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NSA-Affäre
Smale: No-Spy-Abkommen nicht mit deutscher Verfassung vereinbar

Der bei einem No-Spy-Abkommen nötige Datenaustausch zwischen Berlin und Washington sei mit deutschen Recht schwer vereinbar, sagte Alison Smale, Journalistin der "New York Times" in Berlin, im Deutschlandfunk. Die USA seien zudem nicht bereit, von Deutschland geforderte Garantien abzugeben.

Alison Smale im Gespräch mit Friedbert Meurer | 31.01.2014
    Die amerikanische Journalistin Alison Smale
    Die amerikanische Journalistin Alison Smale (dpa / picture-alliance / Kenzo Tribouillard)
    Friedbert Meurer: Die Studie ist mit Bedacht in Auftrag gegeben worden. Die deutsche Botschaft in Washington wollte wissen: Was denken US-Bürger über Germany, über Deutschland. Umgekehrt ist ja das USA-Bild der Deutschen im Moment ziemlich düster geworden. Erst der Irak-Krieg unter George W. Bush, jetzt die Totalausspähung der NSA. Das alles düstert das US-Bild der Deutschen.
    Heute kommt US-Außenminister John Kerry nach Berlin, wird dort von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen. Alison Smale ist seit einigen Monaten die Leiterin des Berliner Büros der „New York Times“. Guten Morgen, Frau Smale.
    Alison Smale: Ja, guten Morgen.
    Meurer: Arbeiten Sie noch in einem befreundeten Land?
    Smale: Natürlich. Ich glaube, es gibt viel Ärger im Moment. Das stimmt. Es gibt viel Enttäuschung, würde ich sagen, viel eher unter den Deutschen, und das färbt das Amerika-Bild nicht in einem positiven Sinne. Es gibt aber immer wieder mal gravierende Auseinandersetzungen unter Freunden und Partnern, und das ist jetzt eine ziemlich tief gehende. Das stimmt. Gut, dass John Kerry heute kommt. Er ist der ranghöchste Besucher aus den USA seit Bekanntwerden der Affäre um das Handy von Frau Merkel. Der Ärger darüber, glaube ich, war dadurch noch vertieft, dass Präsident Obama im Juni hier war, ziemlich zu Beginn der Enthüllungen von Edward Snowden, und die Kanzlerin und ihr Mitarbeiter Herr Pofalla damals, nach dem Besuch in Washington und so, haben geglaubt einer amerikanischen Beteuerung, deutsches Recht wurde nicht verletzt auf deutschem Boden.
    "Es ist eine tiefe Enttäuschung"
    Meurer: Damit haben sie sich ganz offensichtlich geirrt. Viele Deutsche sind enttäuscht von Obama, hatten so viele Hoffnungen mit ihm verbunden. Wie erleben Sie diese Schärfe der Diskussion über die NSA im Moment in Deutschland?
    Smale: Ich erlebe das als eine - Wie gesagt: es ist eine tiefe Enttäuschung. Ich glaube, Sigmar Gabriel hat das ganz gut zusammengefasst in einer Rede in Leipzig bei dem SPD-Parteitag, wo er gesagt hat, ausgerechnet die Vereinigten Staaten, von denen wir eigentlich den Wert des Individuums, das Recht auf Freiheit des Individuums wirklich gelernt haben nach dem Zweiten Weltkrieg, ausgerechnet diese USA scheint in unseren Augen das verletzt zu haben. Ich glaube, das wird lang, wie die Kanzlerin selbst gesagt hat diese Woche, aber ich erlebe da nicht irgendwie eine feindliche Haltung und ich glaube nicht, dass amerikanische Diplomaten, die hier in Berlin arbeiten, eine vollkommen kalte Haltung erleben. Es ist aber irgendwas, wo die Deutschen, wie gesagt, emotional sind. Die sind enttäuscht.
    Meurer: Da kann es ja einen Unterschied geben zwischen den Deutschen und den Politikern. Die Politiker, Diplomaten, klar: gutes Verhältnis. Die vielen Deutschen erwarten aber, dass die Kanzlerin was tut. Warum weigert sich Washington, ein No-Spy-Abkommen abzuschließen?
