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Norwegens Rechte erstmals in der Regierung

Die Fortschrittspartei wird in Norwegen mit den Konservativen eine Minderheitsregierung bilden. Andere Parteien sind vor einer Koalition mit den Rechtspopulisten zurückgeschreckt - zu scharf waren die ausländerfeindlichen Töne im Wahlkampf.

Von Kai Schlüter |
    Siv Jensen scheint immer guter Laune. Stets ein gewinnendes Lächeln im Gesicht. Blond, blauäugig, dezent geschminkt. Fröhlich und verbindlich. Doch wenn sie vor die Mikrofone tritt, ist es mit der Verbindlichkeit vorbei. Bettelnde Zigeuner, sagte sie vor der Wahl: "Setzt sie in einen Bus und schickt sie zurück nach Rumänien". Die 44-Jährige ist die Vorsitzende der Fremskrittspartiet, der rechtspopulistischen Fortschrittspartei. Die Partei ging 1977 aus einer Neonazipartei hervor. Ihr wichtigstes Thema: Begrenzung der Einwanderung und Ausweisung krimineller Ausländer.

    "Sehr viele Einwanderer, die nach Norwegen kommen, arbeiten nicht und leisten keinen Beitrag zur Gesellschaft. Und daran wollen wir etwas ändern."

    Sagt Jensen. Wirtschaftspolitisch orientiert sich die Fremskrittspartiet am Thatcherismus: Staatliche Unternehmen privatisieren, Bürokratie abbauen, Steuern senken, Sozialprogramme zurückfahren und das Bildungssystem privatisieren.

    Die Fortschrittspartei ist seit 1981 ununterbrochen im Parlament, dem Stortinget, vertreten. Die Partei wurde überwiegend von Männern gewählt und hatte – ungewöhnlich für Norwegen – fast nur männliche Abgeordnete. 2006 setzte sich Siv Jensen jedoch als Parteivorsitzende durch. 2009 erreichte die Partei mit 22,9 Prozent ihr bestes Ergebnis und stellte nach den regierenden Sozialdemokraten die zweitgrößte Fraktion.

    Immer wieder fordert Jensen eine härtere Ausländerpolitik.

    "In unserem Parteiprogramm haben wir deutlich gesagt, dass wir beides begrenzen wollen: Familiennachzug und die Aufnahme von Flüchtlingen und Asyl suchenden. Wir stellen größere Anforderungen an die, die kommen, und wir wollen sie schärfer kontrollieren."

    Bei der Parlamentswahl vom 9. September fällt die Fremskrittspartiet auf 16,3 Prozent zurück, sie verliert 6,6 Prozentpunkte. Größte bürgerliche Partei wird die konservative Höyre. Gemeinsam mit zwei weiteren kleinen Parteien, der rechtsliberalen Venstre und der Christlichen Volkspartei, wollen sie eine bürgerliche Regierung bilden und Rot-Rot-Grün ablösen.

    Die Sondierungsgespräche sollen drei Tage dauern, ziehen sich aber zwei Wochen hin. Bei Siv Jensen ist der scharfe ausländerfeindliche Ton des Wahlkampfes verschwunden. Von der schleichenden Islamisierung Norwegens, die sie im Wahlkampf beklagte, will sie nichts mehr wissen. Ihr stellvertretender Parteichef Tybring Gjedde fährt ihr jedoch in die Parade.

    "Wenn es sich nicht um schleichende Islamisierung handele, dann um Islamisierung allgemein."

    Venstre und Christliche Volkspartei sehen keine Islamisierung in Norwegen. Sie schrecken schließlich vor einer Regierung mit der Fremskrittspartiet zurück und verlassen die Sondierungsgespräche. Zu einer Duldung einer Minderheitsregierung aus Höyre und Fremskrittspartiet sind sie aber bereit. Ihr Preis: Es wird keine Ölförderung vor den Lofoteninseln geben; die Fremskrittspartiet hatte dies zulassen wollen.

    In dem Duldungsvertrag heißt es, dass die vier Parteien ihren Einsatz für Strafverfolgung und die Abschiebung krimineller Ausländer verstärken wollen.

    "Ich bin insgesamt zufrieden mit dem, was wir in der ganzen Ausländerfrage erreicht haben."

    Sagte Siv Jensen bei der Unterzeichnung am Montag. Worum es sich dabei im Einzelnen handelt, sagte sie nicht. Seit Dienstag befinden sich Höyre und Fremskrittspartiet nun in Koalitionsverhandlungen. Mit welchen inhaltlichen Voraussetzungen, ist weitgehend unklar. "Das sieht nicht nach einer Strategie aus, sondern nach einem bürgerlichen Ramschladen", kommentierte der norwegische Rundfunk den Auftakt der Verhandlungen.