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Novelle des Landesmediengesetzes in NRW beschneidet Bürgerfunk

Die CDU-FDP-Landesregierung von Nordrhein-Westfalen reformiert das zuletzt vor fünf Jahren geänderte Landesmediengesetz. Am stärksten betrifft die Novelle den Bürgerfunk, der künftig im Umfang deutlich gekürzt und auf einen unattraktiven Sendeplatz verlegt wird: Bürgerfunk in NRW soll es werktags nur noch zwischen 21 und 22 Uhr geben. Dagegen gibt es Proteste und Warnungen, dass die Novelle verfassungswidrig ist.

Von Henning Hübert |
    Franco Clemens ist sauer, der Kölner Künstler ist schon seit Jahren aktiver Bürgerfunker und ruft zu einer großen Protestaktion in Köln gegen die Novelle des nordrhein-westfälischen Landesmediengesetzes auf.

    " Es ist ganz offensichtlich, dass es da nicht um Optimierung beim Bürgerfunk geht, sondern es geht darum, ihn strategisch einfach kaputt zu machen. Und hinter den Kulissen sitzen Leute, die eine Interessenslage haben. Und ich bin als Bürger nun geübt darin, mit einer kritischen Distanz an die Politik heranzugehen und ich sage Ihnen von vornherein: Es ging der Landesregierung von vornherein darum, den Bürgerfunk kaputt zu machen zugunsten der kommerziellen Medien."

    Die Vermutung: Radio NRW kann sein mit Werbung gespicktes Rahmenprogramm, das die GmbH für die vielen kleinen privaten Lokalradios liefert, besser vermarkten, wenn landesweit die Zeit bis 21 Uhr frei von Bürgerfunkbeiträgen ist. Denn dann winken bis 21 Uhr höhere Einnahmen durch Werbespots - - wohingegen Sponsoring im Bürgerfunk künftig explizit verboten ist.

    Bislang stehen dem Bürgerfunk für seine äußerst bunt gefächerten Beiträge aus den rund 150 Radiowerkstätten im Land 15 Prozent der Sendedauer eines jeden der 46 Lokalradios in Nordrhein-Westfalen zu. Jetzt protestieren die Bürgerfunker in NRW gegen die geplante Reduzierung um zum Teil mehr als die Hälfte. Sie bezweifeln, dass es zu der beabsichtigten Qualitätssteigerung kommt. Jürgen Mickley vom Landesverband Bürgerfunk NRW:

    " Es ist zu befürchten, dass viele Bürgerfunker die späte Sendezeit nicht mehr nutzen werden und sagen, da hört ja kaum noch jemand hin. Das haben wir auch zu früherer Zeit schon feststellen müssen: Als der Bürgerfunk von 18 auf 19 Uhr verschoben wurde, haben wir schon einen Einbruch zu verzeichnen gehabt."

    Die CDU-FDP-Koalition im Düsseldorfer Landtag will mit dem Sendezeitpunkt ab 21 Uhr eine dann bessere "Durchhörbarkeit" der Wellen erreichen - und ein zu frühes Abschalten der Hörer verhindern. Es werde vermieden, dass die Lokalsender weiterhin erhebliche Hörerpotentiale und damit Einnahmemöglichkeiten verschenken, heißt es zu über den Reformvorschlag.

    Der Vorsitzende des Verbands Lokaler Rundfunk in Nordrhein-Westfalen, Walter Ludwigs, wundert sich über die Notwendigkeit der Novelle. Denn in den vergangen 15 Jahren hätten sich die einzelnen Lokalradios leidlich mit den autonom erstellten Bürgerfunkbeiträgen arrangiert. Er räumt aber ein:

    " Das kann durchaus sein, dass also bestimmte Sendungen, die sich dem normalen Programmfluss eines Lokalsenders nicht angleichen, dass das wirklich Abschaltgründe sind. Die Chefredakteure sind sozusagen aus ihrer Rolle, dass sie normalerweise das Programm bestimmen und formulieren können, in eine Handlungsunfähigkeit getrieben. Sprich: Sie müssen etwas in der Öffentlichkeit vertreten, was sie inhaltlich überhaupt nicht beeinflussen können. Das ist auch ein Spannungsfeld."

    Aber eine tragende Säule des Privattradios in NRW. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Meinungsvielfalt in den Lokalradios mit ihrer regionalen Monopolstellung wird wesentlich durch den Bürgerfunk garantiert. Er garantiert die Binnenvielfalt der Meinungen. Eine äußere Meinungsvielfalt durch mehrere konkurrierende private Lokalsender an einem Ort gibt es in NRW nicht. Der Landesverband Bürgerfunk hat ein Rechtsgutachten eingeholt, um die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesnovelle zu prüfen. Der Gutachter - Anwalt Wilhelm Achenpöhler aus Münster - hält die Verschiebung und Kürzung des Bürgerfunkanteils für verfassungswidrig. Er warnt, dass das neue NRW-Mediengesetz durch Karlsruhe überprüft werden müsste:

    " In letzter Konsequenz droht im Grunde das 7. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts, wo sich das BVG mit der Frage beschäftigt: Ist das Monopol für den Lokalfunk in Nordrhein-Westfalen noch gerechtfertigt, wenn man den Pluralismus im Lokalfunk auf diese Weise deutlich reduziert. Am Ende kann dann die Frage stehen: Der Gesetzgeber muss entweder den Pluralismus wieder herstellen im Lokalfunk oder er muss den Pluralismus herstellen, indem er auch andere Anbieter von Rundfunk in NRW neben dem Lokalfunk zulässt."

    Ein Pluralismus wird auf jeden Fall abgeschafft. Die Düsseldorfer Landesregierung schreibt jetzt fest, dass Bürgerfunk künftig nicht auch fremdsprachig (bislang meist Kurdisch oder Türkisch), sondern ausschließlich auf Deutsch über den Äther gehen darf.