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NPD-Demonstration am 8.Mai mit politischen Mitteln verhindern

Berlins Innensenator Erhart Körting will alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die geplante NPD-Demonstration am 8. Mai am Brandenburger Tor zu verhindern. Das Bauwerk zähle zwar nicht zu den Gedenkstätten, die durch die geplante Verschärfung des Versammlungsrechts geschützt werden sollen, sagte der SPD-Politiker. Zudem gebe es keine verfassungsrechtliche Grundlage für ein Kundgebungsverbot. Körting betonte, bei Sicherheitsbedenken habe er jedoch die Möglichkeit einzuschreiten.

Moderation: Bettina Klein |
    Klein: Der deutsche Bundestag entscheidet heute über die Verschärfung des Versammlungsrechts. Ziel der Abgeordneten war es, Aufmärsche rechtsextremistischer Gruppierungen wie der NPD an Gedenkorten für NS-Opfer sowie auch am 8. Mai am Brandenburger Tor in Berlin unterbinden zu können. Die Innenexperten von Rot-Grün und der Union hatten sich am Dienstag auf entsprechende Änderungen im Straf- und Versammlungsgesetz verständigt. Die Mehrheit im Bundestag heute scheint also sicher, auch wenn die FDP das Gesetz ablehnen wird. Wie hilfreich sind die Gesetzesänderungen in der Praxis? Diese Frage geht an Erhart Körting, Innensenator von Berlin, Sozialdemokrat. Schönen guten Morgen Herr Körting.

    Körting: Guten Morgen Frau Klein!

    Klein: Ist es denn nun ausgeschlossen auf Grundlage dieses Gesetzes, dass wir am 8. Mai eine NPD-Demonstration am Brandenburger Tor haben werden?

    Körting: Ausgeschlossen ist durch das Gesetz eine solche Demonstration nicht. Das Gesetz schließt aus, was im Grunde auch bisher schon im Versammlungsrecht intendiert war, dass eine Versammlung nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen darf, also zum Beispiel Opfer des Nationalsozialismus nicht verhöhnen darf. Deshalb wird nach dem Gesetz verboten sein eine Demonstration der Jungen Nationaldemokraten am Holocaust-Mahnmal, aber das Brandenburger Tor ist keine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus. Deshalb ist das Brandenburger Tor von dem Gesetz nicht betroffen. Da gelten aber eventuell andere Regeln.

    Klein: Inwiefern bringt Sie das Gesetz nun weiter als Innensenator Berlins?

    Körting: Das Gesetz schafft eine Rechtsklarheit. Wir haben bisher schon die Auffassung vertreten und haben das in einzelnen Fällen ja auch exekutiert, dass Stätten frei zu halten sind von Versammlungen, die sich als Verhöhnung von Opfern darstellen. So haben wir eine islamistische Demonstration am Wittenbergplatz, wo die vielen Denkmale für die Konzentrationslager sind, und diese Demonstration richtete sich darauf, etwas gegen Juden in Israel zu unternehmen, dort nicht zugelassen. Wir haben eine rechte Demonstration an der Putlitz-Brücke - das ist ein Denkmal für den Transport von Juden in die Konzentrationslager - nicht zugelassen. Das ist beides vom Verwaltungsgericht bestätigt worden. Aber es ist gut, dass es jetzt auch genau so im Gesetz drin steht. Insofern hilft es uns weiter.

    Klein: Nun hatten wir ja im Jahr 2000 einen Aufmarsch von Neonazis am Brandenburger Tor, sehr zum Entsetzen der Weltöffentlichkeit beinahe möchte ich sagen. Was genau können und wollen Sie denn jetzt tun, um das in diesem Jahr zu verhindern?

    Körting: Erste Frage ist: Was wollen wir verhindern? Das Demonstrationsrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eines der wichtigsten demokratischen Güter und steht auch denjenigen zu, die wir nicht mögen oder die wir sogar widerlich finden. Demokratie ist nach der Meinung des Bundesverfassungsgerichts und auch nach meiner Meinung stark genug, vieles auszuhalten, auch diejenigen, die man nicht mag. Insofern wird man eine Demonstration am Brandenburger Tor, auch wenn sie von Rechtsradikalen gemacht wird, nie ganz verhindern können. Ich könnte verhindern einen Durchmarsch am 30. Januar mit Fackeln, sozusagen ein Anklang an die NS-Zeit. Das ist verboten, das kann man verbieten. Andere Demonstrationen kann man nicht verbieten. Insofern gibt es auch für Rechtsradikale die Möglichkeit, am Brandenburger Tor zu demonstrieren.

    Klein: Herr Körting heißt das, dass Sie gar nicht mehr das Ziel haben, diese Demo am 8. Mai am Brandenburger Tor zu verhindern?

    Körting: Ich habe das Ziel, einen verfassungsgemäßen Zustand zu haben. Dieser verfassungsgemäße Zustand ist, dass ich nach der Verfassung auch diejenigen zulassen muss, die mir nicht gefallen. Wir haben aber am 8. Mai eine andere Situation. Ich finde es politisch unerträglich, dass am 8. Mai Rechtsradikale am Brandenburger Tor demonstrieren. Deshalb unterstütze ich diejenigen, die ebenfalls in Anspruch nehmen, am 8. Mai zu demonstrieren und am 8. Mai auch am Brandenburger Tor zu demonstrieren. Jetzt muss man zu einem Ergebnis kommen, wen man von vielen Teilnehmern zulässt. Wenn der Bundestag dort auf Leinwänden etwas übertragen will, dann geht das vielleicht dem Demonstrationsrecht von Rechtsextremisten vor und die müssen auf einer anderen Straße demonstrieren.

    Klein: Aber wenn ich es richtig verstanden habe, dann war doch ein entscheidendes Ziel, diese Änderungen am Gesetz vorzunehmen, eben gerade um diese Demonstration der NPD, die die Partei ja wohl plant, dort zu verhindern. Wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, dann sagen Sie, im Zweifelsfalle müssen wir das eigentlich auch aushalten und Sie als Herr Körting werden möglicherweise auch nichts dagegen tun können, dass das passiert?

    Körting: Sie sehen das ganz richtig. Das Ziel der Bundestagsinitiative von rot/grün war nicht das Brandenburger Tor. Das Ziel der Bundestagsinitiative war, Demonstrationen zu verhindern, die die Würde von Opfern des Nationalsozialismus beeinträchtigen. Die Demonstration der Jungen Nationaldemokraten ist ganz bewusst am Holocaust-Mahnmal vorbei geplant und hat das Motto "Schluss mit dem Schuldkult". Das heißt es richtet sich gegen die Opfer des Nationalsozialismus und das soll durch das Versammlungsgesetz verhindert werden. Dass parallel dazu auch noch das Brandenburger Tor - das wird in der Öffentlichkeit immer miteinander verwechselt - zur Debatte stand bei den Jungen Nationaldemokraten, war nicht Gegenstand der Gesetzgebung und wird im Bundestag auch heute ausdrücklich so nicht akzeptiert, weil wir haben keine rechtliche und keine verfassungsmäßige Grundlage zu sagen, Rechte dürfen nicht am Brandenburger Tor demonstrieren. Wir haben eventuell am 8. Mai 2005 eine tatsächliche Möglichkeit, dass sie dort nicht demonstrieren werden und nicht demonstrieren können. Das hat aber mit dem Versammlungsrecht nur am Rande zu tun.

    Klein: Gut. Holocaust-Mahnmal ist klar. Das ist etwas anderes als das Brandenburger Tor, obwohl es sich ja sehr in der Nähe befindet. Dennoch ist die Signalwirkung natürlich auch Riesen groß beim Brandenburger Tor und ich frage Sie noch mal: Haben Sie vor, etwas zu tun, um diese Demonstration dort zu verhindern, oder nicht?

    Körting: Wir werden die Demonstration auch der Jungen Nationaldemokraten unter dem Gesichtspunkt öffentlicher Sicherheit sehr genau prüfen und wir werden unter diesem Gesichtspunkt auch prüfen, ob sie an dem Tag dort stattfinden kann. Das Ergebnis der Prüfung hängt aber davon ab, was an anderen Demonstrationen zu dem Zeitpunkt stattfinden wird und ob sich das miteinander vereinbart. Es ist aber eine andere Frage, ob sie grundsätzlich demonstrieren dürfen. Grundsätzlich dürfen sie demonstrieren. Ob sie dann in der tatsächlichen Situation ihre Demonstration so abhalten dürfen, wie sie es planen, das ist eine Frage, die werden wir Ende April klären.

    Klein: Unter welchen Bedingungen würden Sie sagen, Sie hätten etwas in der Hand, um das zu verhindern?

    Körting: In dem Moment, in dem Sicherheitsbedenken dafür sprechen, die Demonstration nicht an diesem Ort stattfinden zu lassen, zum Beispiel weil Auseinandersetzungen zu erwarten sind oder etwas Ähnliches.

    Klein: Gut. Und wenn Sicherheitsbedenken nicht vorliegen, dann sagen Sie ist das auch OK, wenn die NPD dort demonstriert?

    Körting: Dann sage ich, dann ist das nicht politisch okay, aber dann sage ich, dann ist das rechtlich OK. Diesem Maßstab bin ich verpflichtet als Innensenator eines Landes.

    Klein: Und auch jüdische Organisationen zum Beispiel, die sich ja damals beim Aufmarsch vor fünf Jahren sehr entsetzt und sehr empört, sehr erregt gezeigt haben, müssen dann damit leben und dürfen heute genauso wie vor fünf Jahren ihre Protestschreiben an Sie formulieren, aber sie werden damit auch keinen Erfolg haben?

    Körting: Frau Klein, was ich am wenigsten will ist, dass ich den Nationaldemokraten den Triumpf gönne, dass wir ein Verbot aussprechen, was denn spätestens beim Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird, wie vor wenigen Monaten eine Demonstration von Rechtsradikalen auf dem sogenannten Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Ich werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, Nationaldemokraten an meiner Meinung nach schwierigen Demonstrationen zu hindern, aber ich werde nicht das Recht beugen.

    Klein: Die Union hat zum Beispiel gefordert - und das wird sie wohl heute im Bundestag auch noch einmal tun -, die Bannmeile auf das Brandenburger Tor auszuweiten. Was spricht denn dagegen?

    Körting: Das ist ganz einfach. Die Bannmeile ist ein Instrument, mit dem man das Versammlungsrecht seit Jahrzehnten historisch begrenzen kann, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern. Das heißt die Bannmeile soll dazu dienen, dass Parlamentarier ungestört ihre Beratungen machen können, ohne dass sie durch Menschenmassen vorm Parlament daran gehindert werden. Das heißt die Bannmeile ist immer ein Instrument für das Parlament. Ich darf sie nicht missbrauchen. Ich halte das für einen Rechtsmissbrauch, was die CDU/CSU vorschlägt, und das wissen die klugen Leute bei der CDU/CSU auch. Ich halte es für einen Rechtsmissbrauch, die Bannmeile zu benutzen, um andere politische Ziele damit zu verfolgen. Das Brandenburger Tor ist nicht Ort, wo das Parlament der Bundesrepublik Deutschland tagt.

    Klein: Erhart Körting, Innensenator von Berlin. Vielen Dank für das Gespräch!