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Notarzt in der Brust

Medizin. - Als im Oktober 1958 in Schweden der erste Herzschrittmacher einem Menschen eingepflanzt wurde, war das noch ein ziemlich unhandliches Gerät. Heute sind die Geräte kaum noch so groß wie eine Armbanduhr - und doch versprechen die Entwickler weitere Fortschritte bei den elektronischen Lebensrettern.

Von Kay Müllges |
    Das Herz eines gesunden Menschen schlägt normalerweise 60 bis 80 mal in der Minute. Den elektrischen Impuls, sich zusammenzuziehen, erhalten die Herzkammern dabei von einer Ansammlung spezieller Zellen im rechten Vorhof, dem so genannten Sinusknoten. Bei bestimmten Herzerkrankungen ist dieser Impuls gestört – das Herz schlägt zu langsam und das Gehirn wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. In solchen Fällen implantiert man einen Herzschrittmacher, der die Pumpe wieder auf Touren bringt. Doch auch wenn das Herz viel zu schnell schlägt, kann es notwendig sein, den Herzrhythmus künstlich zu verlangsamen. Das leisten so genannte implantierbare Defibrillatoren, weiß Professor Wolfgang Schöls vom Herzzentrum Duisburg:

    "Das sind Geräte, die permanent den Herzrhythmus überwachen über eine Elektrode im Herzen oder mehrere Elektroden im Herzen. Solange der Herzrhythmus normal ist, solange keine Rhythmusstörung auftritt, wird das Gerät auch nichts weiter tun. Wenn aber eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung auftritt, das so genannte Kammerflimmern oder eine ventrikuläre Tachykardie, bei der der Patient in der Regel das Bewusstsein verliert und bei dem dann, wenn nicht innerhalb weniger Minuten Rettung kommt, ein Hirntod eintritt. In einer solchen Situation würde das Gerät die Rhythmusstörung erkennen, einen Kondensator aufladen und dann einen Stromschlag abgeben."

    So ein implantierbarer Defibrillator wirkt also wie ein Notarzt in der Brust. Er erzeugt einen Stromschlag von circa 800 Volt. Die Defibrillatorelektrode besitzt im Gegensatz zur normalen Schrittmacherelektrode eine zusätzliche, spiralförmige Windung, um die Energie über eine möglichst große Fläche im Herzen abgeben zu können. Das Gerät zeichnet alle Herzaktionen des Patienten auf, der Arzt kann diese dann mit speziellen Geräten auslesen und das Geschehen im Herzen des Patienten analysieren. Diese Funktion ist mittlerweile auch in praktisch jedem Herzschrittmacher vorhanden. Das ermöglicht zunehmend ganz neue, telemedizinische Anwendungen, bei denen der Patient nicht mehr alle paar Monate zum Arzt gehen muss, sondern bei denen seine Herzdaten kontinuierlich über Handy oder SMS an das Herzzentrum oder den behandelnden Arzt weiter geleitet werden. Und mittlerweile gibt es sogar erste Geräte mit einem eingebauten Navigationssystem. Wolfgang Schöls:

    "Es wird diese Technologie teilweise auch kombiniert mit einer Ortung des Patienten über GPS, so dass man aus der ursprünglichen Entwicklung eines so genannten Herzhandys, bei dem ein Patient dann, wenn er das Gefühl hatte "mir geht’s nicht gut", eine Nummer anrufen, dieses Handy auf die Brust legen, dann das EKG aufzeichnen und übermitteln konnte. Das setzt ja voraus, dass es dem Patienten gut geht und das es ihm so gut geht, dass er das Handy auflegen kann und sagen kann, wo er ist. Wenn aber eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung auftritt, die zu Bewusstlosigkeit führt, dann wäre dieses Herz-Handy sinnlos."

    Die neuartigen Herzschrittmacher mit eingebautem Navigationssystem hingegen könnten im Notfall nicht nur den Herzrhythmus normalisieren, sondern auch gleich den Notarzt verständigen, meint Wolfgang Schöls. Und auch ihre Störanfälligkeit sei eher gering.

    "Also grundsätzlich gibt es natürlich mit jeder Technologie auch Probleme und je ausgefeilter die Technologie, desto ausgedehnter die Komplikationsmöglichkeiten. Insgesamt sind solche Geräte allerdings wenig störanfällig und die Störungen von außen, also die Interferenz mit anderen elektrischen Geräten, wird meistens überschätzt."