Anja Reinhardt: Wenn man über die Liebe singt, wenn man über Frauen singt, dann bewegt man sich, gerade wenn man deutsch singt, auf dünnem Eis. Das kann sehr schnell abrutschen, kitschig werden, oder es ist zu weit weg, zu distanziert. Und genau mit solchen Formulierungen, ‚für alles eine Creme haben, wenn es ein Problem gibt’ schaffen Sie das ja schon, immer wieder die Kurve zu kriegen, und zwar mit sehr überraschenden...
Max Raabe: Wendungen... Ja, das ist auch immer unser Ehrgeiz gewesen, dass man irgendetwas macht, was in dem Moment keiner erwartet, dass sich Liebeslieder in der Form nicht immer wiederholen. Ganz früher hab ich gesagt: warum soll ich Liebeslieder schreiben? Es gibt die tollsten Liebeslieder, ich brauche nur in mein Repertoire zu greifen, in den 20er-, 30er-Jahren sind so herrliche Liebeslieder geschrieben worden, aber Annette Humpe hat mich dann eben eines besseren belehrt und gesagt: Man muss es anders machen, man darf da keine Klischees bedienen.
Reinhardt: Man könnte denken, dass die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Annette Humpe nicht auf der Hand liegt. Es ist schon das zweite Album, dass sie zusammen gemacht haben, und wenn man die Einzelpersonen betrachtet, dann sieht man Annette Humpe, die eine sehr bewegte musikalische Geschichte hat, Ideal ist etwas ganz anderes als Ich + Ich. Sie sind aber jemand, der schon seit sehr langer Zeit, sehr konsequent einen Stil verfolgt. Wie war die erste Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Frau Humpe?
Raabe: Natürlich ist die Idee nicht sehr nahe liegend gewesen, dass wir was zusammen machen. Dazu gekommen ist es, weil mir Stücke von ihr schon immer irgendwie gefallen haben, also, also natürlich von Ideal angefangen. Ihre Texte oder Texte von Udo Lindenberg – das sind, in der Zeit, in der sie entstanden sind, waren sie eine absolute Ausnahme. Deutsch war ja wirklich nur eine Schlagersprache. In der Popmusik wurde deutsch ja kaum verwendet.
Ich dachte, man könnte mal ein Stück zusammen schreiben. Und dann haben wir uns getroffen und überlegt, na, wir können ja mal ein Stück zusammen machen. Das war ein sehr höfliches, distanziertes aber höfliches, interessiertes Gespräch. Und am Ende haben wir dann gesagt: Mal sehen, was passiert. Und tatsächlich hat sie sich dann nach einigen Wochen gemeldet und gesagt: 'Ich hab’ eine Idee, mach Dir mal Gedanken.' So fing das dann an, dass wir uns einmal getroffen haben und dann noch mal. Dann war ein Stück fertig und dann hing das zweite schon als Idee im Raum. Auf einmal wurde das ganz schnell und dicht. Und wenn man dann eine gute Idee hatte, wurde sofort gelacht. Und so ging das hoppladihopp durch, und dann waren zwei, drei Titel fertig. Und dann kam die Idee: Lass uns doch ein ganzes Album machen. Es war nicht geplant, aber es kam nach und nach dazu, bis dann die erste Scheibe "Küssen kann man nicht alleine" fertig war.
Reinhardt: Und extrem erfolgreich war.
Raabe: So was haben wir auch noch nicht erlebt. Wir geben Konzerte, wir verkaufen Platten, aber wir leben vor allem davon, auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Das ist in dem Bereich, in dem wir unterwegs sind, ist der Plattenverkauf eher Publikumspflege. Aber dass wir Platin bekommen, war überhaupt noch nie im Rahmen der Möglichkeiten. Hat mir auch nie gefehlt, aber ist natürlich toll, wenn man so was dann mal machen kann!
Reinhardt: Würden Sie sagen, dass das vielleicht auch daran liegt, dass Sie und Annette Humpe sehr gegensätzliche Persönlichkeiten sind?
Raabe: Also zunächst muss man sagen, dass Annette Humpe eine sehr erfolgreiche Produzentin ist, egal, mit wem die zusammen arbeitet, das ist erfolgreich. So viel zum Thema Demut. Aber ihr macht es dann wiederum Spaß mit jemandem zu arbeiten, der so einen Humor hat, wie ich ihn habe und so Reime macht, wie ich sie mache, und auf 'Problem' ‚Creme’ reimt, also wenn Frauen ein Problem haben, dann haben sie eine Creme. Weil normalerweise in der Popmusik Ironie gar nicht zu Hause ist. Und in ihren Liedern ist auch keine Ironie. Und just das hat ihr Spaß gemacht mit mir. Darum haben wir uns dann natürlich schon ergänzt.
Reinhardt: Die Zusammenarbeit kam aber auch deswegen zustande, weil Sie mit ihrer Schwester zusammen in einem Haus wohnen, ist das richtig?
Raabe: Jaja, Inga Humpe und ich wohnen tatsächlich in einem Haus aber das wohnen tatsächlich ganz viele Musiker.
Reinhardt: Wie ein Kollektiv?
Raabe: Jaja, das geht so, hier ist noch was frei, hast Du nicht Lust. Man spricht sich dann an weil man sich aus dem Studium oder aus der Musikwelt kennt. Das war jetzt keine Kolchose für Unterhaltungskünstler.
Reinhardt: Sie haben etwas geschafft, was nicht so viele deutsche Musiker schaffen, nämlich auch im Ausland erfolgreich zu sein. Sie spielen in New York, was jetzt nicht die Sporthalle in Sprockhövel ist.
Raabe: Nichts gegen die Sporthalle von Sprockhövel!
Reinhardt: Und die Bude ist voll. Wie erklären Sie sich das?
Raabe: Das kann ich nicht erklären. Ich stehe da auch staunend daneben. Ich weiß es nicht genau, flachsig hab ich dann gesagt: Haben die denn da keine eigenen Musiker? Wenn man die Musik ernst nimmt, wenn man das so wie wir mit dieser Akribie betreibt, dieser Liebe auch für das Repertoire und mit Ernsthaftigkeit – alle Musiker im Orchester sind sehr gewissenhaft in dem, wie sie die Dinge interpretieren, darum ist das immer frisch, diese herrlichen Kompositionen, diese Arrangements, die die haben, vielleicht auch wie ich singe, all diese Dinge kommen da zusammen, das macht das für ein Publikum interessant. Letztendlich sind Amerikaner oder New Yorker auch nur Leute die gerne ein schönes Konzertprogramm hören.
Reinhardt: So einfach ist es aber glaube ich nicht, wenn man nach Israel geht und da spielt, oder?
Raabe: Nee, das war nicht einfach, das war zunächst ein Wagnis und als wir dann da waren war es eben überhaupt kein Wagnis mehr, da habe ich einfach gesagt: Wie toll ist das! Und wie großartig die Reaktion ist, und wie interessant das Publikum gemischt war. Natürlich sehr alte Leute, die ihre Jugend in Berlin oder Frankfurt oder Fulda oder in Wien verbracht haben, die also mit der deutschen Sprache ganz eng verbunden sind, ihre Heimat sind diese Städte. Das sind die Geschichten, die dann dahinter stehen, die alle für sich unfassbar sind. Und dann sind auf der anderen Seite sehr junge Leute, die deutsche Wurzeln haben – und immer ein Gefühl, dass da noch mehr sein muss, in der Kultur, und die sitzen dann da und hören auf einmal und begreifen, was ihnen vorher gefehlt hat. Und das war sehr ergreifend für uns und schön auch, weil es zu tollen Begegnungen gekommen ist danach.
Reinhardt: Sie vermitteln ja sowohl in ihrer Musik als auch in ihrem Auftreten, das quasi so was Fred-Astaire-mäßiges hat, also: Mit einem Fingerschnippen kann man die schlechten Seiten des Lebens beiseiteschieben. Mich würde interessieren, was die schlechtgelaunte Seite von Max Raabe ist. Gibt es die?
Raabe: Aber ja! Die gibt es! Zunächst aber noch mal zur Musik: Die Musik ist dafür geschrieben worden, sie war von Anfang an dafür gemacht, die Leute zu unterhalten und sobald das Stück anfängt, macht es schnipp! Und wenn die Musik gut ist und die Texte gut sind und so weiter und alles passt, sind die Sorgen des Alltags weg, dafür ist das gemacht worden. Dass ich ein muffiger und unausstehlicher Mensch bin, das wissen nur meine Kollegen, vor allem vormittags!
Reinhardt: Sie sind eine Nachteule?
