Er ist der Landes-Generalsekretär der Christlich Demokratischen Union – und so weihnachtet es sehr bei Oliver Wittke. Heiligabend steht vor der Tür:
"Normalerweise sag ich da ja immer Gedichte auf."
Wittke hat Heinz Erhardt im Angebot:
"Nun sitz ich hier im Paradiese, mit anderen Engeln auf der Wiese. Man ist sich noch ein wenig fremd, zwei Flügel wachsen mir durchs Hemd."
Seiner CDU aber leider nicht. Wie Ikarus ist die Partei an Rhein und Ruhr in diesem Jahr abgestürzt: Nach Affären und der schmerzhaften Landtagswahlniederlage - "Das tat richtig weh" - leckt die CDU immer noch ihre Wunden. Fragen zum Heilungsprozess bleiben zunächst unbeantwortet. Lieber drischt der Generalsekretär seiner Arbeitsplatzbeschreibung gemäß auf die Minderheitsregierung ein. Minutenlange Monologe kann Oliver Wittke da halten, aber erst bei der dritten Nachfrage räumt er ein:
"Nein, das ist doch klar, dass 130 Tage nach Oppositionsformierung noch nicht alles so reibungslos funktioniert."
Und dann ein neuer Versuch: Die Partei sei hoch motiviert, versichert Wittke. Und inhaltlich habe die CDU sowieso die besseren Antworten. Nur bekommt all das irgendwie kaum einer mit im bevölkerungsreichsten Bundesland. Woran liegt es?
"Man muss beispielsweise stärker herausarbeiten, wo die Defizite dieser Regierung sind. Das haben wir nicht an jeder Stelle in den vergangenen sechs Wochen getan, da werden wir deutlich besser werden müssen."
Solche Sätze verkündet die NRW-CDU nun seit Monaten. Letzte Woche wäre Gelegenheit gewesen, rot-grüne Defizite herauszuarbeiten, und sei es nur durch Geschlossenheit in den eigenen Reihen. Doch bei der ersten entscheidenden Nagelprobe – der Verabschiedung des umkämpften Nachtragshaushalts, schaffte es die Fraktion nicht einmal, alle Abgeordneten beisammen zu haben. Auch der ehemalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schwänzte die Abstimmung wegen eines Termins im warmen Rom.
Tage vorher hatte diese Kunde schon für Murren auf der Weihnachtsfeier der CDU-Fraktion gesorgt. Ein beleidigter Vorsitzender, Karl-Josef Laumann, versuchte vergeblich Rüttgers umzustimmen. Von wegen festliche Stimmung.
Wer Christdemokraten in diesen Tagen fragt, ob Rüttgers der Partei eigentlich noch nütze oder eher schade, muss erst einmal das Mikrofon abschalten, bevor eine Antwort zurechtgelegt ist. Andere nehmen Rüttgers in Schutz. Die verheerende Außenwirkung seiner Winterfrische in Rom wollen diese Fürsprecher gar nicht zur Kenntnis nehmen – auch deswegen kommt die Partei nicht auf die Beine.
Ein juristisches Ablenkungsmanöver soll nun endlich beweisen: Wir können auch anders. Gemeinsam mit der röchelnden Vier-Prozent-Partei FDP hat die CDU Klage gegen den rot-grünen Nachtragshaushalt eingereicht, der sei nicht verfassungskonform. Die Frage ist nur, warum die Opposition nicht einen einzigen Änderungsantrag zum Etat eingebracht hat. Fraktionschef Karl-Josef Laumann erklärt das so:
"Also, es ist so, dass die CDU einen eigenen Nachtragshaushalt vorgelegt hat, wo wir alles das, was unbedingt in diesem Land im Nachtrag geregelt werden muss, geregelt haben."
Nur hätte dieser eigene Haushalt niemals eine Mehrheit gefunden, das weiß auch die CDU. Doch den Vorwurf, er betreibe Oppositionsarbeit nur vor dem Kadi statt im Parlament, lässt Laumann nicht gelten. Dabei droht ihm gar aus der eigenen Partei Gegenwind. Viele CDU-Bürgermeister im Ruhrgebiet sind nämlich hocherfreut über den Nachtragshaushalt, weil er ihnen eine kräftige Finanzspritze beschert. Laumann wischt solche Argumente beiseite:
"Wenn man Schulden beim Land macht, um Schulden bei den Kommunen zu tilgen, ist das keine Lösung. Man muss diese Dinge strukturell anpacken. Auch wenn die Bürgermeister bei mir anrufen, sag ich, das ist ganz klar, und ich finde im Übrigen sehr viel Verständnis für meine Position."
