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NOK-Präsident besorgt um Leipziger Olympia-Bewerbung

Peter Lange: Erst der Geschäftsführer Thärichen, dann der Olympiastaatssekretär Köhler, zuletzt Burkhard Jung, der Olympiabeauftragte der Stadt Leipzig. Drei Abgänge innerhalb weniger Wochen. Die Organisatoren im Bewerbungskomitee für die Spiele 2012 haben einen Tiefschlag nach dem anderen einstecken müssen. Durch finanzielle Unregelmäßigkeiten und zweilichte Geschäfte bei der alten und neuen Bewerbergesellschaft ist das Projekt Olympia in Misskredit geraten und mit ihm sein Spiritus Rector, der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee. Am Wochenende auf der Mitgliederversammlung der Nationalen Olympischen Komitees wurde in Leipzig Tacheles geredet, man dürfe sich jetzt keinen Fehler mehr erlauben, so Klaus Steinbach, der Präsident des NOK für Deutschland. Er ist jetzt bei uns am Telefon, guten Morgen, Herr Steinbach.

    Klaus Steinbach: Schönen guten Morgen.

    Lange: Wie groß ist denn der Schaden, der durch die bisherigen Fehler entstanden ist?

    Steinbach: Nicht unerheblich, vor allen Dingen, das große Ärgernis für das NOK und auch für den deutschen Sport ist, dass wir nicht diese Fehler gemacht haben, sondern dass die im Um- und Vorfeld der jetzigen GmbH gemacht worden sind durch Prozesse, die sachlich und inhaltlich nicht in Ordnung sind, deshalb hat es auch personelle Konsequenzen gegeben, auch der Aufsichtsrat selber musste einen seiner beiden Geschäftsführer entlassen aufgrund von Geschäften, die bereits aus dem Vorfeld der internationalen Bewerbungsphase angebahnt worden sind und die uns dann getroffen haben. Der deutsche Sport hat damit jetzt eine große Herausforderung, diese Situation dennoch zu beheben und das wollen wir anfassen, natürlich auch zusammen mit der Bundesregierung und unser Sport- und Innenminister Otto Schily steht voll zu der Sache und versucht auch auf seiner Seite mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, diese Bewerbung nicht nur wieder in Schwung zu bringen, sondern vor allen Dingen gemeinsam mit uns dafür zu sorgen, dass diese Probleme jetzt vollständig auf den Tisch kommen, sollten noch welche da sein, damit wir dann auch jedem gegenüber offen, ehrlich und aufrichtig diese Bewerbung vorantreiben können.

    Lange: Aber hat die denn jetzt noch eine Chance, kann Leipzig sich da wirklich noch Aussichten machen?

    Steinbach: Es ist ja nicht eine Bewerbung Leipzigs sondern eine des NOK mit der Stadt Leipzig, dem Freistaat Sachsen, mit Deutschland. Nur dann funktioniert es und wir sollten genau diesen Zusammenhang auch sehen und ihn entsprechend kommunizieren.

    Lange: Aber bei der IOC-Vorauswahl im Januar geht es gar nicht so sehr darum, wer der Beste ist, sondern wer von diesem Bewerbungszug der neuen Bewerberstädte abgehängt werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt sieht es doch für Leipzig nun wirklich schlecht aus.

    Steinbach: Um das richtigzustellen: am 15. Januar muss jede Bewerberstadt einen technischen Fragebogen abgeben und da geht es vor allen Dingen um Fakten, wie das Konzept und die Infrastruktur aussieht, Beherbergung, Finanzierung. Wie glaubhaft sind die Garantien. Es ist nicht eine Bewerbungsphase, die durch IOC-Mitglieder entschieden wird, sondern durch eine technische Kommission und diese Ergebnisse erfahren wir Mitte nächsten Mai.

    Lange: Meinen Sie, da wird diese Vorgeschichte keine Rolle spielen?

    Steinbach: Sie wird dort im technischen Bereich nicht bewertet, das ist eine Frage, die dann, wenn es um Unterstützung der Bevölkerung und Korrektheit der Bewerbung geht, dann mitentscheidet. Wir versuchen, diesen Fragebogen so konkret, unmissverständlich und glaubhaft wie möglich zu beantworten, unterlegt mit Garantien und Zusagen der Stadt und des Landes und des Bundes, denn da geht es natürlich auch um die Finanzierung unseres Projektes. Wir werden beweisen können, dass das, was wir mit dem Olympiakonzept Leipzig 2012 vorhaben, auf einer Kompaktheit und Nähe zum Sport in einer Sportstadt und vor allen Dingen auf einer großen Nachhaltigkeit beruht, denn viele unserer Sportstätten werden temporäre sein und wir werden nicht mehr Geld als notwendig investieren. Wenn wir das mit der Olympiabewerbung Pekings vergleichen, wird in unser Konzept etwa ein Zehntel der Kosten investiert.

    Lange: Das IOC in Gestalt von Thomas Bach und auch der Deutsche Sportbund mit Manfred von Richthofen, schienen diese Chancen gestern doch noch sehr viel kritischer zu sehen.

    Steinbach: Es ist nicht so, dass ich sie wenig kritisch sehe. Ich sehe sie unter dem Augenmerk besonders kritisch, dass möglicherweise noch Probleme sogar aus dem Vorfeld der alten GmbH entstehen.

    Lange: Unter der neuen GmbH ab dem 12. April, können Sie da einigermaßen sicher sein, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist?

    Steinbach: Es gibt eine Rechnungsstellung, die vieles ins Laufen gebracht hat und die bis heute zu Recht nicht beglichen wurde. Da gab es Ungereimtheiten aus dem Vorfeld der neuen GmbH, die durch Thärichen hineingetragen wurden. Hier wurden Verträge nicht neu aufgelegt, die unkorrekt waren. Hierzu liegt mir seit drei Tagen ein Bericht vor, den werden wir in der Aufsichtsratsitzung am 9.11. beraten und hier werden wir auch noch mal unsere Rückschlüsse ziehen. Ich erwarte durch diesen Bericht auch Klarheit und Richtigstellung. Wir gehen davon aus, dass wir dann die Weichen für die Bewerbung neu stellen werden.

    Lange: Welche Rolle spielt für Sie der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee? Thomas Bach sagt, es muss im Zweifel auch ohne ihn gehen, andere meinen, wenn er sich auch zurückziehen muss, ist die Bewerbung am Ende.

    Steinbach: Sicherlich ist der OB in jeder Stadt eine ausgesprochen wichtige Figur, er ist das Gesicht für Leipzig, aber er hat auch die Aufgabe, die Bewerbung entsprechend bekanntzumachen, zusammen mit dem Präsidenten des Kuratoriums, das ist Hans-Dietrich Genscher, zusammen mit mir als NOK-Präsident.

    Lange: Also ohne ihn geht es im Grunde nicht?

    Steinbach: Es wird sehr schwer, aber muss im Zweifelfall auch ohne gehen. Dann muss der deutsche Sport sich diese Bewerbung zu Herzenssache machen, was nicht heißt, dass wir nicht an diese Bewerbung glauben, sondern dass wir sie tatsächlich auch führen und wir brauchen dann das Vertrauen von Stadt, Land und Bund, was vorhanden ist, um vorzugehen. Wir haben bisher viel in die Hand von Leipzig und Sachsen gegeben und dort sind diese Fehler aufgetaucht und dort besteht die Notwendigkeit, die zu bereinigen.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Klaus Steinbach, der Präsident des NOK für Deutschland. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Steinbach: Bitte, Wiederhören.