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Nordseeverbindungen

Energie. - Ein gewaltiges Netz von Unterseekabeln soll künftig die Nordseeanrainer-Staaten und ihre Windparks auf dem Meer miteinander verbinden. Windstrom soll so von hoher See an Land gelangen und bei Bedarf in norwegischen Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden. Der Wissenschaftsjournalist Sönke Gäthke berichtet im Gespräch mit Michael Böddeker über das Projekt.

    Böddeker: Herr Gäthke, warum genau machen sich die Energieversorger und die Politik überhaupt diese ganze Mühe?

    Gäthke: Weil in den kommenden Jahren wirklich sehr viele neue Windräder in die Nordsee gestellt werden. Der europäische Windenergie-Verband rechnet damit, dass wir bis 2020 ungefähr 40 Gigawatt Leistung haben werden, zehn Jahre später werden das schon 150 Gigawatt sein. Und diese Energie muss irgendwie an Land. Und wenn sich jetzt die Anrainerstaaten alle miteinander an einen Tisch setzen und koordinieren hat das Vorteile. Dann speisen alle Windräder in ein Netz ein, das dann obendrein noch mit den Speicherkraftwerken in Norwegen verbunden ist, dann können die Windräder der Nordsee immer eine garantierte Strommenge liefern.

    Böddeker: Also das ganze wird dadurch planbarer, kann man das so sagen?

    Gäthke: Ja, genau. Weil sich die Windkrafträder untereinander ausgleichen können. Das muss man sich so vorstellen: Eine Flaute tritt nicht überall gleichzeitig auf. Wenn nun ein Windrad weniger Strom liefert, weil der Wind gerade abgeflaut ist, ist ein anderes mit Sicherheit dabei mehr Strom zu liefern, weil dort der Wind gestiegen ist. Wenn die jetzt in ein Stromnetz einspeisen, haben wir immer noch eine gleiche Strommenge. Wenn wir dann auch noch, wenn die Windkrafträder viel Strom liefern, den Strom in den Speicherkraftwerken in Norwegen einspeichern und den da wieder rausholen, wenn die Windkraft doch einmal generell zu niedrig sein sollte, dann kriegen wir eine ziemlich gut planbare Stromlieferung aus diesem Windkraftnetz. Es gibt Berechnungen, die sagen, 30 Prozent des Strombedarfs Europas ließen sich damit decken, wenn man das auf ganz Europa ausdehnt, so ein Netz, rund um die Uhr und jedes Jahr.

    Böddeker: Wie genau soll denn das Netz, was nun geplant ist, aussehen?

    Gäthke: Das würde ganz einfach aus Kabeln bestehen, allerdings aus Hochspannung-Gleichstromkabel.

    Böddeker: Warum Gleichstrom und nicht Wechselstrom, wie er ja aus der Steckdose kommt?

    Gäthke: Der Kabellänge wegen. Es ist ganz einfach so: Hochspannungswechsel-, oder Hochspannungsdrehstromkabel haben einen sehr hohen inneren Widerstand. Je höher die Spannung ist, desto größer ist dieser Widerstand. Ab einer Länge von 60 bis 100 Kilometer können Energieversorger eigentlich praktisch kein Strom mehr dadurch liefern. Das heißt, es wird so sein, dass die Windräder auf See erst einmal Drehstrom produzieren, dieser Drehstrom geht in Offshore-Konverterstationen, wird dort in Gleichstrom umgewandelt, und der wird dann an Land transportiert, wo er wieder in Drehstrom umgewandelt wird. Eigentlich können wirklich nur die Windparks, die dicht an der Küste stehen, Drehstrom direkt an Land liefern.

    Böddeker: In diesem Netz werden jetzt alle Länder mit allen verbunden, oder wie genau soll das dann ablaufen.

    Gäthke: Das ist noch nicht ganz klar, weil die Minister das noch nicht beschlossen haben. Bis jetzt gibt es sehr viele Pläne. Da gibt es zum Beispiel den "off shore network plan" der europäischen Windenergie, des Europäischen Windenergie-Verbands (PDF-Dokument). Der sieht vor, dass bis 2030 in mehreren Stufen ungefähr 6000 Kilometer Kabel durch die Nordsee verlegt werden sollen, eben zwischen England, Norwegen, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden. Und diese Kabel werden an einigen Offshore-Knotenpunkten verbunden mit den umliegenden Windparks. Außerdem gibt es noch viele weitere Ideen, mindestens fünf weitere Konzepte gibt es noch. Und eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission wird jetzt aus diesen Grundlagen erst einmal ein Netzplan (PDF-Dokument) ausarbeiten, und der wird, so die Planung, ungefähr Ende 2010 vorgestellt werden.

    Böddeker: Wo liegen denn die technischen Probleme bei diesem Bauvorhaben?

    Gäthke: Also prinzipiell ist die Technik da, um damit anzufangen. Aber ein richtiges Netz mit Hochspannungs-Gleichstrom hat noch nie jemand probiert.

    Böddeker: Warum nicht? Wo ist da die Schwierigkeit?

    Gäthke: Man hat zwei Probleme: zum einen muss so eine Hochspannungs-Gleichstromleitung an den Anfangs- und Endpunkten sehr genau koordiniert werden. Das muss in Echtzeit passieren. Das heißt, bei zwei Endpunkten ist das noch einfach, aber sowie man schon einen dritten Endpunkt einbaut, weil man einen Ast drin hat, da wird das schon sehr viel anspruchsvoller, komplizierter. Und das zweite ist: es gibt noch keinen Sicherheitsschalter, mit dem man eine kurzgeschlossene Hochspannung-Gleichstromleitung ausschalten könnte.

    Böddeker: Also ein einen solchen Schalter musst man erst noch entwickeln. Wann soll denn das Stromnetz in der Nordsee fertig sein?

    Gäthke: Die Politik plant so den ersten Ausbau, die erste Ausbaustufe bis 2020 beendet zu haben, aber das kann noch nicht das Ende sein, es wird immer noch weitergehen müssen. Ende des Jahres soll jetzt erst einmal eine Absichtserklärung der Minister unterschrieben werden und danach wird man sehen, wie schnell das weitergehen. Sicher ist nur eins, es muss schnell kommen. Großbritannien will jetzt in den kommenden Jahren sehr viele Offshore-Windparks bauen. Es ist die Rede von 6000 Windrädern oder 5500 Megawatt bis 2013. Und wenn man angefangen hat so etwas zu bauen, da muss man nicht in der Nordsee aufhören, dann kann man das weiter ausdehnen, man kann das bis in die Biskaya ausdehnen, man kann das bis ins Mittelmeer ausdehnen, man kann sogar ein interkontinentales Netz entstehen lassen.