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Not macht erfinderisch

Träge und müde trotten die Milchkühe von Landwirt Leenert Cornelius in den Stall. In dem schattigen Steinbau bekommen die Tiere nicht nur ihr Futter. Der Milchbauer aus dem Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen treibt seine Kühe bei dieser Bullenhitze außerdem unter die Dusche. Wie aus einer Spraydose schießen feinste Wassertröpfchen von oben auf die aufgeheizten Körper der Tiere. Milchbauer Leenert Cornelius hat die Duschzone selbst gebaut. Ein Handwerker hat ihm dabei geholfen:

Von Sinja Schütte |
    Wir haben in zwei Meter Höhe eine Leitung durch den ganzen Stall verlegt und alle drei Meter ist eine Düse drauf, die das Wasser ganz fein vernebelt. Es ist also nicht so, als wenn man unter der Dusche steht, sondern es ist ein ganz feiner Wassernebel, der so runtersprüht und der bringt noch mehr kühlende Wirkung, als wenn man sich so richtig unter Wasser stellen würde.

    Ab 12 Uhr mittags können sich die Tiere jede volle Stunde in dem feinen Wassernebel in der Duschzone abkühlen, sagt Leenert Cornelius. Kein Hitzestress also mehr für die Kühe:

    Wir haben in diesem Sommer außergewöhnlich hohe Temperaturen, und Milchkühe fühlen sich eigentlich zwischen acht und 18 Grad am wohlsten. Die haben ein anderes Temperaturempfinden als wir Menschen, wir Menschen haben es am liebsten über 20 Grad, aber die Kühe brauchen es eigentlich kühler. Und wenn wir jetzt Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad haben, dann haben die richtig Stress.

    Rekordhitze - das bedeutet für die Tiere: Sie werden kurzatmig, lassen den Kopf hängen, liegen fast den ganzen Vormittag träge auf der Weide herum:

    Wenn die morgens auf die Weide kommen, dann fressen die erst zwei, drei Stunden, und dann legen die sich hin. Wenn es dann so warm ist, dann stehen die auch nicht wieder auf. Sie sind einfach träge. Manchmal sind sie von der Wärme so träge, dass sie nicht mal zur Tränke gehen.

    Vor allem aber geben die Kühe weniger Milch als bei niedrigeren Temperaturen, so Leenert Cornelius. Eine Kuh kann bis zu 50 Liter pro Tag geben. Wenn Kühe Stress haben, sind es bis zu 20 Prozent weniger:

    Wir haben eine Milchmengen-Messung im Melkstand, die Molkerei kommt alle zwei Tage und holt die gekühlte Milch ab, und wenn die Kühe Hitzestress haben, dann verlieren die an Menge.

    Auch bei Landwirt Gernot Kuhlmann schwitzen die Tiere. 2700 Puten sind in seinem Maststall im niedersächsischen Neerstedt untergebracht. Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium empfiehlt in Merkblättern den Landwirten von Geflügelbetrieben, ihre Stalldächer zu wässern. Darauf verzichtet aber der Putenmäster aus dem Landkreis Oldenburg:

    Wasser bringen wir nicht aufs Dach. Den Kühleffekt nutzen wir nicht, da wir befürchten, dass die Luftfeuchtigkeit sich erhöht und diese Luftfeuchtigkeit in den Stall eintritt und die Tiere mit zu hoher Luftfeuchtigkeit erste Probleme bekommen. Diese Temperaturen sind zwar Stress für die Tiere, aber diese geringe Luftfeuchtigkeit, die wir zurzeit haben, lässt es erträglich sein für die Tiere, und wir haben keine Probleme mit schlachtreifen Tieren.

    Doch unter Hitzestress sollen auch die Puten von Gernot Kuhlmann nicht leiden. Er hat die großen Flügeltüren des Putenmaststalls geöffnet. An die Wände hat der Putenmäster zusätzliche Lüftungsanlagen installiert. Bei 29 Grad springen sie automatisch an. Außerdem teilen sich weniger Puten als im Winter den Stall, sagt der Landwirt:

    Bei der Planung für diesen Mastdurchgang, der jetzt im Sommer ausgestallt wird, haben wir cirka fünf Prozent weniger Tiere bestellt, so dass wir die Besatzdichte im Stall reduziert haben, um für diese Tage gerüstet zu sein, um nicht unnötigen Stress durch erhöhte Besatzdichte zu haben. Wir haben sonst 4,7 Tiere auf dem Quadratmeter und haben jetzt 4,4 Tiere pro Quadratmeter.

    Auch wenn sich Gernot Kuhlmann so gut es geht auf die Hitze eingestellt hat, ein paar Grad weniger, wäre besser, sagt der Landwirt. Und da ist er sich mit Kollege Leenert Cornelius einig:

    Ich würde es lieber sehen, wenn sich die Temperaturen wieder normalisieren und wir Temperaturen von 25 Grad haben. Da fühlen sich die Tiere noch viel wohler wie im Augenblick. Diese erhöhten Temperaturen sind doch Stress für die Tiere, den wir gerne vermeiden würden.

    Da geht es den Tieren genauso wie den Menschen. Die Rekordhitze macht allen zu schaffen. So hoffen die Landwirte auf Abkühlung. Die Tiere würden sie sicherlich auch begrüßen.