Ein wenig patzig rutscht ihm der letzte Satz dann doch raus. Und auch beim Thema Schule liegt der Fraktionschef mit einigen Kommunen über Kreuz. Während die Düsseldorfer Christdemokraten schon beim Wort Gemeinschaftsschule Gift und Galle spucken, werden die rot-grünen Schulpläne in ländlichen CDU-Gemeinden wohlwollend begrüßt. Geschlossenheit klingt anders. Vielleicht ist das aber auch nur die neue Diskussionskultur in der NRW-CDU, die sich der frisch gewählte Landesschef Norbert Röttgen so wünscht:
"Wir müssen Orte von Diskussion, von Ringen sein, dann werden wir glaubwürdig, und dann werden wir auch weiter bestehen als Volkspartei. So stelle ich mir unseren Landesverband vor."
Seit diesem Appell auf dem Landesparteitag Anfang November hat man von Norbert Röttgen kaum etwas gehört. Macht nichts, sagt Generalsekretär Oliver Wittke:
"Wir sind ja nicht mehr in Zeiten der Postkutsche, wo der Kaiser seinem Volk ins Angesicht gegenübertreten muss."
Dabei sei Röttgen sogar drei bis vier Mal die Woche in Düsseldorf, versichert Wittke – nur bekommt auch das kaum jemand mit. Dafür kann sein Landesverband ihn abends in der Tagesschau sehen, beim Interview aus Cancun. Dumm wäre jetzt nur, wenn die CDU mit ihrer Haushaltsklage schnelle Neuwahlen provoziert. Die Umfragewerte sind konstant miserabel, ein Koalitionspartner über der Fünfprozent-Hürde, also die FDP, ist nicht in Sicht. Und die Parteikasse ist leer. Doch baldige Neuwahlen, so der Generalsekretär, seien kein Problem:
"Nein, natürlich nicht!"
Selten hat eine Partei so darauf gehofft, erst einmal in der Opposition bleiben zu können. Um den eigenen Markenkern zu finden, rechnet Oliver Wittke jedenfalls lieber langfristig:
"Und das werden wir in der Opposition in den nächsten Monaten und Jahren herausarbeiten."
"Normalerweise sag ich da ja immer Gedichte auf."
Wittke hat Heinz Erhardt im Angebot:
"Nun sitz ich hier im Paradiese, mit anderen Engeln auf der Wiese. Man ist sich noch ein wenig fremd, zwei Flügel wachsen mir durchs Hemd."
Seiner CDU aber leider nicht. Wie Ikarus ist die Partei an Rhein und Ruhr in diesem Jahr abgestürzt: Nach Affären und der schmerzhaften Landtagswahlniederlage - "Das tat richtig weh" - leckt die CDU immer noch ihre Wunden. Fragen zum Heilungsprozess bleiben zunächst unbeantwortet. Lieber drischt der Generalsekretär seiner Arbeitsplatzbeschreibung gemäß auf die Minderheitsregierung ein. Minutenlange Monologe kann Oliver Wittke da halten, aber erst bei der dritten Nachfrage räumt er ein:
"Nein, das ist doch klar, dass 130 Tage nach Oppositionsformierung noch nicht alles so reibungslos funktioniert."
Und dann ein neuer Versuch: Die Partei sei hoch motiviert, versichert Wittke. Und inhaltlich habe die CDU sowieso die besseren Antworten. Nur bekommt all das irgendwie kaum einer mit im bevölkerungsreichsten Bundesland. Woran liegt es?
"Man muss beispielsweise stärker herausarbeiten, wo die Defizite dieser Regierung sind. Das haben wir nicht an jeder Stelle in den vergangenen sechs Wochen getan, da werden wir deutlich besser werden müssen."
Solche Sätze verkündet die NRW-CDU nun seit Monaten. Letzte Woche wäre Gelegenheit gewesen, rot-grüne Defizite herauszuarbeiten, und sei es nur durch Geschlossenheit in den eigenen Reihen. Doch bei der ersten entscheidenden Nagelprobe – der Verabschiedung des umkämpften Nachtragshaushalts, schaffte es die Fraktion nicht einmal, alle Abgeordneten beisammen zu haben. Auch der ehemalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schwänzte die Abstimmung wegen eines Termins im warmen Rom.
