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NRW-Wahlergebnis beeinflusst AKW-Laufzeiten

Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb jetzt nicht mehr die Mehrheit - SPD und Grüne frohlocken über die neuen Einspruchsmöglichkeiten. Besonders bei der Frage der Atomkraftwerk-Laufzeitverlängerung dürfte es Bewegung geben.

    Britta Fecke: Mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen haben sich auch die Machtverhältnisse im Bundesrat verändert, denn durch den Machtverlust in Düsseldorf verlieren Union und FDP auch die Mehrheit in der Länderkammer. Was das für die Energiepolitik des Bundes bedeutet, wie es jetzt um die geplante Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke steht, darüber spreche ich jetzt mit unserer Hauptstadtkorrespondentin Christel Blanke. Wie wirkt sich das Wahlergebnis an Rhein und Ruhr auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat denn konkret aus?

    Christel Blanke: Auf jeden Fall hat Schwarz-Gelb künftig im Bundesrat nur noch 31 Stimmen sicher, insgesamt gibt es im Bundesrat 69 Stimmen, die Mehrheit liegt also bei 35 Stimmen, und das heißt, für alle zustimmungspflichtigen Gesetzesvorhaben muss die Regierungskoalition demnächst in den Ländern um Mehrheiten werben, oder Alternative, das Ganze wird jeweils im Vermittlungsausschuss beraten, in dem Bundesrat und Bundestag je die Hälfte der Mitglieder stellen.

    Fecke: Es geht ja auch um die längere Laufzeit der Kernkraftwerke. Braucht diese Laufzeitverlängerung tatsächlich die Zustimmung durch den Bundesrat?

    Blanke: Da streiten sich die Gelehrten sozusagen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU, der geht davon aus, dass der Bundesrat zustimmen muss, wenn das Atomgesetz geändert werden soll, und das müsste es ja. Andere, wie die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner, ebenfalls von der CDU, meinen, das gehe auch ohne den Bundesrat, schließlich sei ja auch der Atomausstieg selbst ohne die Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden. Doch durch den Atomausstieg werden die Länder nicht weiter belastet. Das heißt, kürzere Laufzeiten bedeuteten weder mehr Aufsichtspflicht durch die Länder noch höhere Personalkosten. Wenn jetzt allerdings die Laufzeiten verlängert werden, dann müssten die Länder, die ja vom Bund die Aufsicht über die Atommeiler übertragen bekommen haben, auch weiter Personal dafür bezahlen und möglicherweise auch noch mehr Personal dafür einsetzen, denn es ist ja damit zu rechnen, dass die Sicherheitsauflagen noch einmal erhöht werden sollen, um sicherzustellen, dass wirklich keine Schrottmeiler am Netz bleiben. Also müssten die Länder auch in die Entscheidung eingebunden werden. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls unter anderem der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Allerdings könnte der Bundestag den Ländern diese Kosten auch abnehmen und mit diesem kleinen Trick versuchen die Bundesratsbeteiligung doch noch zu umgehen.

    Fecke: Wenn jetzt das Ganze im Bundesrat landen sollte und man einigt sich nicht, was passiert denn dann?

    Blanke: Dann könnte das Ganze unter Umständen auch die Gerichte beschäftigen. Eine oder mehrere Landesregierungen könnten das Bundesverfassungsgericht anrufen, um das Ganze prüfen zu lassen. Das könnte man aber verhindern, indem man sich schon vorher umfassend informiert. Es hat schon vor einigen Jahren eine Empfehlung gegeben durch den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und den damals noch amtierenden baden-württembergischen Amtskollegen Günther Oettinger, beide auch von der CDU. Die hatten damals schon gesagt, man soll ein Rechtsgutachten erstellen lassen, doch das gibt es bisher nicht. Auf jeden Fall kann man wohl sagen, wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, dann dürfte es schwierig werden, die Verlängerungen der Laufzeiten ins Energiekonzept aufzunehmen – das soll ja bis zum Herbst stehen. Und dann würde es auch zumindest eng für Biblis A. Dieser Reaktor müsste eigentlich demnächst vom Netz, soll aber ja – wir haben ja darüber berichtet – mithilfe von Restlaufzeiten aus Stade weiterlaufen. Doch diese Reststrommenge, um die es da geht, dürfte kaum reichen, einen jahrelangen Rechtsstreit zu überstehen.

    Fecke: Vielen Dank für diese Informationen an Christel Blanke über die neuen Machtverhältnisse im Bundesrat und die möglichen Auswirkungen auf die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke.