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Noch ein Stück entfernt

Medizin. – Zurzeit ist die Vogelgrippe in der Türkei, in China und Indonesien besonders virulent. Seit 2003 hat die Vogelseuche laut Weltgesundheitsorganisation 80 Menschenleben gefordert, davon vier in diesem Jahr. Noch ist der Erreger ein Vogelvirus, das nur sehr selten auf Menschen übergeht. Auf einem Expertengespräch an der Freien Universität Berlin wollte allerdings keiner der anwesenden Fachleute eine Prognose abgeben, wann das Virus den Menschen dauerhaft als Ziel gefunden haben wird.

von Volkart Wildermuth | 19.01.2006
    Noch ist H5N1 ein Erreger der Vogelgrippe, der es ganz selten auch schafft, Menschen zu infizieren. Doch wird es dabei bleiben?. Diese Frage stellen sich zur Zeit nicht nur Forscher sondern auch die Öffentlichkeit. Schon jetzt steht fest, dass H5N1 ein besonders übler Vertreter der Vogelviren ist. In Hühnern löst er eine extrem schnell und aggressiv verlaufende Erkrankung aus. Er hat ein ungewöhnlich breites Wirtsspektrum, bislang sind Infektion von über 20 Vogelarten und acht Säugern bekannt, darunter eben auch von Menschen. Schließlich hat sich H5N1 so weit über den Globus verbreitet, wie kein Geflügelvirus vor ihm. Entscheidend ist, wie sich das Virus in Zukunft verändert. Forscher in London haben die Erbsubstanz von Viren analysiert, die von einem in der Türkei gestorbenen Mädchen stammen. Dabei fand sich eine auffällige Veränderung, erläutert der Virenforscher Professor Heinz Zeichhardt von der Berliner Charité.

    "Das hat man analysiert und hat festgestellt, dass offensichtlich die Schlüssel Schlosserkennung zwischen dem Virusprotein und den Erkennungsstellen auf der Oberfläche der menschlichen Zellen sich verändert hat. Das heißt, das Virus hat eine Mutation durchgemacht und erkennt offensichtlich leichter menschliche Zellen der Lunge als das die anderen bisher charakterisierten aviären Influenzaviren haben."

    Das könnte bedeuten, dass diese Virus quasi einen Nachschlüssel hat, mit dem es in menschliche Zellen eindringen kann. Das hatte für das türkische Mädchen fatale Folgen, doch es reicht noch nicht aus, um aus H5N1 wirklich einen gefährlichen Erreger für die Allgemeinbevölkerung zu machen, betont der Veterinär Professor Michael Schmidt von der Freien Universität Berlin:

    "Selbst wenn das gewährleistet wäre, dass das Virus etwas besser zum menschlichen Wirt passen würde, heißt das noch nicht unbedingt, dass das Virus in der Lage sein wird sich fulminant im Menschen zu vermehren. Sie müssen sich vorstellen, dass bei der Vermehrung zehn Protein-Gen-Produkte kooperieren müssen in optimaler Weise, um tatsächlich eben eine große Anzahl von neuen Viren zu erzeugen. Eine Mutation macht den Kohl noch nicht fett das muss noch mehr passieren und das ist ein ganz klein wenig beruhigend."

    Es müssen also sicherlich noch mehrere weitere Mutationen zusammenkommen, bevor H5N1 nicht nur in menschliche Zellen eindringen, sondern sich dort auch vermehren und vor allem auch schnell von Mensch zu Mensch verbreiten kann. Der letzte Punkt ist entscheidend, betont Dr. Walter Haas vom Robert Koch Institut. Selbst ein Virus, das große Ähnlichkeit mit dem der Spanischen Grippe aus dem Jahr 1918 hat, die rund um den Globus Millionen Tote forderte, muss keine Epidemie auslösen. Haas:

    "Ich darf daran erinnern, dass 2003 bei dem Ausbruch in den Niederlanden, ein Tierarzt verstorben ist, das Virus, mit dem dieser Tierarzt infiziert war, hat eine ganze Reihe von Mutationen gezeigt, die sich wiederum bei dem Virus von 1918 wieder finden. Es war aber eine Ausnahme bei diesem Tierarzt. Insofern kommt es immer darauf, an, verbreitet sich dieser Typ des Erbgutes weiter, ist es etwas, was sich durchsetzen kann oder ist es eine Einzelbeobachtung."

    Keiner der Virologen wollte sich in Berlin festlegen, wie hoch die Hürden sind, die H5N1 noch von einer effektiven Infektion des Menschen trennen. Doch wenn die Veränderung eintritt, so der Präsident des Robert Koch Institutes, Professor Reinhardt Kurth, wird alles davon abhängen, wie schnell die beginnende Pandemie entdeckt wird:

    "Für uns, für die WHO zählt jeder Tag. Je früher wir wissen um einen Ausbruch, je schneller können wir reagieren und können vielleicht noch eindämmen, vielleicht..."

    Deshalb ist es so wichtige, dass ein Teil der von der Weltgemeinschaft bereitgestellten Gelder in den Aufbau einer effektiven Überwachung gesteckt wird.