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Norddeutsche Obstbautage

Im 18. Jahrhundert hat zwar der Dichter Gotthold Ephraim Lessing in dem kleinen Ort bei Hamburg geheiratet, wesentlich bekannter ist die heutige niedersächsische Gemeinde aber durch den Obstanbau geworden: Jork im Alten Land. Das Alte Land ist das größte Obstanbaugebiet in ganz Deutschland. Und hierher lädt man zu den sogenannten Obstbautagen ein. Auch in diesem Jahr haben wieder knapp 160 Aussteller aus ganz Europa ihre Produkte angepriesen und Experten über aktuelle Themen diskutiert. Am Abend gehen die Obstbautage mit einer Feier zu Ende. Wolfgang Wortmann hat sich auf der Messe umgesehen und mit den Obstbauern gesprochen.

von Wolfgang Wortmann |
    Eine 15 Meter lange Sortieranlage ordnet in der Ausstellungshalle wie von Geisterhand Äpfel nach Farbe, Maß und Gewicht. An einem anderen Stand sind Beregnungsdüsen nebeneinander aufgereiht - etwas größere und stabilere Exemplare als die Plastiksprenger für den heimischen Garten. Vertreter wollen Hagelversicherungen verkaufen. Hans-Jörg Wanner aus dem Allgäu wirbt für einen tankartigen roten Traktor-Anhänger - eine Spritzmaschine, die Pflanzenschutzmittel ausbringen soll - beispielsweise um Schorf oder Mehltau zu bekämpfen. Das Unternehmen habe gerade eine neue Versuchsanlage entwickelt:

    Da ist ein Potential drin von Spritzmitteleinsparung von 30 Prozent. Da sind Sensoren dran, die die Blätter erkennen und über einen Bordrechner im freien Raum die Maschine abschalten.

    Ein anderes Problem als Spritzmittel zu sparen ist für Jens Stechmann allerdings akuter. Der 43-jährige ist Vorsitzender des Obstbauversuchsringes im Alten Land - eine Vereinigung, in der sich rund 1000 Obstbauern organisiert haben. Sie beschäftigen sich zur Zeit mit der Frage, welche Pflanzenschutzmittel überhaupt versprüht werden dürfen. Bis vor etwa einem halben Jahr sei klar gewesen, dass ein für Äpfel zugelassenes Mittel auch bei Birnen eingesetzt werden durfte. Zum 1.7.2001 sei die Verordnung verschärft worden. Seitdem müsse jedes Mittel für jede Schädlingsart und jedes Obst separat zugelassen werden - mit weitreichenden Folgen:

    Die Industrie hat dann natürlich bei Kleinstkulturen durch den hohen Aufwand, den eine Zulassung eben bedingt - in Millionenhöhe - kaum Interesse, Pflanzenschutzmittel für Kleinstkulturen zuzulassen. Das schränkt natürlich die Produktion dieser Kleinstkulturen erheblich ein, und wir verlangen von der Politik, dass da Lösungen geschaffen werden, dass auch weiterhin diese Kulturen produziert werden können.

    Stechmann geht davon aus, dass bei der jetzigen Regelung insbesondere Himbeeren und Erdbeeren in Zukunft kaum noch auf den Feldern wachsen werden. Und eine Abkehr von Monokulturen, die für Krankheiten besonders anfällig sind und damit häufigeres Spritzen erforderlich machen, ist nur bei wenigen Obstbauern erkennbar. Und auch eine großangelegte Ausweitung der Bio-Produktion sehen viele nicht als sinnvoll an. Derzeit liege der Anteil bei zwei bis drei Prozent, so Stechmann. Die Zahl werde wachsen, aber nicht stark.

    Die geforderten 20 Prozent von Frau Künast in den nächsten zehn Jahren halte ich für utopisch, weil auch der Öko-Anbau wirtschaftlichen Vorgaben unterliegt und das Nachfrageverhalten für dieses teure Produkt dann doch erheblich eingeschränkt wird. Und von daher gibt es schon einen begrenzenden Faktor.

    Mehr als auf die Ausweitung der Bio-Produktion setzt Stechmann auf die Züchtung neuer Obstsorten im Alten Land. Sieben junge Obstbauern haben die "Züchtungsinitiative Niederelbe" gegründet. Ulrich Buchterkirch und seine Mitstreiter wollen, dass auch in 20 Jahren noch die Sorten im Alten Land wachsen, in die der Kunde auch beißen will. Aber das könnte ohne eine eigene Züchtung teuer werden:

    Der Staat zieht sich immer mehr aus der Züchtung zurück. Und so wird kein Züchtungsinstitut sagen: Wir geben die Sorte frei heraus, so dass wir so genannte Lizenzen pro Baum und pro geerntetes Kilo bezahlen müssten und somit - wie wir das nennen - zu Auftragsproduzenten werden.

    Weiter die bereits bekannten Sorten anzubauen, sei auf Dauer nicht die Lösung. Dann werde am Geschmack "vorbeiproduziert". An die alten regionalen Apfelsorten trauen sich viele Obstbauern nicht recht heran. Sie sind nicht so lange haltbar und passen damit nicht in die Vermarktungskonzepte - trotz ihres guten Geschmacks. Denkbar sei, neue Sorten zu züchten, die in etwa genauso schmecken, meint Buchterkirchs Kollege Matthias Schmoldt:

    Wir haben Kooperationen angedacht mit der Fachhochschule Osnabrück, die für uns Arbeiten ausführen wird, mit einer Baumschule, die Arbeiten ausführen wird und wir haben die Möglichkeit - das ist natürlich unser Ziel - eine möglichst gebietsübergreifende Lösung anzustreben, wo wir den Fruchthandel möglichst einbinden wollen, die Erzeugerorganisationen und die Erzeuger in ein Boot zu ziehen, um eine möglichst kostengünstige Variante auf die Beine zu stellen.

    Wann die neue Sorte bei den Obstbautagen im niedersächsischen Jork vorgestellt ist allerdings noch völlig offen. Von 10.000 Sämlingen ist eventuell gerade mal ein Exemplar interessant. Das kostet viel Zeit - möglicherweise 10 oder 20 Jahre.