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"No" zu "Oui"

In Baden-Württemberg ist der Streit um das Grundschul-Zwangsfranzösisch neu entflammt. Denn nur entlang der Rheinschiene - in einem etwa 15 Kilometer breiten Korridor zum Nachbarn Frankreich - müssen die Grundschüler Französisch pauken. Sehr zum Ärger von Eltern, Kindern und Lehrern.

Von Anja Braun | 26.09.2011
    Die baden-württembergische Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer überlegt, ob in Zukunft erst in Klasse drei und vier mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen wird. Genau hier haken die Gegner vom Grundschulfranzösisch ein. Während die Kleinen im größten Teil Baden-Württembergs Englisch lernen, gibt es eine Sonderregelung für Grundschulen in einem schmalen - gerade mal 15 Kilometer breiten - Korridor zum Nachbarn Frankreich. Hier müssen Grundschüler Französisch lernen ...

    "Comment ca va? Ca va bien."

    Die Pflichtfremdsprache Französisch für Grundschüler, die in der Grenzregion wohnen, könnte in Zukunft wegfallen. Das hoffen die Gegner, die sich seit der Einführung des Fremdsprachenunterrichts 2003 dagegen wehren, dass ihre Kinder statt Englisch Französisch parlieren müssen. Johannes Grathwohl, Grundschulsprecher der Eltern in Karlsruhe, erklärt:

    "Dass der Elternwille nicht für Französisch ist, sondern dass der Wunsch eher auf Englisch zugeht und die Eltern keine Wahlmöglichkeit haben."

    Der Streit um das Pflichtfranzösisch in Grundschulen entlang der
    Rheinschiene- also in einem Korridor von 15 Kilometern zur deutsch-französischen Grenze - schwelt schon lange. Mit dem Regierungswechsel setzen die Gegner der Französischpflicht- und das sind in erster Linie Eltern - auf einen Wandel:

    "Ich erwarte von der neuen Landesregierung, dass sie den Elternwillen auch ernst nimmt. In Karlsruhe haben wir Französisch, wenige Kilometer weiter Englisch. In einer Gesellschaft, die heute die Mobilität fordert, macht es das für die Kinder schwieriger sich in einer neuen Schule einzufinden. Hier haben wir eine gewisse Ungleichbehandlung."

    Dabei war der Gedanke, der zur Französischpflicht in der Rheinschiene führte, eigentlich ein idealistischer. Völkerverständigung in der Grenzregion durch besseres Sprachverständnis erleichtern - und das schon ab der Grundschule - lautete das Ideal. Eine Klage empörter Eltern dagegen scheiterte 2002 vor dem Mannheimer Verwaltungsgerichtshof. Seither büffeln die Sechs- bis Zehnjährigen französische Vokabeln - obwohl sie oft lieber englische Songtexte übersetzen und die Begleittexte ihrer Star-Wars oder Pokemon-Karten durchschauen würden.

    Der Vorsitzende der Direktorenvereinigung Nordbaden Hugo Öttinger:

    "Die Kinder lernen leichter Englisch, eben weil die tägliche Umgebung einfach mehr vom Englischen geprägt ist: Überall in Baden-Württemberg und man muss eben sagen - auch an der Rheinschiene ist das Französisch nicht alltäglich."

    Die Eltern der betroffenen Kinder klagen über eine Benachteiligung gegenüber Grundschülern im Rest des Landes, die mit Englisch beginnen dürfen. Möglicherweise liegt die Abneigung gegen das Früh-Französisch auch darin begründet, dass die meisten Lehrerinnen und Lehrer selbst der Sprache kaum mächtig sind. So hält Elternvertreter Grathwohl es für problematisch,

    "… dass die Ausbildung der Lehrer für diesen Französischunterricht nicht besonders gut war. Für Englischunterricht hätte man deutlich mehr Potenzial an Lehrern, die das gut unterrichten können. Die Lehrer haben wirklich vom Land eine sehr sehr kurze Ausbildungszeit bekommen, sodass sie das gar nicht beherrschen können, in einem Kurs von etwa sechs Wochen."

    Ein weiteres Ärgernis sehen Eltern wie Lehrer darin, dass mindestens die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler den weiterführenden Schulen nicht an die vier Jahre Grundschulfranzösisch anknüpfen können. Deshalb zieht Lehrer Öttinger das Fazit:

    "Französisch in der Grundschule macht deshalb wenig Sinn, weil ja über die Hälfte der Kinder nach der Grundschule mit Französisch nichts mehr zu tun haben. Da wäre es besser, wenn alle Englisch hätten, denn alle machen in irgendeiner Form in jeder weiterführenden Schule Englisch."

    Ob auch die Kinder in der Rheinschiene künftig Englisch statt Französisch lernen dürfen, wird im Kultusministerium noch beraten. Und zwar gemeinsam mit der Frage, ob und wie in Zukunft Fremdsprachen an baden-württembergischen Grundschulen überhaupt gelehrt werden sollen. Alles deutet daraufhin, dass die Vorschläge des Bildungsgutachtens umgesetzt werden. So hat sich die Kultusministerin schon mehrfach dazu bekannt, die Grundschulfremdsprache erst später einsetzen zu lassen. Da es sich da aber um tief greifende Änderungen handele, heißt es aus dem Kumi, wolle man erst mit einem fertigen Konzept an die Öffentlichkeit gehen. Geplant sei das noch vor Jahresende.