Dass es mit dem "Wert des Menschen" nicht weit her ist, wenn man ihn unter rein ökonomischen Kategorien betrachtet, das bekommen wir jeden Tag in den Nachrichten vorgeführt. Dass die Perspektive, unter der Menschen in Wirtschaftsunternehmen betrachtet werden, etwas mit dem kalten Blick der Nazis auf das Humanum gemein hat, diese Einsicht hat der belgische Schriftsteller und Psychiater Francois Emmanuel in seinem Roman ganz subtil entfaltet. Emmanuels Buch, wunderbar lakonisch übersetzt von Leopold Federmair, gehört zu den herausragenden Prosaarbeiten der letzten Jahre.
Die Erwartungen an eine Theaterfassung sind also hoch gespannt; und der Regisseur Stefan Nolte und sein Ko-Autor Jörn Burmester haben sich entschieden, das Buch als Einpersonenstück auf die Bühne zu bringen. Das ist verständlich: Emmanuel erzählt aus der Sicht des Betriebspsychologen Simon, der für die Geschäftsleitung ein Gutachten über den depressiv gewordenen Manager Matthias Just verfassen soll. Simon gerät damit zwischen alle Fronten, in ein Niemandsland, wo alle gegen alle Beschuldigungen erheben, die zum Teil weit in die Nazizeit zurückreichen.
Die Theaterfassung dagegen setzt ganz launig ein, um das Publikum in die Irre zu führen: mit einem Managerseminar der so genannten "Farb-AG".
" Die meisten von Ihnen kennen mich ja schon. Für die Neuen: mein Name ist Simon - von der Stabsabteilung Personalentwicklung. In meinem heutigen Seminar möchte gern über Sie sprechen. Über Ihre Leistungen, Ihren Einsatz, Ihre Erwartungen. Fragen Sie sich: was erwarten Sie von unserem Unternehmen? Und: wie viel Einsatz sind Sie persönlich bereit, für unser Unternehmen zu bringen? "
Der Schauspieler Sebastian Schwab, der in virtuosen Rollenwechseln später alle auftretenden Personen spielen wird, kommt dann allerdings gleich zur Sache:
" Sicher. Während der Zeit des Nationalsozialismus hat unsere Firma viel Schuld auf sich geladen. Und viel zu lange wurde das totgeschwiegen! Eine neue Generation der Farb-AG spricht auch dieses dunkle Kapitel unserer Firmengeschichte offen an. Wir haben die Verwicklungen einzelner Mitarbeiter und Abteilungen rückhaltlos aufgeklärt. Und: wir haben die Bewältigung der Vergangenheit mit der freiwilligen Zahlung einer beträchtlichen Summe an die Stiftung 'Erinnern-Verantwortung-Zukunft’ vor zwei Jahren abgeschlossen. Und darauf können wir stolz sein! "
Die Stuttgarter Autoren haben ihr Stück "Humankapital" genannt und damit den Akzent beiläufig verschoben. Während es Emmanuel um eine ganz langsame, vorsichtige Überblendung von Gegenwart und Vergangenheit, Effizienzstreben und Selektion, von Wirtschaftsjargon und Nazi-Ideologie geht, kommen diese gemeinsamen Schnittmengen auf dem Theater immer wieder leicht kabarettistisch daher.
Vielleicht liegt das auch daran, dass Noltes Inszenierung Teil einer ganzen Reihe ist, mit der das Stuttgarter Staatstheater sich mit Ökonomie und "Wert/Arbeit" befasst. Emmanuels Buch dagegen bewegt sich in einer psychischen Wüste, wo alles und nichts wahr ist, wo der eine, der erfolgsorientierte Geschäftsführer Karl Rose angeblich ein Lebensborn-Kind ist und der andere, der melancholisch gewordene Manager, unter der Nazi-Schuld leidet, die auch Schuld seiner Familie ist.
Dass diesem nicht mehr im Sinne des Unternehmens funktionierenden Matthias Just ein Kind gestorben ist und dass er früher in einem firmeneigenen Streichquartett Schubert ("Der Tod und das Mädchen") und César Franck gespielt hat - in der Musik werden immer die Spuren gelegt! -, das führt im Roman zu einer peniblen, generationenübergreifenden Recherche, zu einem vorsichtigen Vexierspiel zwischen der Zyklon-B-belasteten Vergangenheit der Farb-AG und heutigen Evaluierungsmethoden und Sanierungskonzepten, zwischen Führerzeit und aktuellen Führungskräften. Der Roman blättert das unendlich langsam auf, er balanciert mit musikalischen und jahreszeitlichen Motiven, er treibt den Zweikampf zweier Manager in psychiatrische Dimensionen hoch, in die Katatonie.
