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"Nobelpreis der Künste"

Fischer: Die Preisträger des Praemium Imperiale sind Georg Baselitz in der Malerei, Bruce Nauman in der Sparte Skulptur außerdem der Architekt Oscar Niemeyer, der Komponist Krzysztof Penderecki und der Film- und Theaterregisseur Abbas Kiarostami. Mit rund 114.000 Euro ist der Preis jeweils dotiert, seit 1989 wird der jährlich von der Japan Arts Association vergeben, mein Kollege Holger Noltze hat heute in Berlin mit allem, was Rang und Namen hat, der Verkündigung der Preise beigewohnt. Herr Noltze, sagen Sie uns bitte, was es mit dieser Achse Tokio-Berlin und dem vielen Geld und Glamour auf sich hat. Was ist, was will dieser Preis?

Holger Noltze im Gespräch |
    Noltze: Dieser Preis wurde zum zweiten Mal, übrigens in Deutschland ja nicht vergeben, sondern nur bekannt gegeben, wer ihn bekommt. Das hat mit der Konstruktion der Jury zu tun, denn es gibt eine Jury, die sitzt in Japan, die hat auch das Letztentscheidungsrecht. Aber es gibt ein Beratergremium und dieses ist ausgesprochen hochrangig besetzt, da kommt man, glaube ich, nur rein, wenn man irgendwann einmal ein Staatsoberhaupt war. Sir Edward Heath ist dabei, hat sich heute entschuldigen lassen krankheitshalber, Raymon Barre war da aus Frankreich, der japanische Expremierminister Nakasone gehört dem auch an, Richard von Weizsäcker war da, Umberto Agnelli, also wenigstens Fiatchef muss man sein, aber der ist nun leider gestorben. Das wird dann wechselnd in den Ländern bekannt gegeben, wo diese Jury sitzt. Im Grunde schließt der Praemium Imperiale eine Systemlücke, denn man sagt immer der "Nobelpreis der Künste", aber es ist natürlich nicht der Nobelpreis und beim Nobelpreis wird unter den Künsten ja nur die Literatur ausgezeichnet und der Praemium Imperiale, der unter der Schirmherrschaft des japanische Kaiserhauses steht, der ehrt nun die Künste, die beim Nobelpreis zu kurz kommen, also vor allen Dingen die bildenden Künste, Sie haben die Preisträger ja schon genannt, Malerei, Skulptur, Architektur, bildende Künste und dann Theater, Film und auch Musik.

    Fischer: Nicht nur die Namen der Geehrten heute, Niemeyer, Baselitz, Penderecki sondern auch die Vorgängerliste beweist ja, dass es sich im Wesentlichen um ein "who is who" der Kulturwelt handelt mit deutlich westlichem Schwerpunkt allerdings. Geht die Auswahl diesen Jahres denn so in Ordnung?

    Noltze: Das ist eine Auswahl, bei der man sozusagen nichts falsch machen kann. Ich glaube, das ist auch ein bisschen das Interesse der japanischen Seite. Wir wissen auf der einen Seite, dass sich die Japaner sehr für westliche Kultur interessieren, denken Sie an die Begeisterung für klassische Musik. Es gibt auf der anderen Seite aber auch ein Imageinteresse, sich also mit bedeutender Kultur zu profilieren und deshalb wählt man glaube ich oder hat eine Neigung dazu, Künstler auszuwählen, deren Lebenswerk sozusagen abgesichert ist, wo man sich über die Bedeutung nicht mehr streiten muss. Insofern ist auch hier die Auswahl natürlich von Hochrangigkeit geprägt. Georg Baselitz kann man zweifellos auszeichnen, Bruce Nauman, wer will da Zweifel haben, Oscar Niemeyer mit 97 der Architekt bedeutender Bauten in Brasilia, Krzysztof Penderecki, er zumindest hat ja ein Werk geschaffen als Komponist, das ein Japanbezug hat, nämlich Threnos von 1960, aber immerhin auch 1960 den Opfern von Hiroshima gewidmet und dann zum ersten Mal jemand aus der iranischen Welt, das hat es noch gar nicht gegeben, mit dem iranischen Filmemacher Abbas Kiarostami, der aber auch schon in Cannes eine Goldene Palme bekommen hat. Ich habe Richard von Weizsäcker gefragt, der eben für Deutschland dort in dieser Vorauswahl sitzt, ob er bei der Unterschiedlichkeit dieser Geehrten irgendeine Art von Verbindung sieht und er hat das bejaht und zwar aus folgendem Grund:

    Weizsäcker: Ich finde in diesem Fall eigentlich bei allen fünf Künstlern eine unglaublich starke geistliche Kraft, die hinter ihrer Aufgabe steht und alle befassen sie sich mit der schweren Lebensbewältigung. Bei allen fünf berührt eigentlich nicht primär oder jedenfalls gar nicht allein ein starker ästhetischer Eindruck sondern fast mehr die ganze existenzielle Kraft, mit der hier künstlerische Mittel gesucht und eingesetzt werden.

    Fischer: Herr Noltze, es gibt eine Neuerung in diesem Jahr, nämlich einen Zusatzpreis für Junge Kunst, mit dem das Junge Klangforum Mitte Europa ausgezeichnet wird. Sind das auch schon arrivierte Jungkünstler oder will man hier die Auszeichnung als Ermunterung verstehen?

    Noltze: Hier wird ausgezeichnet A irgendwie ein Orchester, das mit jungen, aber schon durch Preise dekorierte, also Jugend-Musiziert-Absolventen, mit jungen Leuten arbeitet, das aus jungen Leuten besteht. Zweitens eine Dramaturgie, die einen bewussten Schwerpunkt setzt auch auf Programme mit Neuer Musik und drittens ein Orchester, das seit 2003 als trinationaler Klangkörper funktioniert, wo nämlich Jugendliche aus Deutschland, Tschechien und Polen zusammenspielen, übrigens auch unter der Schirmherrschaft von Richard von Weizsäcker. Er wollte mir nicht verraten, für wen er sich sonst eingesetzt hat, aber da dies so ist, ahne ich, dass das auch seine Kandidaten waren. Die spielen ohne Gage und deshalb können die diesen Preis sehr gut gebrauchen, auch wenn es in dem Fall nur 38.000 Euro sind und nicht die 114.000, aber natürlich reichlich Ehre.

    Fischer: Der deutsche Fingerzeig an Japan, wahr genug. Vielen Dank Holger Noltze in Berlin, der über die diesjährigen Preisträger des "Nobelpreis der Künste", des Praemium Imperiale berichtete.