Freitag, 03. Mai 2024

Notizen aus Berlin
Die Berlinale wird mutig

Diese Art Film ist selten geworden: Zwei Filme im Wettbewerb gestern und heute gingen aufs Ganze. Riskierten alles. Auch das Scheitern. Terrence Malick mit "Knight of Cups". Sebastian Schipper mit "Victoria". Manchem in Berlin verschlug es da die Sprache.

Von Christoph Schmitz | 08.02.2015
    Dabei ist Schippers Geschichte recht einfach. Die mittzwanziger Victoria aus Spanien jobbt seit drei Monaten in Berlin, tanzt im blauen Technorausch bis um Vier am Morgen, schließt sich vier albernen Jungs an, die gleich noch ein krummes Ding zu erledigen haben, einen Banküberfall, Victoria übernimmt das Steuer, der Raub gelingt, Flucht, weiter Fete im Club, dann Schüsse, Polizei, Blutvergießen, Tote. Nach zwei Stunden und zwanzig Minuten ist Victorias Horrornacht zu Ende, auch der Film.
    Und das ist das Verrückte an diesem Streifen – er wurde ohne Schnitt gedreht, in einer Einstellung, von Anfang bis Ende, alles 1:1 durchgespielt, ohne festgelegte Dialogtexte, ohne Eingriffe der Regie. Extrem sportlich. Extrem spannend. Auch wenn der Bogen manchmal etwas einbricht, auch wenn's doch nicht immer so echt und real wirkt. Das Proll-Milieu der jugendlichen Gangster samt kumpelhaft aggressivem Bruderkult kennt man. Fabelhaft Laia Costa als Victoria und Frederick Lau als Sonne.
    Wovon erzählt Malick? Schwer zu sagen
    Diese Art Film, der alles auf eine Karte setzt, ist selten geworden. Der Amerikaner Terrence Malick spielt die Karte unverdrossen auf. Sein Berlinale-Beitrag trägt das Kartenspiel sogar im Titel. "Knight of Cups" gehört zum Tarot. Wovon erzählt Malick? Schwer zu sagen. Wie filmt er? Kaum zu beschreiben. Kann man es versuchen? Vielleicht. Ein Hollywood-Schauspieler hat den Ruhm satt, fühlt sich und die Welt leer, ist gierig nach Leben, nach Frauen, kriegt die Schönsten, Natalie Portman die greifbar Geheimnisvolle, Cate Blanchett die geheimnisvoll Bodenständige.
    Und die Kamera? Ein Delirium. Durchs strahlende Los Angeles taumelt sie, durch archaische Küstenlandschaften, über den Erdball hinweg schwebt sie wie ein Satellit, und flüsternde Stimmen aus dem Off fragen, sinnieren, suchen, hoffen, klagen, jammern, weil sich alles nach Neuanfang, Aufbruch, Fülle, Erfüllung sehnt. Ein Film wie Davids Psalmen. Malick ist ein cinematographische Mystiker. Im Pressepublikum war man empört. Kein Wunder im paganen Berlin. Manchen verschlug es die Sprache. Festivalchef Kosslick sei Dank.