Burgwinkel: Herr Rautenstrauch, wenn ich so die Bilder aus Palästina vor Augen habe, den Konflikt um Arafat im Hinterkopf, dann frage ich mich eigentlich, wie überhaupt Universitätsleben da funktionieren soll. Gibt es so etwas denn überhaupt? Wie sind Ihre Erfahrungen?
Rautenstrauch: Vor der Reise habe ich auch gedacht, dass die Universitäten dort mehr oder weniger ein Trümmerfeld seien. Es zeigte sich aber, dass alle Universitäten, die wir besucht haben, arbeitsfähig sind, auf internationalem Standard und einen normalen Universitätsbetrieb vorweisen können.
Burgwinkel: Alle Universitäten, wie viele haben Sie denn besucht?
Rautenstrauch: Wir haben insgesamt neun Universitäten besucht, das heißt alle in der Westbank.
Burgwinkel: Und die sind alle, wie Sie sagen, auf dem neuesten Stand, sind funktionsfähig. Wie machen die das denn?
Rautenstrauch: Das habe ich mich auch gefragt. Auf dem neuesten Stand heißt zunächst mal, dass sie, was Gebäude, Infrastruktur und Computersysteme angeht, wirklich auf westlichen Standards sind. In einigen Universitäten wie beispielsweise Alkud, Birzeit oder Bethlehem wären wahrscheinlich sogar einige deutsche Universitäten froh, so ausgestattet zu sein. Der Grund, weshalb die Universitäten gut funktionieren, ist zum einen, dass sie durch den palästinensischen Staat mit hoher Priorität unterstützt werden, zum anderen dass zahlreiche vermögende Palästinenser die Hochschulen mit großzügigen Spenden über Wasser halten. Beispielsweise an der Universität Nablus ist eine neue Bibliothek entstanden, ein neues Fakultätsgebäude für die Ingenieurwissenschaftler und eine neue Informatikfakultät, dies alles aus privaten Spenden.
Burgwinkel: Aber wenn ich das recht in Erinnerung habe, war die Uni in Hebron doch sogar komplett geschlossen bis vor kurzem.
Rautenstrauch: So ist es. Die Universität in Hebron wie auch die Palastine Polytechnic University in Hebron waren von Januar bis August geschlossen. Bei der Palastine Polytechnic University war es sogar so, dass die komplette Infrastruktur in einer Militäraktion zerstört wurde. Beide Universitäten sind heute voll funktionstüchtig. Wir konnten also keine Schäden mehr besichtigen, es sei denn auf Fotos, und der Lehrbetrieb ist auch während der Schließung weitergegangen. Die Dozenten nutzten zum einen Internettechnologie, um die Studierenden mit Informationsmaterial, Skripten zu versorgen, und ihnen auch mitzuteilen, wo, wann welche Lehrveranstaltung stattfindet. Das ist mal Hotels, mal in Privathäusern, aber im Großen und Ganzen ist es auch bei Schließungen möglich, den Lehrbetrieb fortzuschreiben.
Burgwinkel: Das heißt, es ist wirklich eine Kontinuität für die Studierenden gewährleistet?
Rautenstrauch: Im Rahmen der Möglichkeiten, ja. Es ist natürlich nicht so, dass ein solcher Universitätsbetrieb vergleichbar ist wie zu Zeiten, wo der Campus geöffnet ist, aber es wird sichergestellt, dass die Studierenden ihr Studium möglichst in der Regelstudienzeit zu Ende führen können.
Burgwinkel: Haben Sie denn jetzt auch ganz konkrete Kooperationsvorschläge von Ihrem Besuch mitgebracht?
Rautenstrauch: Ja. Der Kooperationsbedarf besteht flächendeckend, denn so schön die technische Infrastruktur aussieht, so groß sind die Schwierigkeiten im Personalbereich. Die Hochschulen haben Dozenten, die durchweg im Ausland promoviert haben, auf einem hohen Niveau sind, aber davon viel zu wenige. Das Problem ist, dass sie mit ihrem geringen Personalbestand kaum in der Lage sind, Masterstudiengänge anzubieten und sich selber ihren Nachwuchs zu schaffen. Schickt man aber guten Nachwuchs ins Ausland, besteht die große Gefahr, dass er nicht nach Palästina zurückkehrt, so dass dort gewissermaßen ein Teufelskreis besteht. Das heißt, der Bedarf ist in erster Linie in der Dozentenausbildung, im Studentenaustausch, Doktoranden, da wird hoher Bedarf gesehen. Außerdem wünscht man sich natürlich, dass auch Dozenten aus Deutschland und anderen Ländern zumindest zeitweise nach Palästina kommen, um dort sozusagen frisches Blut reinzubringen und die Arbeit zu unterstützen.
Burgwinkel: Das heißt, man müsste jetzt hier sehr viel Werbung dafür machen, dass gut ausgebildete Leute tatsächlich da runtergehen?
