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Noch mindestens zehn Jahre Arbeit

Viele, die seit dem Tsunami und der Atomkatastrophe in Fukushima in Turnhallen und anderen öffentlichen Gebäuden provisorisch untergebracht sind, können wahrscheinlich nie in ihre Häuser zurück kehren. Die Strahlung ist einfach zu hoch. Im zerstörten Atommeiler selbst dämmert derweil den Technikern, was es wirklich heißt, in Fukushima aufzuräumen.

Von Peter Kujath | 22.08.2011
    Am Wochenende konnte Tepco einen Erfolg vermelden. Die Temperatur im Reaktorblock 1 sei erstmals unter 100 Grad gefallen und könne auch auf diesem Niveau gehalten werden. Bis Anfang nächsten Jahres will der Betreiber des havarierten AKWs Fukushima 1 die Anlage soweit herunter gekühlt haben, dass man von einem stabilen Zustand sprechen kann. Doch damit sind die Probleme noch lange nicht gelöst.

    "Die Arbeit, die danach auf uns zukommt, ist sehr vielfältig und äußert schwierig. Nur um ein paar Punkte zu nennen: was machen wir mit den gebrauchten Brennstäben in den Abklingbecken? In welchem Zustand ist das Material der geschmolzenen Kerne? Wir müssen einen Weg finden, in die Druckkammern hinein schauen zu können. Das ist derzeit wegen der hohen radioaktiven Strahlung nicht möglich. Dafür müssen wir zuerst einmal die Technik entwickeln. Derzeit wird Wasser in die Druckkammern gepumpt, das von dort in die Sicherheitsbehälter und dann in die Turbinengebäude abfließt. Wir müssen die Lecks verschließen. Das ist extrem wichtig. Aber auf welche Weise kann man Löcher in der Druckkammer eines Reaktors stopfen? "

    Es sind eine Reihe von Fragen, die Professor Hajimu Yamana von der Kyoto-Universität, selbst aufwirft. Während des Interviews benutzt er immer wieder das Wort "wakaranai", "das wisse man noch nicht".

    "Wir wollen um und über die durch die Explosion zerstörten Gebäude eine Art Container aus Beton errichten, der uns das Arbeiten aus sicherem Abstand mit ferngesteuerten Geräten ermöglicht. Auch hier ist eine Reihe von technologischen Entwicklungen notwendig. Es wird nicht einfach sein, die einzelnen Schritte abzuarbeiten. Derzeit sind wir dabei, einen entsprechenden Zeitplan zu erstellen. "

    Hajimu Yamana ist Vorsitzender des Regierungsgremiums, das sich um die Abwicklung und Entsorgung der Anlage kümmern soll. Anfang August hat die Runde ihre Arbeit aufgenommen. Die Atomkatastrophe von Fukushima stellt die Wissenschaftler und Techniker vor eine noch nicht da gewesene Herausforderung, auch wenn man einiges vom Three Mile Island Unfall in den USA lernen kann.

    "Damals wurden viele Simulationen angestellt, die auch uns weiter bringen können. Die Art und Weise, wie man die geschmolzenen, hoch radioaktiven Teile des Kerns untersucht und transportiert hat, geben uns ebenfalls Anhaltspunkte. "

    Aber, macht Professor Yamana deutlich:

    "Aber zwischen Three Mile Island und Fukushima gibt es wichtige Unterschiede. Hier im havarierten AKW Fukushima geht es um drei Reaktorkerne und teilweise sind die Druckkammern beschädigt. Außerdem ist die Anlage durch die Explosionen weitgehend zerstört worden. Die Arbeiten in Fukushima werden also wesentlich schwieriger."

    Deshalb will der Vorsitzende des Gremiums zur Abwicklung und Entsorgung des AKWs Fukushima 1 wann immer möglich ausländische Fachleute einbeziehen. Doch zuerst muss die japanische Politik ihre Hausaufgaben machen.

    "In unserem Fall ist noch nicht einmal entschieden, wohin der hoch radioaktive Müll oder die geschmolzenen Brennstäbe kommen sollen. Man weiß ja weder wie das Material aussieht, noch was man damit machen soll: ob es weiter verarbeitet werden kann oder ob es so aufbewahrt werden muss? Wo soll die endgültige Lagerstätte sein? Das sind Fragen, die müssen technisch, aber vor allem politisch und gesellschaftlich geklärt werden. "

    Angesichts der politischen Instabilität in Japan dürfte das allerdings kein leichtes Unterfangen sein.

    Anmerkung des Autors: Das Gremium, dem Professor Hajimu Yamana vorsitzt und dem auch Mitarbeiter von Tepco angehören, wird Anfang nächsten Jahres einen genauen Arbeitsplan vorstellen. Für die anstehenden Tätigkeiten müsste eigentlich Tepco die Kosten übernehmen, aber angesichts der Tragweite ist klar, dass der japanische Staat in den nächsten Jahren die Verantwortung und auch die finanzielle Last übernehmen dürfte.

    Mehr dazu:
    Aus Fukushima lernen
    Spur der Radioaktivität
    Aus der Sendereihe "Fukushima und die Folgen"