Raabe: Schon. Und immer der Letzte, der nach Hause geht, wenn es irgendwo Partys gibt...
Reinhardt: Herr Raabe, danke für das Interview!
Raabe: Vielen Dank, sehr gerne, es war mir ein Vergnügen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Max Raabe: Wendungen... Ja, das ist auch immer unser Ehrgeiz gewesen, dass man irgendetwas macht, was in dem Moment keiner erwartet, dass sich Liebeslieder in der Form nicht immer wiederholen. Ganz früher hab ich gesagt: warum soll ich Liebeslieder schreiben? Es gibt die tollsten Liebeslieder, ich brauche nur in mein Repertoire zu greifen, in den 20er-, 30er-Jahren sind so herrliche Liebeslieder geschrieben worden, aber Annette Humpe hat mich dann eben eines besseren belehrt und gesagt: Man muss es anders machen, man darf da keine Klischees bedienen.
Reinhardt: Man könnte denken, dass die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Annette Humpe nicht auf der Hand liegt. Es ist schon das zweite Album, dass sie zusammen gemacht haben, und wenn man die Einzelpersonen betrachtet, dann sieht man Annette Humpe, die eine sehr bewegte musikalische Geschichte hat, Ideal ist etwas ganz anderes als Ich + Ich. Sie sind aber jemand, der schon seit sehr langer Zeit, sehr konsequent einen Stil verfolgt. Wie war die erste Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Frau Humpe?
Raabe: Natürlich ist die Idee nicht sehr nahe liegend gewesen, dass wir was zusammen machen. Dazu gekommen ist es, weil mir Stücke von ihr schon immer irgendwie gefallen haben, also, also natürlich von Ideal angefangen. Ihre Texte oder Texte von Udo Lindenberg – das sind, in der Zeit, in der sie entstanden sind, waren sie eine absolute Ausnahme. Deutsch war ja wirklich nur eine Schlagersprache. In der Popmusik wurde deutsch ja kaum verwendet.
Ich dachte, man könnte mal ein Stück zusammen schreiben. Und dann haben wir uns getroffen und überlegt, na, wir können ja mal ein Stück zusammen machen. Das war ein sehr höfliches, distanziertes aber höfliches, interessiertes Gespräch. Und am Ende haben wir dann gesagt: Mal sehen, was passiert. Und tatsächlich hat sie sich dann nach einigen Wochen gemeldet und gesagt: 'Ich hab’ eine Idee, mach Dir mal Gedanken.' So fing das dann an, dass wir uns einmal getroffen haben und dann noch mal. Dann war ein Stück fertig und dann hing das zweite schon als Idee im Raum. Auf einmal wurde das ganz schnell und dicht. Und wenn man dann eine gute Idee hatte, wurde sofort gelacht. Und so ging das hoppladihopp durch, und dann waren zwei, drei Titel fertig. Und dann kam die Idee: Lass uns doch ein ganzes Album machen. Es war nicht geplant, aber es kam nach und nach dazu, bis dann die erste Scheibe "Küssen kann man nicht alleine" fertig war.
Reinhardt: Und extrem erfolgreich war.
Raabe: So was haben wir auch noch nicht erlebt. Wir geben Konzerte, wir verkaufen Platten, aber wir leben vor allem davon, auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Das ist in dem Bereich, in dem wir unterwegs sind, ist der Plattenverkauf eher Publikumspflege. Aber dass wir Platin bekommen, war überhaupt noch nie im Rahmen der Möglichkeiten. Hat mir auch nie gefehlt, aber ist natürlich toll, wenn man so was dann mal machen kann!
Reinhardt: Würden Sie sagen, dass das vielleicht auch daran liegt, dass Sie und Annette Humpe sehr gegensätzliche Persönlichkeiten sind?
Raabe: Also zunächst muss man sagen, dass Annette Humpe eine sehr erfolgreiche Produzentin ist, egal, mit wem die zusammen arbeitet, das ist erfolgreich. So viel zum Thema Demut. Aber ihr macht es dann wiederum Spaß mit jemandem zu arbeiten, der so einen Humor hat, wie ich ihn habe und so Reime macht, wie ich sie mache, und auf 'Problem' ‚Creme’ reimt, also wenn Frauen ein Problem haben, dann haben sie eine Creme. Weil normalerweise in der Popmusik Ironie gar nicht zu Hause ist. Und in ihren Liedern ist auch keine Ironie. Und just das hat ihr Spaß gemacht mit mir. Darum haben wir uns dann natürlich schon ergänzt.