Rautenstrauch: Genauso ist es. Das Hindernis, nach Palästina zu reisen, sind ja nicht so sehr die Hochschulen und die Qualität der Hochschulen. Die Hindernisse liegen mehr im Umfeld, und nach unserer Erfahrung - und wir waren durchaus zu einer Zeit dort, die nicht unproblematisch war - ist Palästina bereisbar, und es ist möglich, an den Universitäten konstruktiv zu arbeiten. Insofern sollte man die aktuelle Situation nicht ausschließlich nach dem beurteilen, was man in den Nachrichten sieht.
Burgwinkel: Gab es irgendwas während Ihres Besuches, was Sie ganz besonders beeindruckt hat, womit Sie vielleicht noch den einen oder anderen noch überzeugen könnten, auch nach Palästina zu reisen?
Rautenstrauch: Also am meisten beeindruckt hat mich die Haltung der Palästinenser. Die Probleme im täglichen Leben sind wirklich allgegenwärtig. So haben Studierende jeden Tag das Problem, dass sie Checkpoints passieren müssen, dass spontan Checkpoints aufgebaut werden, die sie zu Riesenumwegen zwingen oder dass Wege durch Schlamm- oder Schmutzsperren nicht passierbar sind. Trotz dieser ganzen Schwierigkeiten bemühen sich Dozenten und Studierende, ihr Studium ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen, und das ist eine enormer Kraft-, Zeit- und Geduldaufwand. An einigen Universitäten wird wirklich an sieben Tagen der Woche gelehrt, um die Lücken, die durch diese Verzögerungen entstehen, aufzufüllen. Also die Mentalität, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, hat mich sehr beeindruckt.
Burgwinkel: Und ein Highlight Ihres Besuches?
Rautenstrauch: Das Highlight war ohne Frage ein 35-minütiger Termin mit dem Präsidenten Yasser Arafat, mit dem wir, bevor wir auf die Rundreise gegangen sind, über die Situation an den palästinensischen Hochschulen beraten haben. Er hat uns sehr gute Tipps gegeben. Er hat uns gesagt, dass die Hochschulen und Hochschulkooperationen eine sehr große Bedeutung für Palästina haben, und das hat sich letztendlich bei den Einzelbesuchen auch so bestätigt. Es war natürlich auch ein persönlich sehr aufregendes Erlebnis. Herr Arafat ist sehr charismatisch, freundlich und mit scharfem Verstand, und nach dem Gespräch haben mir auch ganz schön die Knie gezittert.
Burgwinkel: Ich bedanke mich für das Gespräch.
Rautenstrauch: Vor der Reise habe ich auch gedacht, dass die Universitäten dort mehr oder weniger ein Trümmerfeld seien. Es zeigte sich aber, dass alle Universitäten, die wir besucht haben, arbeitsfähig sind, auf internationalem Standard und einen normalen Universitätsbetrieb vorweisen können.
Burgwinkel: Alle Universitäten, wie viele haben Sie denn besucht?
Rautenstrauch: Wir haben insgesamt neun Universitäten besucht, das heißt alle in der Westbank.
Burgwinkel: Und die sind alle, wie Sie sagen, auf dem neuesten Stand, sind funktionsfähig. Wie machen die das denn?
Rautenstrauch: Das habe ich mich auch gefragt. Auf dem neuesten Stand heißt zunächst mal, dass sie, was Gebäude, Infrastruktur und Computersysteme angeht, wirklich auf westlichen Standards sind. In einigen Universitäten wie beispielsweise Alkud, Birzeit oder Bethlehem wären wahrscheinlich sogar einige deutsche Universitäten froh, so ausgestattet zu sein. Der Grund, weshalb die Universitäten gut funktionieren, ist zum einen, dass sie durch den palästinensischen Staat mit hoher Priorität unterstützt werden, zum anderen dass zahlreiche vermögende Palästinenser die Hochschulen mit großzügigen Spenden über Wasser halten. Beispielsweise an der Universität Nablus ist eine neue Bibliothek entstanden, ein neues Fakultätsgebäude für die Ingenieurwissenschaftler und eine neue Informatikfakultät, dies alles aus privaten Spenden.
Burgwinkel: Aber wenn ich das recht in Erinnerung habe, war die Uni in Hebron doch sogar komplett geschlossen bis vor kurzem.
Rautenstrauch: So ist es. Die Universität in Hebron wie auch die Palastine Polytechnic University in Hebron waren von Januar bis August geschlossen. Bei der Palastine Polytechnic University war es sogar so, dass die komplette Infrastruktur in einer Militäraktion zerstört wurde. Beide Universitäten sind heute voll funktionstüchtig. Wir konnten also keine Schäden mehr besichtigen, es sei denn auf Fotos, und der Lehrbetrieb ist auch während der Schließung weitergegangen. Die Dozenten nutzten zum einen Internettechnologie, um die Studierenden mit Informationsmaterial, Skripten zu versorgen, und ihnen auch mitzuteilen, wo, wann welche Lehrveranstaltung stattfindet. Das ist mal Hotels, mal in Privathäusern, aber im Großen und Ganzen ist es auch bei Schließungen möglich, den Lehrbetrieb fortzuschreiben.
