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Nonanal – schlechter Atem als Biowaffe gegen Schädlinge

Nonanal ist ein riechendes Abbauprodukt von pflanzlichen Wachsen und lockt bei hiesigen Weinreben den Falschen Mehltau an. Die entlassen ihn nämlich nur über ihre Spaltöffnungen ins Freie, der Schädling nutzt den Stoff daher als Geruchsspur zu den Öffnungen, durch die er in die Pflanze eindringen kann.

Von Volker Mrasek | 10.08.2011
    In größeren Mengen freigesetzt verwirrt das Molekül den Pilz dagegen, weshalb Forscher es als Bestandteil eines umweltfreundlichen Spritzmittels untersuchen.

    "Da kann man also mal dran schnüffeln."

    Gerne! Dann erfahren wir nämlich schon Entscheidendes über dieses Molekül ...

    "Nonanal? Wie das riecht? Ich find', wie frisch gemähtes Gras. Mit Sandelholzduft. Ja, ist ein bißchen herb. So 'ne Mischung." (0'16)

    Nonanal wird unter anderem von Weinpflanzen ausgedünstet. Manche Wildreben schwitzen besonders viel davon aus. Und sind dadurch immun gegen den Falschen Mehltau, einen gefürchteten Schädling in unseren Weinbergen. Forscher trauen Nonanal nun eine Karriere als neues, natürliches Rebschutzmittel zu ...

    Der Botanische Garten des KIT, des Karlsruher Technologie-Instituts. Der Weg führt ins letzte von mehreren Versuchsgewächshäusern. Dort stehen Dutzende Pflanzentöpfe mit jungen Reben. Eine von ihnen packt Ernst Heene, Technischer Assistent im Fachbereich Botanik, gerade in Folie ...

    ""Es wird eine Art Bratschlauch über eine Pflanze drübergezogen."

    "So, jetzt sind wir so weit."

    "Das Geräusch ist das Laufgeräusch der Pumpe. Und der Versuch läuft zu diesem Zeitpunkt dann."

    In dem foliendünnen Bratschlauch sammelt sich, was die junge Rebe an flüchtigen Verbindungen so abgibt. Darunter auch Nonanal ...

    "Ein kleiner Aldehyd. Es sind also neun Kohlenstoff-Atome in einer Reihe. Und daran ist ein Sauerstoff."
    Peter Nick, Professor für Botanik an der Karlsruher Hochschule ...

    ""Nonanal ist ein Stoff, der beim Abbau von Wachsen und von Oberflächenmolekülen entsteht. Sie wissen: Auf jeder Pflanze gibt's oben drauf 'ne kleine Cutinschicht, 'ne Cuticula. Wenn die abgebaut wird, entsteht eben Nonanal."

    Für unsere Kulturreben in Europa ist das schlecht. Denn das Molekül lockt den Falschen Mehltau an, einen parasitischen Algenpilz. Dem hilft Nonanal, ...

    "... um herauszufinden, an welchen Stellen die Pflanze wunde Punkte hat. Und diese wunden Punkte, das sind die sogenannten Spaltöffnungen. Das sind also kleine Löcher in der Oberfläche des Blattes, durch die geatmet wird. Und daraus entströmt eben das Nonanal wie so 'ne Art Mundgeruch."

    Der Falsche Mehltau folgt dieser Fährte und dringt in die Weinreben ein:

    "Verwüstet also hier je nach Jahr bis zu 30 Prozent der Weinernte. Also in jeder Saison – 12-, 13mal muss man spritzen. Mit ein Grund ist eben der Falsche Mehltau, den Sie sonst nicht in den Griff kriegen."

    Das könnte künftig mit Hilfe des Naturmoleküls Nonanal gelingen.

    Bei ihren Versuchen stellten die Karlsruher Forscher nämlich fest: Es gibt wild wachsende Reben, die dünsten Nonanal nicht nur über die Spaltöffnungen aus. Nein, sie sind sehr dünnhäutig und stinken aus allen Poren, wie Peter Nick sagt. Dadurch kann ihnen Falscher Mehltau nichts anhaben. Der Schädling ist förmlich benebelt von so viel Nonanal und findet die Blattöffnungen nicht mehr ...

    "Und dann kann der die nicht mehr befallen."

    In Kürze startet nun ein Züchtungsprojekt. Ausgesuchte Stinker unter den Wildreben werden mit Weißburgunder gekreuzt. Herauskommen soll eine weiße trinkbare Traubensorte, die immun gegen den Falschen Mehltau ist. Botaniker Nick hofft, ...

    "... dass wir in drei Jahren vielleicht die ersten resistenten Pflanzen haben, die durch 'ne Nonanal-Produktion verwirren können."

    "Da mach' ich mal die Schraubgläschen hier zusammen."

    Mraseks Molekül-Mosaik