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NS-Kunst
Das Erbe der Klahns

Erich Klahns Werke stehen in vielen norddeutschen Kirchen. Um den 1978 verstorbenen Künstler ist ein juristischer und kunsthistorischer Streit entbrannt. Arbeitete er im Dienste der Nazis? Verbreitete er völkische Ideologie? Die Klosterkammer in Hannover, die für ehemals kirchlichen Besitz zuständig ist, will die Werke loswerden. Doch das ist nicht so leicht.

Von Michael Hollenbach | 16.03.2016
    Gutachter Herbert Poetter mit seiner Powerpoint-Praesentation zum Gutachten ueber Kunstwerke des umstrittenen Kuenstlers Erich Klahn (1901-1978) am 24.02.16 in Hannover.
    Gutachter Herbert Poetter mit seiner Powerpoint-Praesentation zum Gutachten ueber Kunstwerke des umstrittenen Kuenstlers Erich Klahn (1901-1978) am 24.02.16 in Hannover. (Imago / epd / JensxSchulze)
    Der Streit um den Klahn-Nachlass wird vor Gericht ausgetragen. Die Erben des Künstlers wehren sich – bislang erfolgreich – dagegen, dass die Klosterkammer sich von dem künstlerischen Nachlass trennt. Nun erwägt die Klosterkammer, bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Der Kronzeuge der anklagenden Klosterkammer ist der Kunsthistoriker Herbert Pötter. Er hat ein Gutachten vorgelegt über das Verhältnis des Künstlers Erich Klahn zum Nationalsozialismus.
    "Die Essentials liegen darin, dass Erich Klahn mit seiner Kunst und mit der Politik eng verbandelt war. Klahn hat seine Wurzeln in der völkischen Politik, in der niederdeutschen Bewegung und Klahn trennt auch Kunst und Politik nicht voneinander. Man merkt auch selbst in seiner sakralen Kunst, bei seinen Altären, dass politische Anspielungen vorhanden sind, sei es in Form von Runen, sei es in Form des Hakenkreuzes der Deutschen Christen, sei es in Form von Altarbildern, wo der italienische Duce Mussolini als Porträt als Pilatus auftaucht. Da merkt man ganz deutlich die Vermischung von Politik und Kunst, ja selbst Sakralkunst miteinander."
    Auch wenn er schon 1921 für eine kurze Zeit in die NSDAP eingetreten sei, so könne man Klahn doch nicht als einen nationalsozialistischen Künstler bezeichnen, sagt Herbert Pötter. Aber er habe die Nähe zu Förderern aus dem NS-System gesucht.
    "Man hat sich gesucht und gefunden. Und Klahn wusste natürlich ganz genau, dass er eine Erwartungshaltung mit seiner Kunst auch erfüllt."
    Der evangelische Theologe Dietrich Sattler verteidigt dagegen den Künstler. Er wirft dem Gutachter Herbert Pötter vor, jedes Detail des künstlerischen Schaffens in eine nationalsozialistische Schublade zu stecken.
    "Es gibt manchmal Dinge, die nennt man ein Rätsel, und die sind nicht zu lösen. Er findet aber auf alles immer ein und dieselbe Antwort, mit diesem oder jenem Detail sei Klahn ein den Nationalsozialismus mitverbreitender Künstler gewesen. Das ist meine Kritik."
    Auch Dietrich Sattler räumt ein, dass Klahn sich in völkischen Kreisen getummelt habe; aber man dürfe sein gesamtes Werk nicht auf wenige Symbole reduzieren.
    "Wenn man mal seine Werke in Verhältnis setzt zu ganz typischen nationalsozialistischen NS-Kunstwerken, dann klafft da eine ganz weite Lücke."
