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Noch kein volles Rohr im Kaukasus

In diesen Wochen wird die längste zusammenhängende Ölpipeline unter der Führung eines britischen Ölkonzerns fertig gestellt. Ende Mai wurde das erste Öl nahe dem aserbaidschanischen Baku in die 1750 Kilometer lange Pipeline gepumpt. Aber an einigen Stellen wird noch an dem Rohr gebaut. Thomas Franke berichtet.

    Der Texaner Glen Raban ist zufrieden. Alles ist so gut wie fertig, das Öl kann kommen. Der untersetzte Mann rückt seinen Helm zurecht, zeigt über das Gelände voller Rohre, Ventile und Gerüste - die Pumpstation 2 in Georgien. Die Pipeline hat, zumindest vorübergehend, Arbeitsplätze in den Südkaukasus gebracht. Allein an der Pumpstation Georgien 2 haben in der Spitzenzeit 570 Menschen gearbeitet. Noch wuseln hier überall Arbeiter:

    "Wenn alles fertig ist, dann werden hier nur noch 12 Leute arbeiten. Sie werden die Station warten und das Rohr sauber halten. Der Rest wird vom Anfang der Pipeline aus gemacht, vom Terminal in Sangachal bei Baku."

    Seit Mai 2003 arbeitet Raban an der Pumpstation in Georgien. Rundherum ist Wald. Das nächste Dorf ist 15 Minuten entfernt, nur ein holpriger, von Schlaglöchern durchfurchter Weg führt dort hin. Die Pipeline von Baku nach Ceyhan wurde von einem internationalen Konsortium gebaut. Es war eines der Prinzipien dieses Projekts, einheimische Arbeitskräfte an dem Bau zu beteiligen. Nicht immer ganz leicht, erläutert Raban:

    "Als wir hier ankamen, trafen wir auf Bauern und aus ihnen Bauarbeiter gemacht. Die hatten ein paar Grundkenntnisse, wie man Häuser baut. Aber solche Ausrüstung hatten die noch nie gesehen. "

    Der Texaner winkt zwei Arbeitern in leuchtenden Sicherheitswesten zu. Auch sie tragen Helme, Schutzbrillen und Stahlkappenschuhe - Teil der strengen Sicherheitsvorschriften entlang der Pipeline. Auf einem Gerüst streicht ein Arbeiter in 2 Metern Höhe ein Rohr. Obwohl das Gerüst ein Geländer hat und der Mann sitzt, ist er mit einer Leine gesichert. Raban schmunzelt:

    "Wir hatten einen Arbeiter, der hatte vorher immer an einem großen Kirchturm in Tiflis gearbeitet. Der kam an und sah die ganzen Sicherheitsmassnahmen bei uns. Und nach einer Zeit haben wir ihn dann gefragt, wie er arbeiten wird, wenn er wieder in Tiflis an Kirchtürmen zugange ist, ob er das wieder freihängend machen wird. Und er sagte, nein, er werde das nur noch mit Klettergurt machen. Das ist ein dicker Pluspunkt für das Projekt, dass so etwas in die Gesellschaft hinein wirkt."

    Gegen die Pipeline von Baku nach Ceyhan hat es extrem wenig Widerstand gegeben. Warnungen von Umweltschützern, die Pipeline gefährde den georgischen Borjomi-Nationalpark, verhallten weitgehend ungehört. Die Manager des verantwortlichen Mineralöl-Konzerns beteuern ihrerseits, der Nationalpark sei nicht gefährdet. Die gesamte Pipeline von Baku bis Ceyhan genüge den Umweltschutz- und Sicherheitsstandards der Europäischen Union. Glen Raban geht an großen weißen Tanks vorbei. In ihnen wird Löschwasser für den Notfall aufbewahrt. Mit einem Funkgerät in der Hand steht ein Ingenieur daneben, koordiniert zwei Arbeiter. Satiem Piwi trägt einen filzigen Pullover unter dem Overall. Darunter schaut der löchrige Kragen eines T-Shirts hervor. Piwi ist Inder:

    "Das ist mein 14. Job auf so einer Baustelle. Ich war schon in Algerien, Bangladesh, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Aserbaidschan, Kirgisien. Ich finde, Georgien ist ein sehr schönes Land, sehr beschaulich. Hier gibt es kaum Fabriken und auch kaum Umweltverschmutzung. "

    Vor allem in Georgien, dessen Wirtschaft über Jahre am Boden lag, hoffen die Menschen auf jedes Projekt, das Geld bringt. Während der Bauarbeiten wurden Straßen repariert und in den Dörfern Schulen gebaut. Georgien wird nun Transitzölle für jedes der 1 Million Barrel Öl kassieren, die täglich durch das Rohr fließen sollen.

    Die Großbaustellen entlang der Pipeline sind international. Im Camp der Pumpstation gibt es sogar einen indischen Koch. Piwi hat eine Frau und zwei Kinder. Mit dem Job an der Pipeline ernährt er in Indien 25 Menschen:

    "Ich spreche ganz gut Russisch und habe deshalb keine Probleme mit den Leuten hier. Ich war die letzten sieben Jahre in Aserbaidschan."

    Der Texaner Glen Raban nickt. Auch er mag Georgien, hat sogar seine Frau mit nach Tiflis genommen. Davor ist auch er jahrelang durch die Welt gezogen. Nun hat er Angst vor der Rente in den USA und vor der Heimkehr.

    "Ich bleibe hier, bis wir hier fertig sind. Wahrscheinlich bis Ende des Jahres. Dann gehen wir zurück in die Staaten. Unsere Kinder leben in Dallas. Das sind die Pläne. Wir waren ein paar Jahre hier. Meiner Frau hat es hier sehr gefallen, sie engagiert sich sehr viel ehrenamtlich. Na ja, wir werden zu Hause neue Freunde finden. Aber all das Ausrüstungszeug wird mir fehlen."