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Noch einer amtsmüde?

Roland Koch, Horst Köhler - und Ole von Beust? Hamburgs erster Bürgermeister sei amtsmüde, wird gemunkelt. Spätestens, wenn der Volksentscheid gegen seine Schulreform erfolgreich sein sollte, werde er sein Amt niederzulegen - doch der CDU-Politiker wehrt sich.

Von Verena Herb |
    Nur selten ist die Pressetribüne der Hamburger Bürgerschaft so voll besetzt wie vergangenen Mittwoch: Der Grund: Ole von Beust wird seine Regierungserklärung verlesen. Der Inhalt: Wo wird die Stadt den Rotstift ansetzen, um dem strukturellen Haushaltsdefizit von 500 Millionen Euro in der Hansestadt Herr zu werden?

    "Und darum werden Sie mich an ihrer Seite haben, und mich auch als Streiter dafür haben, im Zuge der Diskussion auf die Erhöhung des Spitzensteuersatzes um zwei Punkte hinzukriegen. Wer mehr hat, muss auch mehr zu den Einsparungen beitragen."

    Hamburgs erster Bürgermeister spricht ruhig, konzentriert. Inhaltlich haben viele mehr erwartet. Es war nicht seine beste Rede, sind sich die Beobachter einig - auch wenn sich Ole von Beust bei Zwischenrufen der Opposition kämpferisch zeigt. SPD-Fraktionschef Michael Neumann hat dafür eine einfache Erklärung:

    "Ich glaube, das hat auch Ihre Rede gezeigt, dass Sie jetzt, nach fast zehn Jahren Bürgermeisterei eingeräumt haben, einräumen mussten, dass sie vor den Trümmern ihrer Finanzpolitik, und dass Sie vor den Trümmern Ihrer Bürgermeisterei der letzten zehn Jahre stehen. Sie haben schlichtweg nicht mehr die Kraft, um unsere Stadt und Hamburg in diesen schweren Zeiten erfolgreich voranzubringen."

    Ole von Beust sei amtsmüde, wird gemunkelt und denke darüber nach, sein Amt niederzulegen. Der Bürgermeister wehrt sich. Im Radiosender N-Joy sagte er Mittwochmorgen:

    "Quatsch. Nein, nein – wenn sie lange dabei sind, heißt es immer: Der ist amtsmüde, ich will auch nicht ausschließen, dass es immer wieder einen Tag gibt wo man müde ist, oder müde wirkt, aber hier liegen wichtige Aufgaben vor uns und ich bin nicht amtsmüde."

    In letzter Zeit habe er jedoch so gewirkt, bemerkt nicht nur Wolfgang Rose, Bürgerschaftsabgeordneter der SPD:

    "Ich glaube, dass er eine gewisse Amtsmüdigkeit ausstrahlt, und dass er auch durchaus, wenn er wüsste, dass es keinen Schaden für seine Partei und die Möglichkeit der CDU, hier an der Regierung zu bleiben, mit sich bringen würde und vielleicht auch jetzt sagen würde, Sylt ist mir lieber als Hamburg."

    Konkret auf einen Rücktritt angesprochen antwortet von Beust:

    "Ich hab nichts geplant im Moment, nein."

    Im Moment nichts geplant? Das müsse man ganz wörtlich nehmen, sagt Uwe Bahnsen, der seit 1958 über das politische Geschehen in Hamburg berichtet.

    "Hier geht es mehr darum, was er nicht gesagt hat. Er hat nicht gesagt: ausdrücklich nicht: Ich gebe mein Amt als erster Bürgermeister nicht auf, bevor die Legislaturperiode zu Ende geht. Das hat er nicht gesagt. Und nur darauf kommt es an."

    Am 18. Juli entscheiden die Hamburger Bürger über das Kernstück der schwarz-grünen Regierungspolitik: Einführung einer sechsjährigen Primarschule, ja oder nein. Ole von Beust hat sich explizit für diese Schulreform ausgesprochen. Sollte der Volksentscheid erfolgreich sein, die Bürger gegen die Einführung der Primarschule votieren, – dann, so glauben viele in der Stadt, tritt von Beust zurück.

    "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bürgermeister in einem solchen Fall sagt: Also, unter diesen Voraussetzungen kann ich nicht so tun, als wäre nichts passiert und ich gehe – diese Wahrscheinlichkeit ist doch recht groß."

    Doch wer kommt, wenn von Beust geht? Die CDU in Hamburg hat es versäumt, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen: Zwar werden der Fraktions- und designierte Parteichef Frank Schira sowie Innensenator Christoph Ahlhaus als Kronprinzen gehandelt – beide sicherlich christdemokratische Schwergewichte und fachlich qualifiziert, doch mangelt es ihnen an Charisma und Ausstrahlung – Eigenschaften, die schon so manchem Politiker in Hamburg zum Wahlsieg verholfen haben.

    Und was würde aus Ole von Beust? Lange Jahre galt der hanseatische Freiherr neben Roland Koch, Peter Müller und Christian Wulff als einer der "jungen Wilden" in der CDU. Doch in machtpolitische Konzepte hat er das nie umsetzen können – oder wollen. Stattdessen lernt er, auch am eigenen Leib, die Machtpolitik der Kanzlerin kennen. Eine Frau, die als Physikerin vom Ergebnis her denkt, so der Journalist Uwe Bahnsen:

    "Und so baut sie ihre Strategien. Und in einer solchen Entscheidungslage spielt dieser Bürgermeister keine Rolle mehr. Sie hat keine Verwendung mehr für ihn."

    So sei das Verhältnis des Hamburger Landeschefs und seiner Vorsitzenden heute höflich bis indifferent:

    "Der Hamburger Bürgermeister respektiert die Frau Bundeskanzlerin. Die Frau Bundeskanzlerin nimmt von dem Hamburger Bürgermeister dann Notiz, wenn es sein muss. Das Verhältnis das ist nicht intensiv, das ist höflich, man geht ordentlich miteinander um. Aber das ist es dann auch."

    Hamburg stehen harte Zeiten ins Haus – nicht zuletzt aufgrund der desaströsen Finanz- und Haushaltslage. Würde Ole von Beust vorzeitig sein Amt des ersten Bürgermeisters aufgeben – es wäre ein unrühmlicher Abgang.