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Noch die Ausnahme

Im baden-württembergischen Friesenheim bei Lahr gibt es eine Schule mit TÜV. In 51 Punkten prüft regelmäßig der TÜV Südwest den Unterricht. Kriterien sind, ob Qualitätsmaßstäbe die sich die Schule selbst gesetzt hat, eingehalten werden.

Von Anne Görler | 22.05.2010
    Schulleiter Günther Behre sitzt in einem rundum verglasten Büro: Behre ist Chef von 77 Lehrern. Verantwortlich für 957 Schüler. Behre trägt ein Polohemd mit dem Schullogo drauf – in identischen Polohemden flitzen Kinder über die Flure. Behre sagt Sätze wie: "Wir sind leistungsbezogen wie eine Volksbank". Seit Jahren managt er seine Schule wie ein mittelständisches Unternehmen:

    "Das ist nötig, weil wir die Schüler eher als Kunden betrachten als als vom Staat zugewiesene Kinder mit denen wir alles machen können, was wir wollen, weil sie ja durch Gesetz gezwungen werden in diese Einrichtung zu gehen."

    Ob die Kunden, die seine Einrichtung besuchen, ob die Mitarbeiter zufrieden sind - der Schulleiter hat alles schwarz auf weiß, aufgelistete in 51 Punkten, alle vom TÜV abgenommen und bewertet. Qualitätsmanagerin Karin Kesselburg:

    "Alle zwei Jahre befragen wir alle Schüler, Lehrer, Eltern nach ihrer Zufriedenheit mit der Schule, dann gibt es ganz eindeutige Vorschriften, wenn ein Wert schlechter ist als zwei, dann müssen Maßnahmen ergriffen werden, und das wird dann auch so gemacht, hier zum Beispiel: Das ist ein Wert von 2,4 bei den Schülern, und zwar: die Verweildauer der Klassenarbeiten war ihnen zu lang."

    Daraus resultiert ein klarer Auftrag an die Lehrer, nämlich: Schneller korrigieren! Dabei sind Lehrer ein Berufsstand, der sich nach Auffassung von Behre ungern was sagen lässt und gerne hinter geschlossener Klassenzimmertür agiert.

    "So sieht das dann auch aus, wenn jeder Lehrer vor sich hinwurschtelt, nein, das gibt es nicht, jeder Lehrer arbeitet innerhalb eines Qualitätszirkel und diese Lehrer besuchen sich sowieso gegenseitig, darüber hinaus kommen wir, einmal pro Jahr, pro Fach, pro Klasse - da besuchen wir mit zwei Lehrern den Unterricht, dort wird besprochen, ob die Leitbilder eingehalten werden."

    Die Leitbilder: Das sind ehrgeizige auf Hochglanzpapier gedruckte Ziele. Festgeschrieben ist zum Beispiel, dass der Kunde Schüler Anrecht auf eine ausreichende, notfalls mehrmalige Erklärung des Stoffes hat. Dafür steht der Lehrer in seiner Rolle als Dienstleister auch am Nachmittag zur Verfügung:

    "Da gibt es so Nachmittagsunterricht, da kriegt man Hausaufgaben. Dann kann man die Lehrer persönlich fragen – das macht man einfach so, die Lehrer können einem da weiterhelfen, die Eltern wissen ja nicht, was man im Unterricht gemacht hat, das ist schon eine gute Hilfe."

    Druck durch den TÜV? Mathematiklehrerin Angelika Philippsen:

    "Also, ich würde das mal so formulieren, dass der TÜV an sich den Druck nicht macht, der TÜV spiegelt das nur, und wir haben den Anspruch, dass wir hier wie ein Unternehmen zusammenarbeiten, die Schüler haben Anspruch auf guten Unterricht, bei uns gibt es weniger Möglichkeiten, durch so ein Netz zu schlupfen und daraus einen Halbtagsjob zu machen, was unserem Berufsstand ja oft vorgeworfen wird, diese Kollegen haben es bei uns schwer."

    Schwer, denn mogeln und schludern ist nicht: Jede Unterrichtsstunde muss zum Beispiel dokumentiert und festgehalten sein. Bei der Vorbereitung der Themengebiete arbeiten die Fachlehrer zusammen. Aus Gründen der Effizienz. Karin Kesselburg, Qualitätsmanagerin und Deutschlehrerin:

    "Bei uns laufen die Klassen nahezu parallel – die vier Deutschlehrer in der Klasse 10, wenn morgen einer ausfällt, dann geht der anderer Deutschlehrer rein und kann genau an der Stunde weitermachen, weil alles dokumentiert ist, die Klassen laufen völlig parallel es kann keiner mehr zetern; das Diktat war schwerer. Wir schreiben das gleiche Diktat am gleichen Tag zur gleichen Stunde.".

    Genau diese Transparenz schätzt Mutter Rosi Kienzler. Sinn und Zweck von allem, was passiert, ist immer klar, sagt sie:

    "Diese TÜV–Geschichte, man kann alles nachsehen, man kann alles einsehen, aber auch dass die Lehrer da sind wenn kein Unterricht ist, also nicht bis sechs aber bis um drei oder vier das sind alles Dinge wo andere Schulen noch nicht so weit sind, wenn da der Unterricht fertig ist dann gehen die halt nach Hause."

    Die Haupt und Realschule Friesenheim hat prima abgeschnitten bei der PISA-Studie, ist seit 2005 nach Iso 9001:2000 zertifiziert, hat seit 2008 das TÜV-Siegel. Vorbildlich. Und wie das manchmal mit Musterschülern ist, so ist das auch bei der Musterschule: Sie ist in Fachkreisen unbeliebt, sagt Günther Behre:

    "Das ist ein Störer des allgemeinen Schulbetriebs man kann nämlich ungeheuer viel rausholen und ich bin der Meinung, dass ich besser bin als eine private Schule und bin doch eine staatliche Schule – tolle Herausforderung, und dass gute Schule möglich ist, glaube ich hier unter Beweis stellen zu können."