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Noch einmal im Rampenlicht

Hat Premierminister Tony Blair sein Land mit einer Lüge in den Krieg geführt, die Bedrohung aufgebauscht und britische Truppen 2003 ohne ein volles UNO-Mandat in den Irak geschickt? Das sind die Frage, um die sich alles dreht, wenn der 56-Jährige heute vor der Untersuchungskommission zu dem umstrittenen Feldzug aussagen muss.

Von Martin Zagatta | 29.01.2010
    Hat der Premierminister, der das Königreich zehn Jahre lang regiert hat, sein Land mit einer Lüge in den Krieg geführt? Hat Tony Blair die Bedrohung aufgebauscht, britische Truppen 2003 ohne ein volles UNO-Mandat in den Irak geschickt, nur um an der Seite von US-Präsident George Bush zu stehen? Das ist die Frage, um die sich alles dreht, wenn der 56-Jährige heute vor der Untersuchungskommission zu dem umstrittenen Feldzug aussagen muss - ein Auftritt, dem nicht nur die Angehörigen der 179 im Irak gestorbenen britischen Soldaten mit Spannung entgegensehen.

    ""Der Premierminister wollte unbedingt mit Bush in den Irak einmarschieren - und die Soldaten, auch mein Sohn, sind im Grunde genommen für eine Lüge gestorben",… "

    … klagt Reg Keys, dessen Sohn Tom in dem arabischen Land gefallen ist. Der Hauptvorwurf gegen Blair: bei der der Invasion wurden keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden. Dabei hatte sich der Premierminister die Zustimmung des Unterhauses zu der Truppenentsendung mit Hinweis auf ein Geheimdienstdossier verschafft hatte, aus dem, so Blair damals, ohne jeden Zweifel hervorgehe, dass der Irak über chemische und biologische Waffen verfüge, die innerhalb von 45 Minuten eingesetzt werden könnten.

    Schon im Jahr nach dem Einmarsch hat Tony Blair einräumen müssen, die vom Irak ausgehende Gefahr falsch eingeschätzt zu haben. Eine vorangegangene Untersuchung hat ihn von dem Vorwurf entlastet, Material gefälscht oder die Bedrohung absichtlich übertrieben zu haben. Bei den Anhörungen jetzt aber sind neue Zweifel aufgetaucht, nachdem sich der damalige Geheimdienstkoordinator von Blairs Bewertung des Irak-Dossiers distanziert tat. Außerdem hat der Ex-Premier den Einmarsch der in der BBC kürzlich auch für gerechtfertigt erklärt, wenn man gewusst hätte, dass dort keine Massenvernichtungswaffen gefunden werden:

    ""Natürlich hätte man dann andere Argumente vorbringen müssen über die Art der Bedrohung"."

    Der damalige Generalstaatsanwalt, Peter Goldsmith, der den Krieg erst nach langem Zögern für rechtmäßig erklärte, hat vorgestern bestritten, von Blair dabei unter Druck gesetzt worden zu sein. Aus Briefen, die dem Ausschuss vorliegen, soll aber hervorgehen, dass der britische Regierungschef schon Monate vor der Parlamentsentscheidung George Bush militärischen Beistand zugesichert hat, sollte es keine friedliche Lösung geben. Nachdem seine damals engsten Vertrauten vor dem Ausschuss jetzt aber alle zu seinen Gunsten ausgesagt haben, dürfte die Befragung heute den gewieften Tony Blair kaum in Verlegenheit bringen. Die Mehrheit der Briten wird er wohl dennoch nicht überzeugen können. 52 Prozent sind laut einer Umfrage der "Sunday Times" davon überzeugt, dass der Labour-Politiker das Parlament damals ganz bewusst getäuscht hat. Sie betrachten Tony Blair ähnlich kritisch wie ihn Alex Salmond sieht, der Chef der schottischen Regionalregierung:

    ""Premierminister sollten nicht lügen, wenn es um die Gründe geht, in einen Krieg zu ziehen, das ist mehr als verwerflich – und diese Entscheidung wird Herrn Blair nicht nur seine ganze politische Karriere verfolgen, sondern bis ans Ende seiner Tage"."