten Promotion in den Naturwissenschaften.

    Wesentlich ist dem Direktorium der Graduiertenschule, dass die Doktoranden die Möglichkeit bekommen und dazu angeregt werden, über den Tellerrand hinauszuschauen. Zum Beispiel wenn jemand im Bereich der Biomedizin promoviert, dass er etwa ein Veranstaltung im Bereich Bioethik macht, im Bereich der Philosophie zu den Fragen, die für ihn relevant sind, aber gleichzeitig auch unter Erweiterung seines Horizontes. Oder dass jemand im Bereich der Medizin sich im Bereich der Wirtschaftswissenschaften weiterbildet, weil er hinterher seine eigene Firma gründen will.

    Wir werden erst einmal mit den Doktoranden beginnen, die schon in den Graduiertenkollegs sind. Wir wollen dann aber auch diese Stellen ausschreiben, wie das die Graduiertenkollegs schon machen. Dadurch dass wir einen größeren Verbund machen, können wir diese Ausschreibungen auch gezielter machen und weiter verbreiten, so dass wir hoffen, dass wir einen größeren Kreis von Bewerbern kriegen.

    Das Ausbildungsprogramm braucht zur Realisierung der neuen Schule nicht wesentlich ausgeweitet werden,. Die bereits vorhandenen Lehrangebote der Uni werden dem Doktoranden von seinem dreiköpfigen Betreuerteam maßgeschneidert. Finanziert wird das Modell nur aus Drittmitteln, d.h. die Doktoranden finanzieren sich über Stipendien. Dass die neue Schule Erfolg haben wird, daran zweifelt der Dekan der Philosophischen Fakultät Wolfgang Riedel angesichts der steigenden Anfragen, vor allem aus Osteuropa nicht. Er weiß aber auch, dass es eine der wenigen Chancen ist, hochbegabte Wissenschaftler in Deutschland zu halten:

    Ich selber erlebe es in der eigenen Familie: Unser Sohn hat ein postdoc-Stipendium in Harvard und sagt, ich gehe nie mehr zurück in den deutschen depressiven Wissenschaftsbetrieb. Vielleicht kommt er hoffentlich doch eines Tages, aber dass ist die Stimmung und da muss man Angebote machen, Angebote auch gezielt für die guten Leute, gerade in Zeiten der Massenuniversitäten und gerade auch für uns Germanistik, für Massenfächer.