Reinhardt: Die Zusammenarbeit kam aber auch deswegen zustande, weil Sie mit ihrer Schwester zusammen in einem Haus wohnen, ist das richtig?
Raabe: Jaja, Inga Humpe und ich wohnen tatsächlich in einem Haus aber das wohnen tatsächlich ganz viele Musiker.
Reinhardt: Wie ein Kollektiv?
Raabe: Jaja, das geht so, hier ist noch was frei, hast Du nicht Lust. Man spricht sich dann an weil man sich aus dem Studium oder aus der Musikwelt kennt. Das war jetzt keine Kolchose für Unterhaltungskünstler.
Reinhardt: Sie haben etwas geschafft, was nicht so viele deutsche Musiker schaffen, nämlich auch im Ausland erfolgreich zu sein. Sie spielen in New York, was jetzt nicht die Sporthalle in Sprockhövel ist.
Raabe: Nichts gegen die Sporthalle von Sprockhövel!
Reinhardt: Und die Bude ist voll. Wie erklären Sie sich das?
Raabe: Das kann ich nicht erklären. Ich stehe da auch staunend daneben. Ich weiß es nicht genau, flachsig hab ich dann gesagt: Haben die denn da keine eigenen Musiker? Wenn man die Musik ernst nimmt, wenn man das so wie wir mit dieser Akribie betreibt, dieser Liebe auch für das Repertoire und mit Ernsthaftigkeit – alle Musiker im Orchester sind sehr gewissenhaft in dem, wie sie die Dinge interpretieren, darum ist das immer frisch, diese herrlichen Kompositionen, diese Arrangements, die die haben, vielleicht auch wie ich singe, all diese Dinge kommen da zusammen, das macht das für ein Publikum interessant. Letztendlich sind Amerikaner oder New Yorker auch nur Leute die gerne ein schönes Konzertprogramm hören.
Reinhardt: So einfach ist es aber glaube ich nicht, wenn man nach Israel geht und da spielt, oder?
Raabe: Nee, das war nicht einfach, das war zunächst ein Wagnis und als wir dann da waren war es eben überhaupt kein Wagnis mehr, da habe ich einfach gesagt: Wie toll ist das! Und wie großartig die Reaktion ist, und wie interessant das Publikum gemischt war. Natürlich sehr alte Leute, die ihre Jugend in Berlin oder Frankfurt oder Fulda oder in Wien verbracht haben, die also mit der deutschen Sprache ganz eng verbunden sind, ihre Heimat sind diese Städte. Das sind die Geschichten, die dann dahinter stehen, die alle für sich unfassbar sind. Und dann sind auf der anderen Seite sehr junge Leute, die deutsche Wurzeln haben – und immer ein Gefühl, dass da noch mehr sein muss, in der Kultur, und die sitzen dann da und hören auf einmal und begreifen, was ihnen vorher gefehlt hat. Und das war sehr ergreifend für uns und schön auch, weil es zu tollen Begegnungen gekommen ist danach.
Reinhardt: Sie vermitteln ja sowohl in ihrer Musik als auch in ihrem Auftreten, das quasi so was Fred-Astaire-mäßiges hat, also: Mit einem Fingerschnippen kann man die schlechten Seiten des Lebens beiseiteschieben. Mich würde interessieren, was die schlechtgelaunte Seite von Max Raabe ist. Gibt es die?
Raabe: Aber ja! Die gibt es! Zunächst aber noch mal zur Musik: Die Musik ist dafür geschrieben worden, sie war von Anfang an dafür gemacht, die Leute zu unterhalten und sobald das Stück anfängt, macht es schnipp! Und wenn die Musik gut ist und die Texte gut sind und so weiter und alles passt, sind die Sorgen des Alltags weg, dafür ist das gemacht worden. Dass ich ein muffiger und unausstehlicher Mensch bin, das wissen nur meine Kollegen, vor allem vormittags!
Reinhardt: Sie sind eine Nachteule?
Raabe: Schon. Und immer der Letzte, der nach Hause geht, wenn es irgendwo Partys gibt...
Reinhardt: Herr Raabe, danke für das Interview!
Raabe: Vielen Dank, sehr gerne, es war mir ein Vergnügen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.