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Noch ein Horst außer Kontrolle?

Wenn sich Horst Seehofer sehr über etwas ärgert, dann ballt sich seine rechte Hand zur Faust. Man sieht das, weil er sie nicht in der Tasche versteckt. Neulich erst: Da hatte ihm FDP-Generalsekretär Lindner ein persönliches Trauma in der Gesundheitspolitik attestiert. Wegen Seehofer müssten 70 Millionen Kassenpatienten eine Traumatherapie machen. Seehofers Fingerknöchel wurden ganz weiß:

Von Michael Watzke |
    "Das ist einfach unerträglich. Das kann man nicht hinnehmen. Wenn man jetzt von der Psychotherapie bis zu Begriffen aus der Tierwelt politische Auseinandersetzungen auf Personen bezieht, dann hört es auf."

    Ein Machtwort des Bayerischen Ministerpräsidenten. Im Freistaat gilt das viel. Die Bayern mögen Mannsbilder, die ordentlich auf den Tisch hauen können. Gerne auch auf den Berliner Tisch, sagt Annette Ramelsberger, Bayern-Chefin der Süddeutschen Zeitung:

    "Horst Seehofer will vor allem wichtig und bedeutend sein, und er will, dass ganz Deutschland es weiß, dass er wichtig und bedeutend ist. Das Einzige, was Horst Seehofer stören würde, ist, wenn er für klein, unwichtig und peripher gehalten würde."

    Der Rest Deutschlands mag sich darüber aufregen und fragen, was dieser bajuwarische Berserker eigentlich will. Plant Haudrauf-Horst, die FDP durch ständige Provokation zu demütigen? Will er die Berliner Koalition zum Scheitern bringen? Die FDP zum Ausstieg reizen? Wünscht er sich die Große Koalition zurück oder plant er Bayern vom Rest Deutschlands zu spalten? Ein Gespräch mit Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle verrät viel über das Selbstverständnis der CSU:

    "Die CSU ist die letzte große Volkspartei, die sich wirklich in der Mitte der Bürgerinnen und Bürger politisch positioniert, nicht ganz ohne Erfolg seit Jahrzehnten. Die Freien Demokraten richten letztlich ihre politische Themenstellung an bestimmten eher – das ist gar kein Vorwurf, das ist die strategische Entscheidung – an bestimmten Gruppen aus."

    Volkspartei gegen Klientelpartei. So sehen das die Christsozialen. In Bayern arbeitet die Wildsau-Rotte mit der Gurkentruppe recht passabel zusammen. Hier werden die Liberalen noch gebraucht. Im Bund auch, aber Berlin ist weit weg. Deshalb kann es sich Seehofer leisten, Bundesgesundheitsminister Rösler in München antanzen zu lassen. Er watscht ihn ab wie einen Schulbuben und schickt ihn nach Preußen zurück, als habe der kleine Philipp seine Hausaufgaben vergessen. Das belastet zwar das Klima der schwarz-gelben Koalition unter Merkel, aber zu Hause im Freistaat macht der Ministerpräsident damit Punkte. Nichts anderes zählt, glaubt Annette Ramelsberger:

    "Horst Seehofer hat ein Gespür für Opfer, und er weiß, wo er sie greifen kann. Und er weiß das natürlich auch, weil er selber schon in diesen Situationen war, wo er selber schwach war. Das kann er sehr gut nachvollziehen. Er ist wirklich niemand, der mit heißem Blut an die Sache herangeht, sondern er ist kühl. Aber es macht ihm natürlich eine heiße Freude, diese Kühle auszuspielen und diese Freude am Spiel. Es ist ein bisschen wie eine Katze mit der Maus spielt."

    Unter den deutschen Ministerpräsidenten ist Horst Seehofer das letzte Schwergewicht. Koch, Rüttgers, Wulff – zurückgetreten, gescheitert, weggelockt. Bleibt Horst, der Hüne. Auch der hat zu kämpfen. Der heimische Landesbankskandal kratzt am Macher-Image der CSU. Die bayerischen Bauern, früher eine sichere CSU-Bank, rebellieren gegen Subventionskürzungen. Die eigene CSU-Fraktion murrt gegen Seehofers Sparziele auf. Aber solange die Bayern sehen, dass in Berlin nichts über den Kopf Ihres Häuptlings hinweg entschieden wird, ist Seehofer im Freistaat nicht in Gefahr. Nur ein Tabu muss Seehofer beachten: Direkt angreifen darf er die Kanzlerin nicht.

    "Soweit wird Seehofer nicht gehen. Seehofer ist ja niemand, der einfach mal über die Stränge schlägt. Er hat sich das ganz genau überlegt. Er weiß, er kann die FDP herausfordern bis zum Äußersten. Aber er wird nie über diese Grenze gehen. Er will die Koalition nicht zerstören. Er weiß ja, dass er dadurch auch an Einfluss verliert."

    Tatsächlich glättet Horst Seehofer schon die Wogen. Intern ruft er seine Untergebenen zur Ordnung. Zum wiederholten Mal – übrigens. Die Chancen steigen, dass Seehofers rechte Hand in Zukunft wieder besser durchblutet wird. Kultusminister Spaenle sekundiert:

    "Man kann nur allen zum rhetorischen Abrüsten immer raten."

    Bis zum nächsten Knatsch. Was Seehofer wirklich will? Noch bleibt es ein Rätsel. Doch eines aber ist klar: Der CSU-Chef handelt nie ohne Plan.