Das Theater aber kann die Stille und Spannung dieses Materials nicht aushalten: nach einer Weile gerät die Aufführung ins Agieren. Obwohl Sebastian Schwab die Verunsicherung des Betriebspsychologen Simon fein nachzeichnet, ist er in den Rollenwechsel bisweilen zu entertainend - und die Regie setzt mit dem großflächig eingebrachten Videobeamer dann noch einen drauf. Statt des "armen" Theaters hat man dann wieder optische Belehrungs-Oper. Das wäre gar nicht nötig gewesen - der Abend, obwohl schwächer als der Roman, würde auch ohne diese technischen Mittel ein hinreichend verstörtes Publikum hinterlassen.
Die Erwartungen an eine Theaterfassung sind also hoch gespannt; und der Regisseur Stefan Nolte und sein Ko-Autor Jörn Burmester haben sich entschieden, das Buch als Einpersonenstück auf die Bühne zu bringen. Das ist verständlich: Emmanuel erzählt aus der Sicht des Betriebspsychologen Simon, der für die Geschäftsleitung ein Gutachten über den depressiv gewordenen Manager Matthias Just verfassen soll. Simon gerät damit zwischen alle Fronten, in ein Niemandsland, wo alle gegen alle Beschuldigungen erheben, die zum Teil weit in die Nazizeit zurückreichen.
Die Theaterfassung dagegen setzt ganz launig ein, um das Publikum in die Irre zu führen: mit einem Managerseminar der so genannten "Farb-AG".
" Die meisten von Ihnen kennen mich ja schon. Für die Neuen: mein Name ist Simon - von der Stabsabteilung Personalentwicklung. In meinem heutigen Seminar möchte gern über Sie sprechen. Über Ihre Leistungen, Ihren Einsatz, Ihre Erwartungen. Fragen Sie sich: was erwarten Sie von unserem Unternehmen? Und: wie viel Einsatz sind Sie persönlich bereit, für unser Unternehmen zu bringen? "
Der Schauspieler Sebastian Schwab, der in virtuosen Rollenwechseln später alle auftretenden Personen spielen wird, kommt dann allerdings gleich zur Sache:
" Sicher. Während der Zeit des Nationalsozialismus hat unsere Firma viel Schuld auf sich geladen. Und viel zu lange wurde das totgeschwiegen! Eine neue Generation der Farb-AG spricht auch dieses dunkle Kapitel unserer Firmengeschichte offen an. Wir haben die Verwicklungen einzelner Mitarbeiter und Abteilungen rückhaltlos aufgeklärt. Und: wir haben die Bewältigung der Vergangenheit mit der freiwilligen Zahlung einer beträchtlichen Summe an die Stiftung 'Erinnern-Verantwortung-Zukunft’ vor zwei Jahren abgeschlossen. Und darauf können wir stolz sein! "
Die Stuttgarter Autoren haben ihr Stück "Humankapital" genannt und damit den Akzent beiläufig verschoben. Während es Emmanuel um eine ganz langsame, vorsichtige Überblendung von Gegenwart und Vergangenheit, Effizienzstreben und Selektion, von Wirtschaftsjargon und Nazi-Ideologie geht, kommen diese gemeinsamen Schnittmengen auf dem Theater immer wieder leicht kabarettistisch daher.
Vielleicht liegt das auch daran, dass Noltes Inszenierung Teil einer ganzen Reihe ist, mit der das Stuttgarter Staatstheater sich mit Ökonomie und "Wert/Arbeit" befasst. Emmanuels Buch dagegen bewegt sich in einer psychischen Wüste, wo alles und nichts wahr ist, wo der eine, der erfolgsorientierte Geschäftsführer Karl Rose angeblich ein Lebensborn-Kind ist und der andere, der melancholisch gewordene Manager, unter der Nazi-Schuld leidet, die auch Schuld seiner Familie ist.
Dass diesem nicht mehr im Sinne des Unternehmens funktionierenden Matthias Just ein Kind gestorben ist und dass er früher in einem firmeneigenen Streichquartett Schubert ("Der Tod und das Mädchen") und César Franck gespielt hat - in der Musik werden immer die Spuren gelegt! -, das führt im Roman zu einer peniblen, generationenübergreifenden Recherche, zu einem vorsichtigen Vexierspiel zwischen der Zyklon-B-belasteten Vergangenheit der Farb-AG und heutigen Evaluierungsmethoden und Sanierungskonzepten, zwischen Führerzeit und aktuellen Führungskräften. Der Roman blättert das unendlich langsam auf, er balanciert mit musikalischen und jahreszeitlichen Motiven, er treibt den Zweikampf zweier Manager in psychiatrische Dimensionen hoch, in die Katatonie.
Das Theater aber kann die Stille und Spannung dieses Materials nicht aushalten: nach einer Weile gerät die Aufführung ins Agieren. Obwohl Sebastian Schwab die Verunsicherung des Betriebspsychologen Simon fein nachzeichnet, ist er in den Rollenwechsel bisweilen zu entertainend - und die Regie setzt mit dem großflächig eingebrachten Videobeamer dann noch einen drauf. Statt des "armen" Theaters hat man dann wieder optische Belehrungs-Oper. Das wäre gar nicht nötig gewesen - der Abend, obwohl schwächer als der Roman, würde auch ohne diese technischen Mittel ein hinreichend verstörtes Publikum hinterlassen.