    Vor allem kritisiert Sattler die Klosterkammer in Hannover, eine Landesbehörde, die den ehemals kirchlichen Besitz verwaltet. Die Klosterkammer hatte unter ihrem damaligen Chef Axel Freiherr von Campenhausen Ende der 90er Jahre im Kloster Mariensee ein Klahn-Museum eingerichtet. Von Campenhausen war zuvor Staatssekretär des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht gewesen. Der wiederum war ein Schwager der Tochter des Künstlers, Liese Klahn. Und Äbtissin im Kloster Mariensee – Ort des Museums – war die Klahn-Witwe Barbara Bose-Klahn. Seit knapp zwei Jahren versucht nun die Klosterkammer, sich von den Klahn-Werken zu trennen. Für Dietrich Sattler ein nicht nachvollziehbarer Sinneswandel.
    "Dabei war die Vergangenheit von Klahn, was er in den 20er und 30er Jahren gemacht hat, schon bekannt, als 1998 die Stiftung errichtet wurde. Und das finde ich ein fieses Verfahren."
    Erich Klahn war kein herausragender Künstler, und seine Werke gehörten nicht zu den eindeutigen Machwerken der NS-Propaganda. Die Berliner Kunsthistorikerin Beate Rossie ist bei ihren Recherchen auf zahlreiche Beispiele gestoßen, bei denen kirchliche Kunstwerke zu Propagandazwecken missbraucht wurden: so zum Beispiel ein Christusmonogramm neben einem Hakenkreuz, SA-Männer in einer Darstellung der Bergpredigt auf einem Altar, ein blonder und blauäugiger Jesus, der von finster dreinschauenden jüdischen Gelehrten drangsaliert wird. Beate Rossie nennt ein weiteres Beispiel aus der Offenbacher Lutherkirche.
    "Ein Altarbild mit der Darstellung der Kreuzigung Christi, einer der Schächer Christi ist in der Art, der die antisemitischen Hetzkarikaturen der Zeitschrift der Stürmer gezeigt – eine richtige Hetzkarikatur innerhalb eines Altarbildes."
    Entgegen der landläufigen Ansicht, die Nationalsozialisten hätten die Kirchen nur bekämpft, finanzierte der NS-Staat aber kirchliche Kunst mit erheblichen Mitteln.
    Erich Klahn steht nicht für die eindeutige NS-Propaganda, für die Schwarz-Weiß-Malerei, sondern eher für die ideologischen Grautöne, für eine volkstümlich-völkische Kunst. Und damit ist er in den 1930er Jahren nicht allein, sagt Torsten Albrecht, Kunstreferent der hannoverschen Landeskirche.
    "Wenn man mal genauer hinsieht, gab es eine ganze Reihe von Künstlern, die in ähnlicher Form gearbeitet haben, die sind aber noch nicht aufgearbeitet worden. (…) das war kein Thema, weil die Kunst nicht 1a ist, sondern künstlerisch in der 2. und 3. Reihe stand."
    Die Debatte um Erich Klahn – das zeigte auch die Tagung – ist hoch emotionalisiert. Es geht nicht nur um diesen einen Künstler, aber an seinem Fall wird der Grundsatzkonflikt ausgetragen. Die Erben und Freunde des Künstlers werfen der Klosterkammer vor, den Ruf Erich Klahns massiv beschädigt zu haben. Dem hält der Kunsthistoriker Herbert Pötter entgegen:
    "Niemand bezweifelt, dass Klahn auch seine künstlerischen Qualitäten hatte. Das ist nicht der Punkt, es geht um Offenheit, um Ehrlichkeit mit den Fakten, die man sehen muss."
    Die Tagung "Künstler und Kirche im Dritten Reich" dürfte erst der Anfang einer längeren Debatte sein. Die Berliner Kunsthistorikerin Beate Rossie plädiert dabei vor allem für mehr Offenheit.
    "Ich würde empfehlen, dass Diskussionen immer wichtig sind, keine Schuldzuweisung, keine Ausschluss. Das hat bisher immer den fruchtbarsten Erfolg gehabt."