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NPD-Verbotsverfahren
"Täglicher Kleinkrieg"

Die Bundesländer haben vor dem Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag gegen die rechtsextreme NPD eingereicht. Gerade auf dem Land machen die Nationalisten vielen Bürgermeistern das Leben schwer. Trotzdem beurteilen die Stadtoberhäupter den neuen Anlauf kritisch.

Von Peter Marx | 05.12.2013
    "Herr Caffier, unser Innenminister sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Unser MP sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Aber keiner tut was. Wir müssen uns auseinandersetzen, wir hier an der Basis."
    Storrer spricht von einem "täglichen Kleinkrieg" gegen die NPD in Usedom. Wie der aussieht, zeigt ein Beispiel vom Volkstrauertag, vor dem Ehrenmal für die Gefallenen der letzten Weltkriege.
    "Als wir dort hinkamen, da hatte die NPD dort am Abend vorher eine Veranstaltung gemacht, unangemeldet und hatte dort sieben Gebinde niedergelegt mit faschistischen Parolen, Hetzparolen zum Beispiel. So, und dann haben wir uns verständigt, die Dinger räumen wir weg. Daraufhin wurde ich von der NPD angezeigt, und dann hatte ich Vernehmungen durch die Kripo. Es wurde gegen mich ein Verfahren eingeleitet."
    Storrer ist nicht der einzige Bürgermeister in Vorpommern, der den NPD-Verbotsantrag kritisch beurteilt. Lothar Meistring, Bürgermeister von Locknitz, auch kein Freund der NPD, klagt, der "kleine Politiker wird im Stich gelassen." Der Satz hätte auch von seinem Usedomer Kollegen kommen können. Dort erreichte die NPD bei den Landtagswahlen vor zwei Jahren 22,7 Prozent der Stimmen. Der parteilose Bürgermeister macht für diese Entwicklung auch die schwierige Haushaltssituation der Kommune verantwortlich:
    "Wir in der Stadt leben in der Haushaltskonsolidierung, unsere Gewerbesteuereinnahmen decken nicht mal die Pflichtaufgaben. Und dann möchte man gerne auch noch ein paar freiwillige Aufgaben machen wie Jugendklub, Sportverein, Seniorenbetreuung usw., und da haken die Rechten immer ein und damit machen die auch ihre Politik."
    Politik, die sich in Wählerstimmen niederschlägt. Allerdings: Die Rechtsextremen geben sich mit Erfolgen in der Kommunalpolitik nicht zufrieden, um in den dörflichen Regionen rund um Anklam, Ückermünde und Lübtheen ihre Machtpositionen zu festigen. Der Extremismusforscher Dierk Borstel, der ein Gutachten für das neue Verbotsverfahren geschrieben hat, spricht darin von "Angstkulturen", was bedeutet, dass nur wenige Bürger den Mut haben, sich öffentlich gegen die Rechtsextremen zu positionieren.
    Die demokratischen Kräfte tun zu wenig
    "Wir haben Erfahrungen gehabt mit rechtsextremer Gewalt, die zum Teil in der Vergangenheit liegen, aber im Gedächtnis der Leute noch verankert sind. Das heißt: Wir haben ein großes Hemmnis bei vielen Bürgern, die sich zwar gegen Rechtsextremismus gerne engagieren würden, sich aber schlichtweg nicht trauen."
    Was damit zusammenhängt, dass in den Dörfern und Kleinstädten jeder jeden kennt.
    Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beugt sich nach vorn, schiebt die Kaffeetasse etwas zur Seite, um näher ans Mikrofon zu kommen. "Angstkultur?", fragt er nach und bei jedem Wort, das dann folgt, ist zu spüren, dass ihn das Thema anwidert.
    "Das sind wieder diese Phrasen, diese sogenannten Demokratiephrasen, wie ich sie nenne. Und überall, wo ich hinkomme, hat man keine Angst vor mir, sondern es kommen die Leute zu mir und wollen sogar ein Autogramm haben und sagen 'Sie haben Mut und ihre Jungs auch.'"
    Der Bundesparteivize fängt nun an zu unterscheiden, zwischen NPD-Mitgliedern und "sogenannten Rechten". Er meint damit Personen, die von der Polizei für Anschläge auf Büros von Parlamentariern, Schlägereien und Hakenkreuz-Schmierereien verantwortlich gemacht werden. Beispiele, die Pastörs – der die NPD als Spitzenkandidat in die Europawahl führen soll – nicht gerne hört, und er klingt dabei so, als würde er sich tatsächlich um das öffentliche Ansehen seiner Partei sorgen.
    "Das gibt es von rechts nicht. Das gibt’s von links, wenn gleich es selbstverständlich Straftaten außerhalb der NPD durch sogenannte Rechte gibt, und die gehören dann verfolgt und gehören dann auch bestraft. Da bin ich selbstverständlich ganz klar auf der Seite des Rechts."
    Wie klar geht auch aus dem Verbotsantrag des Bundesrates hervor, in dem unter anderem das Vorstrafenregister der NPD-Vorstände und ihrer Organisationen aufgeführt ist. In der Liste steht auch Udo Pastörs, der im Saarland wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Ein weiteres Verfahren gegen Pastörs läuft derzeit in Schwerin wegen Leugnung des Holocaust.
    Darüber hinaus steigt im Land die Zahl politisch motivierter Gewaltverbrechen. Das Innenministerium registrierte im vergangenen Jahr 38, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden. Gemeint sind damit Kameradschaften, Kulturkreise und Bündnisse im Land, die mit der NPD eng zusammenarbeiten, wie Günther Hofmann von der Initiative Bunt statt Braun beobachtet:
    "Wir haben einfach die letzten zehn Jahre einen kontinuierlichen Strukturaufbau von rechtsextremen Organisationen, neofaschistischen Organisationen und Parteistrukturen gehabt. Und die konnten dort unbehelligt, ihre Bildungsarbeit und ihre Strukturarbeit machen. Man hat dem ganzen Problem nie eine Aufmerksamkeit geschenkt."
    Das sieht der Innenminister anders. Nach seiner Darstellung von Caffier beobachten Verfassungsschutz und Polizei die rechtsextreme Szene im Land sehr genau. Gleichzeitig aber klagt der CDU-Landesvorsitzende darüber, dass die demokratischen Kräfte vor Ort zu wenig tun.