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"NS-Propaganda" - Eine Reihe der Topographie des Terrors

Martialisches Trommeln. Man sieht Hunderte von Männern in einem Zeltlager. Gemeinsam bei der Arbeit, unter der Massendusche, beim Appell, dann später in Uniform in geschlossen Reihen.

Von Rüdiger Suchsland | 16.07.2010
    Diese Bilder zeigen die Gleichschaltung des Individuums, sie zeigen, wie aus unterschiedlichen Einzelnen durch Reinigung und Einkleidung, durch Befehl und Gehorsam eine Masse austauschbarer Befehlsempfänger wird, Menschenmaterial der nationalsozialistischen Machtergreifung, und bald schon willige Vollstrecker von Hitlers Welteroberungsplänen und Vernichtungsfantasien.

    Diese Aufnahmen bilden den Auftakt zu "Triumph des Willens", Leni Riefenstahls berüchtigtem Propaganda-Film über den Nürnberger Reichsparteitag der Nationalsozialisten.

    "Triumph des Willens" ist der ultimative Propagandafilm, berühmt wie berüchtigt, und bis heute zumeist im Giftschrank des öffentlichen Gedächtnisses gelagert. Nur im Rahmen von Bildungsveranstaltungen und begleitet von Fachleuten, die ihn historisch einordnen, darf er öffentlich aufgeführt werden.

    Diese Gelegenheit gab es jetzt in Berlin: Die allererste Filmreihe des eben erst neu eröffneten Berliner Dokumentationszentrum der Gedenkstätte "Topographie des Terrors" beschäftigte sich an sieben Abend mit "Nationalsozialistischer Propaganda in Dokumentar- und Spielfilmen".
    Es ging um die verschiedenen Facetten der Propaganda, darum, wie die Nationalsozialisten das Medium Film zur Indoktrinierung, Manipulation und Mobilisierung der Massen nutzten, und welche Botschaften transportiert werden sollten.

    "Triumph des Willens" nimmt in dem Komplex Propaganda eine Ausnahmestellung ein: Stilistisch ohne Vorbilder und Nachfolger ist dies ein mit nichts anderem vergleichbares Werk der Selbstinszenierung und der Selbstdarstellung eines diktatorischen Regimes. 1934 gedreht, zeigt es die Nazis in der Stunde ihres Triumphs. Es zeigt Propaganda als ständige Wiederholung, als heute stupide wirkende rhythmische Bildfolge immer gleicher uniformierter Menschenmassen, die zum Ornament geronnen sind. Eine weitere Botschaft gibt es nicht, der Triumph und die totalitäre Macht selbst sind diese Botschaft.

    Aus heutiger Sicht allerdings kündigt sich darin schon vieles an, was kommen sollte. Zum Beispiel in den Auftritten Adolf Hitlers, die den Film ebenso gliedern.

    "Durch Eure Schule wird die ganze Nation gehen ... "

    Eine ganz andere Form der Propaganda bildet der von Joseph Goebbels persönlich konzipierte und von Fritz Hippler realisierte Hetzfilm "Der ewige Jude" von 1940: Parallel zu den militärischen Eroberungen im Osten war dies ein antisemitischer Propagandafilm, in den unterworfenen Ländern in Kino gelangte, und zur Indoktrinierung der deutschen Truppen benutzt wurde.

    "Hier entwickelt sich im Laufe von Jahrhunderten aus orientalischen negroiden Einschlag die endgültige Mischrasse der Juden verschieden von uns, an Leib und vor allem an Seele."

    Eine Anleitung zu Menschenverachtung, zu Hass und Vernichtung. Darum ging es in der Nazi-Propaganda am meisten. Es ging auch um Ankündigungen und Drohungen. Vergleichsweise wenig ging es um Verführung.

    Bis heute wird in über den Umgang mit historischer Propaganda, diskutiert. Denn natürlich gibt es auch heute Propaganda. Sie heißt nur nicht mehr so, nennt sich Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations. Natürlich dient sie auch anderen, besseren und menschenfreundlicheren Zwecken. Die Filmreihe in Berlin sensibilisiert auch für heutige Formen des politischen Marketing, für subtilere Manipulation in Wahlkampfspots und Reden der Politiker.

    Die Geschichte der NS-Propaganda im Kino reicht über viele weitere Beispiele, wie etwa die scheinbar unpolitischen Melodramen Veit Harlans, die in der Reihe ebenso wenig vorkamen, wie Komödien, bis hin zu den Opfer- und Durchhaltefilmen der letzten Kriegsjahre. Ihr berühmtester ist "Kolberg" der letzte Film des dritten Reichs. Auch ihn drehte Veit Harlan, des Führers Regisseur.

    Er inszeniert eine Geschichte aus den napoleonischen Kriegen, ein perverses Heldentum, das sich im Tod vollendet.

    Auch im Untergang war das große Oper. Wie die Nibelungen ging auch das Kino des dritten Reichs singend in den Untergang, mit der mörderischen Volkssturm-Propagandaparole, die Goebbels dem romantischen Dichter Theodor Körner geklaut hatte: "Und Volk steh' auf, und Sturm brich los."