Burgwinkel: Das heißt, es ist wirklich eine Kontinuität für die Studierenden gewährleistet?
Rautenstrauch: Im Rahmen der Möglichkeiten, ja. Es ist natürlich nicht so, dass ein solcher Universitätsbetrieb vergleichbar ist wie zu Zeiten, wo der Campus geöffnet ist, aber es wird sichergestellt, dass die Studierenden ihr Studium möglichst in der Regelstudienzeit zu Ende führen können.
Burgwinkel: Haben Sie denn jetzt auch ganz konkrete Kooperationsvorschläge von Ihrem Besuch mitgebracht?
Rautenstrauch: Ja. Der Kooperationsbedarf besteht flächendeckend, denn so schön die technische Infrastruktur aussieht, so groß sind die Schwierigkeiten im Personalbereich. Die Hochschulen haben Dozenten, die durchweg im Ausland promoviert haben, auf einem hohen Niveau sind, aber davon viel zu wenige. Das Problem ist, dass sie mit ihrem geringen Personalbestand kaum in der Lage sind, Masterstudiengänge anzubieten und sich selber ihren Nachwuchs zu schaffen. Schickt man aber guten Nachwuchs ins Ausland, besteht die große Gefahr, dass er nicht nach Palästina zurückkehrt, so dass dort gewissermaßen ein Teufelskreis besteht. Das heißt, der Bedarf ist in erster Linie in der Dozentenausbildung, im Studentenaustausch, Doktoranden, da wird hoher Bedarf gesehen. Außerdem wünscht man sich natürlich, dass auch Dozenten aus Deutschland und anderen Ländern zumindest zeitweise nach Palästina kommen, um dort sozusagen frisches Blut reinzubringen und die Arbeit zu unterstützen.
Burgwinkel: Das heißt, man müsste jetzt hier sehr viel Werbung dafür machen, dass gut ausgebildete Leute tatsächlich da runtergehen?
Rautenstrauch: Genauso ist es. Das Hindernis, nach Palästina zu reisen, sind ja nicht so sehr die Hochschulen und die Qualität der Hochschulen. Die Hindernisse liegen mehr im Umfeld, und nach unserer Erfahrung - und wir waren durchaus zu einer Zeit dort, die nicht unproblematisch war - ist Palästina bereisbar, und es ist möglich, an den Universitäten konstruktiv zu arbeiten. Insofern sollte man die aktuelle Situation nicht ausschließlich nach dem beurteilen, was man in den Nachrichten sieht.
Burgwinkel: Gab es irgendwas während Ihres Besuches, was Sie ganz besonders beeindruckt hat, womit Sie vielleicht noch den einen oder anderen noch überzeugen könnten, auch nach Palästina zu reisen?
Rautenstrauch: Also am meisten beeindruckt hat mich die Haltung der Palästinenser. Die Probleme im täglichen Leben sind wirklich allgegenwärtig. So haben Studierende jeden Tag das Problem, dass sie Checkpoints passieren müssen, dass spontan Checkpoints aufgebaut werden, die sie zu Riesenumwegen zwingen oder dass Wege durch Schlamm- oder Schmutzsperren nicht passierbar sind. Trotz dieser ganzen Schwierigkeiten bemühen sich Dozenten und Studierende, ihr Studium ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen, und das ist eine enormer Kraft-, Zeit- und Geduldaufwand. An einigen Universitäten wird wirklich an sieben Tagen der Woche gelehrt, um die Lücken, die durch diese Verzögerungen entstehen, aufzufüllen. Also die Mentalität, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, hat mich sehr beeindruckt.
Burgwinkel: Und ein Highlight Ihres Besuches?
Rautenstrauch: Das Highlight war ohne Frage ein 35-minütiger Termin mit dem Präsidenten Yasser Arafat, mit dem wir, bevor wir auf die Rundreise gegangen sind, über die Situation an den palästinensischen Hochschulen beraten haben. Er hat uns sehr gute Tipps gegeben. Er hat uns gesagt, dass die Hochschulen und Hochschulkooperationen eine sehr große Bedeutung für Palästina haben, und das hat sich letztendlich bei den Einzelbesuchen auch so bestätigt. Es war natürlich auch ein persönlich sehr aufregendes Erlebnis. Herr Arafat ist sehr charismatisch, freundlich und mit scharfem Verstand, und nach dem Gespräch haben mir auch ganz schön die Knie gezittert.
Burgwinkel: Ich bedanke mich für das Gespräch.