    Smale: Ich glaube nicht, dass Washington jemals besonders ernsthaft ein No-Spy-Abkommen in Betracht gezogen hat, und ich glaube auch, dass das Weiße Haus ziemlich klar gemacht hat, was auch in der Rede in diesem Monat von Obama klar wurde. Es gibt bestimmte Regeln für das sogenannte, was hier als No-Spy-Abkommen bezeichnet wird, und darunter sind Bedingungen, die Deutschland nie eingehen würde.
    "Für deutsches Recht schwer auszuhandeln"
    Meurer: Zum Beispiel?
    Smale: Zum Beispiel da muss man ganz bereit sein, sehr frei Daten auszutauschen, damit das wirklich dann ein Bündnis ist, und es gibt Momente – ich kenne die Details nicht, weil wenn es sich um Geheimdienst handelt, dann ist es ein bisschen schwierig, die Details immer zu kennen -, die sind für Deutschland, für deutsches Recht schwer auszuhandeln. Außerdem haben die Leute im Weißen Haus klargestellt: Manche Garantien, die Deutschland sucht, die werden nie abgegeben werden von den USA. Also man ist in einer sehr schwierigen Phase, und hoffentlich wird das nicht alles beeinflussen, was die Deutschen und die Amerikaner sonst verbindet.
    Meurer: Ganz verstanden habe ich es nicht, Frau Smale. Heißt das, die Deutschen sind nicht bereit, umgekehrt ihre Geheimdiensterkenntnisse an Washington abzutreten, oder was meinen Sie?
    Smale: Ich meine damit: Es gibt Bedingungen unter deutschem Recht, was man da freistellen müsste, und das kann man nicht machen hier laut Verfassung. Genauso in den USA gibt es Bedingungen, die von Deutschland verlangt werden, und man ist nicht bereit, eine Garantie abzugeben, was abgehört wird, glaube ich.
    "Die Amerikaner brauchen TTIP"
    Meurer: Wird sich Washington beeindrucken lassen, wenn Deutschland sagt, dann legen wir eben das Freihandelsabkommen TTIP auf Eis. Zum Teil hat das ja die EU-Kommission jetzt gemacht.
    Smale: Ja. Ich glaube, die Amerikaner brauchen TTIP. Ich glaube, die Deutschen unter den Europäern sind auch ziemliche Freunde dieses Vorhabens. Das wäre dann eine Riesen-Freihandelszone von 800 Millionen Menschen. Und ich glaube, da muss man auch andere Erwägungen in Betracht ziehen. Zum Beispiel: Was ist jetzt mit China im Welthandel? Die USA wollen auch ein TTIP, aber ein Handelsabkommen mit dem Pazifik-Raum. Da ist China nicht involviert, genauso wenig in den USA Europa. Ich glaube, das wird angesehen als Instrument, unsere Standards in der Industrie, in der Wirtschaft überhaupt zu behaupten.
    "An TTIP sollte man festhalten"
    Meurer: In Deutschland haben viele keine Lust auf dieses Handelsabkommen, sagen, das bringt ja nur reichen Managern was und wir sollen dann, jetzt mal überspitzt gesagt, genveränderten Reis und chlorgewaschene Hühnchen essen. Was entgegnen Sie?
    Smale: Ja. Ich habe vorher in Paris gelebt. In Frankreich sagt man, absolut nie, ohne dass wir unsere Filmförderung genauso behalten wie jetzt. Insofern: es gibt für jedes Land ein eventuelles Problem mit dem Handelsabkommen. Aber das kann man aushandeln. Das will man, glaube ich, verhandeln. Tiefgehender ist die Frage, was macht man ohne TTIP und wie entwickelt sich der Welthandel ohne ein Abkommen. Insofern glaube ich – und die Kanzlerin hat es auch diese Woche wieder gesagt -, an TTIP sollte man festhalten.
    Meurer: Alison Smale ist die Büroleiterin der „New York Times“ in Berlin. Heute kommt US-Außenminister John Kerry, es gibt eine Menge zu bereden im Kanzleramt. Danke, Frau Smale, auf Wiederhören nach Berlin.
    Smale: Bitte schön!
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