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Nützliche Resteverwertung

Umwelt. - Die Tomate ist die meistgekaufte Frucht in Europa. Sie ist roh im Handel, überwiegend aber in Dosen, in Flaschen, tief gefroren auf der Pizza oder als Ketchup. Bei den meisten Verarbeitungsschritten fällt leider reichlich Abfall an, denn an Schale und Kernen ist kaum jemand interessiert. Anders das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven, das sich seit gut 18 Monaten Gedanken darüber macht, wie man auch die Tomatenreste wirtschaftlich und umweltfreundlich nutzen kann.

26.01.2005
    "Normalerweise besteht der Reststoff zur Hälfte aus Kernen und zur anderen Hälfte aus Schalen", sagt Caroline Mähr. "Hier haben wir die Schalen separat vorliegen." Was die Bremerhavener Biologin gerade aus Plastiktüten nimmt und durch ihre Finger rieseln lässt, ist das, was Tomaten nach ihrer Verarbeitung zu Püree oder Soße noch übrig bleibt: Tonnenweise Abfall, der bislang höchstens auf den Kompost wandert oder an Tiere verfüttert wird. Von den acht Millionen Tonnen Tomaten, die Europa jährlich erntet, werden sieben Millionen Tonnen industriell weiter verarbeitet. "Bei der Verarbeitung bleiben 40 Prozent der Tomatenfrischmasse als Reststoff zurück", so Caroline Mähr. Sie leitet das EU-Projekt TOM, das auch für diese Überreste eine Verwendung finden will.

    Der Großteil des Tomatenabfalls besteht aus Wasser. Wirklich nützliches kann man also nur in den getrockneten Überbleibseln der Schalen und Kerne finden. Die Tomatenreste auf dem Labortisch on Caroline Mähr sind nicht mehr rot, sondern eher gelb oder orange: "Aber in diesen orangefarbenen Schalen ist immer noch ein sehr großer Anteil Lycopin vorhanden. Und den wollen wir haben." Lycopin ist der Farbstoff, der die Tomate rot aussehen lässt. Mit ihm kann man auch andere Lebensmittel färben.

    Die Bremerhavener Food-Spezialisten extrahieren das Carotinoid mit Wasser und Kohlendioxid in einer speziellen Maschine, erklärt Mähr: "In diesem Verfahren extrahieren wir mit dem überkritischen CO2. Das ist eine besondere Zustandsform des Gases. Es ist zwischen flüssig und gasförmig. In diesem Zustand hat es ein sehr hohes Lösevermögen für fettlösliche Stoffe wie zum Beispiel Lycopin. Damit können wir gezielt das Lycopin aus dem Reststoff holen und haben es nachher im Extraktionsgut ziemlich rein vorliegen."

    Die Tomatenschalen landen dabei in einem fest verschraubten, rund einen halben Meter hohen Zylinder. Anschließen wird das Kohlendioxid hindurch geleitet - unter hohem Druck von 300 Bar. So sind keine hohen Temperaturen nötig, die ansonsten die Inhaltsstoffe zerstören könnten. Das Verfahren ist außerdem umweltfreundlich, weil keine weiteren Lösungsmittel nötig sind. In einem zweiten Zylinder setzt sich schließlich das Lycopin ab. Nach ein bis zwei Stunden kann man aus einem Hahn unten am Gerät das Ergebnis zapfen: eine rote Paste aus lycopinhaltigem Tomatenkernöl und lycopinhaltigem Wachs. "Das kann man weiter auftrennen", sagt Caroline Mähr, "und hat dann ein sehr schön rotes Öl oder ein rötliches Wachs als Endprodukt."

    Das Tomatenkernöl ist reich an ungesättigten Fettsäuren und besonders geeignet für die menschliche Ernährung. Zu drei Vierteln besteht es aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.. Es könnte auch als Zusatz in der Lebensmittelindustrie verwendet werden, etwa bei der Herstellung von Nudeln. Das Tomatenwachs wiederum soll in Kosmetika zum Einsatz kommen, zum Beispiel in Feuchtigkeitscremes, erklärt Caroline Mähr: "Wachs ist ein normaler Inhaltsstoff von Cremes. In diesem Wachs ist noch ein gewisser Prozentsatz an natürlichem Lycopin vorhanden. Als Antioxidans wirkt es oxidativem Stress entgegen: Das ist also ein Anti-Aging-Wirkstoff und schützt vor Falten."

    Selbst für das, was nach der Extraktion der Kerne und Schalen übrig bleibt, haben die Bremerhavener Lebensmittelexperten eine Anwendung gefunden. Deren Reste können als Ballaststoffe bei der Nahrungsmittelherstellung eingesetzt werden. In drei Monaten geht das Forschungsprojekt TOM zu Ende. Vorher aber wollen die Wissenschaftler noch beweisen, dass sich die Weiterverarbeitung der Tomatenreste zu Nährstoffen auch wirtschaftlich lohnt.

    [Quelle: Folkert Lenz]