Tage vorher hatte diese Kunde schon für Murren auf der Weihnachtsfeier der CDU-Fraktion gesorgt. Ein beleidigter Vorsitzender, Karl-Josef Laumann, versuchte vergeblich Rüttgers umzustimmen. Von wegen festliche Stimmung.
Wer Christdemokraten in diesen Tagen fragt, ob Rüttgers der Partei eigentlich noch nütze oder eher schade, muss erst einmal das Mikrofon abschalten, bevor eine Antwort zurechtgelegt ist. Andere nehmen Rüttgers in Schutz. Die verheerende Außenwirkung seiner Winterfrische in Rom wollen diese Fürsprecher gar nicht zur Kenntnis nehmen – auch deswegen kommt die Partei nicht auf die Beine.
Ein juristisches Ablenkungsmanöver soll nun endlich beweisen: Wir können auch anders. Gemeinsam mit der röchelnden Vier-Prozent-Partei FDP hat die CDU Klage gegen den rot-grünen Nachtragshaushalt eingereicht, der sei nicht verfassungskonform. Die Frage ist nur, warum die Opposition nicht einen einzigen Änderungsantrag zum Etat eingebracht hat. Fraktionschef Karl-Josef Laumann erklärt das so:
"Also, es ist so, dass die CDU einen eigenen Nachtragshaushalt vorgelegt hat, wo wir alles das, was unbedingt in diesem Land im Nachtrag geregelt werden muss, geregelt haben."
Nur hätte dieser eigene Haushalt niemals eine Mehrheit gefunden, das weiß auch die CDU. Doch den Vorwurf, er betreibe Oppositionsarbeit nur vor dem Kadi statt im Parlament, lässt Laumann nicht gelten. Dabei droht ihm gar aus der eigenen Partei Gegenwind. Viele CDU-Bürgermeister im Ruhrgebiet sind nämlich hocherfreut über den Nachtragshaushalt, weil er ihnen eine kräftige Finanzspritze beschert. Laumann wischt solche Argumente beiseite:
"Wenn man Schulden beim Land macht, um Schulden bei den Kommunen zu tilgen, ist das keine Lösung. Man muss diese Dinge strukturell anpacken. Auch wenn die Bürgermeister bei mir anrufen, sag ich, das ist ganz klar, und ich finde im Übrigen sehr viel Verständnis für meine Position."
Ein wenig patzig rutscht ihm der letzte Satz dann doch raus. Und auch beim Thema Schule liegt der Fraktionschef mit einigen Kommunen über Kreuz. Während die Düsseldorfer Christdemokraten schon beim Wort Gemeinschaftsschule Gift und Galle spucken, werden die rot-grünen Schulpläne in ländlichen CDU-Gemeinden wohlwollend begrüßt. Geschlossenheit klingt anders. Vielleicht ist das aber auch nur die neue Diskussionskultur in der NRW-CDU, die sich der frisch gewählte Landesschef Norbert Röttgen so wünscht:
"Wir müssen Orte von Diskussion, von Ringen sein, dann werden wir glaubwürdig, und dann werden wir auch weiter bestehen als Volkspartei. So stelle ich mir unseren Landesverband vor."
Seit diesem Appell auf dem Landesparteitag Anfang November hat man von Norbert Röttgen kaum etwas gehört. Macht nichts, sagt Generalsekretär Oliver Wittke:
"Wir sind ja nicht mehr in Zeiten der Postkutsche, wo der Kaiser seinem Volk ins Angesicht gegenübertreten muss."
Dabei sei Röttgen sogar drei bis vier Mal die Woche in Düsseldorf, versichert Wittke – nur bekommt auch das kaum jemand mit. Dafür kann sein Landesverband ihn abends in der Tagesschau sehen, beim Interview aus Cancun. Dumm wäre jetzt nur, wenn die CDU mit ihrer Haushaltsklage schnelle Neuwahlen provoziert. Die Umfragewerte sind konstant miserabel, ein Koalitionspartner über der Fünfprozent-Hürde, also die FDP, ist nicht in Sicht. Und die Parteikasse ist leer. Doch baldige Neuwahlen, so der Generalsekretär, seien kein Problem:
"Nein, natürlich nicht!"
Selten hat eine Partei so darauf gehofft, erst einmal in der Opposition bleiben zu können. Um den eigenen Markenkern zu finden, rechnet Oliver Wittke jedenfalls lieber langfristig:
"Und das werden wir in der Opposition in den nächsten Monaten und Jahren herausarbeiten."