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"Nuntii Latini"
Mit dem Latein am Ende

Radio Bremen hat sich Ende 2017 das letzte Mal in lateinischer Sprache gemeldet. Die Nachrichtensendung "Nuntii Latini" ist seitdem Geschichte. Latein-Fans bleibt jetzt nur noch ein Angebot aus Finnland.

Von Rainer Berthold Schossig | 17.01.2018
    Ein lateinisches Wörterbuch wird am 03.04.2013 in einer Buchhandlung in Köln (Nordrhein-Westfalen) aus einem Regal genommen. Nordrhein-Westfalens SPD und Grüne wollen die Latinums-Pflicht für Lehramtsstudenten auf den Prüfstand stellen.
    Wer sich für Latein interessiert, hat ab sofort weniger Auswahl (dpa / Oliver Berg)
    "Putin quartum praesidentiam petens." Die Nachricht, dass ein gewisser Herr Putin seine vierte Präsidentschaft anstrebe, gehörte zu den letzten Meldungen, mit denen sich Radio Bremen Ende 2017 zum letzten Mal an seine altsprachlichen Hörer wendete. Die "Nuntii Latini" waren seit anno Domini 2001 von Radio Bremen ausgestrahlt worden.
    Ein ehrenamtliches Redaktionsteam aus bereits pensionierten und noch praktizierenden Lateinlehrern übersetzte aktuelle Meldungen aus Politik und Zeitgeschehen und sprach sie dann auch persönlich ins Mikrofon.
    Hannelore Zöllner gehört zum Gründerkreis der Sendereihe:
    "Wir sind Nutznießer des Treffens zweier Väter zweier hoffnungsvoller Kinder, die Lateinleistungskurs machen wollten und das in Bremen am Alten Gymnasium nicht bekommen sollten. Da haben die beiden beschlossen in der nächsten Kneipe, also wir wollen etwas für Latein tun."
    Keine leichte Aufgabe
    Unter den rebellierenden Vätern war auch der Redakteur Jörg-Dieter Kogel, Absolvent eines altsprachlichen Gymnasiums. Er stellte die Radio-Meldungen auf Deutsch zusammen, danach walteten die Altphilologen ihres Amtes. Dass dies nicht immer leicht war, zeigt etwa die barock latinisierte Amtsbezeichnung des US-Präsidenten: "Civitatum Unitarum Americae praesidens" oder so eine misstönende Vokabel wie "bomba atomica".
    "Wir haben versucht, Neulatein zu vermeiden. Also diese Neubildungen wie Bomba atomica auszulassen, sondern es umzudenken auf römische Verhältnisse und zu umschreiben, also zum Beispiel Ehrenamt. Jedes Amt in Rom ist ein Ehrenamt. Und wenn Sie keine Ehre haben, kriegen Sie kein Amt: Salario non dato oder accepto."
    Breites Themenspektrum
    Erstaunlich war die Breite und Vielfalt des Bremer Latein-Nachrichten-Angebots. Das Programm beschränkte sich keineswegs nur auf schnöde Meldungen. Diese waren in viel Buntes eingebunden:
    "Wir haben die Nachrichten ergänzt durch Wetterbericht, Horoskope, Buchbesprechungen, Veranstaltungskalender. Wir hatten Kindernachrichten, die die Kinder selbst geschrieben und gesprochen haben", sagt Hannelore Zöllner.
    Sendungen mit viel Herzblut
    Insgesamt war die globale Resonanz von Sprachkennern auf die lateinischen Online-Nachrichten beträchtlich. Und nicht nur Gymnasiasten, sondern auch Grundschüler machten aktiv mit - bei den "Nuntii Liberorum" – den lateinischen Kindernachrichten. Hannelore Zöllner, Griechisch- und Lateinlehrerin im Unruhestand, war die Älteste im Übersetzerteam. Für sie war und ist das Übersetzen – nicht nur von Nachrichtenmeldungen – mehr als nur ein skurriles Steckenpferd.
    "Für uns war es allgemein eine Freude, einen schönen lateinischen Satz hinzukriegen, der ausdrückt, was wir Deutschen heutzutage denken. Wir haben es eigentlich hauptsächlich um unserer Freude willen getan."
    Latein nur noch aus Finnland
    "Das Bremer Radio Cicero funkt nicht mehr", so süßsauer formulierte es das Bremer Latein-Team in seiner Abschiedsbotschaft an die Hörer. Nach dem Ende der Bremer "Nuntii Latini" strahlt nur noch Radio Helsinki lateinische Nachrichten aus.
    Der Heilige Stuhl beschränkt sich bekanntlich auf Glaubensbotschaften. So verschwindet die lateinische Sprache nun wohl aus dem deutschen Hörfunk. Schade, denn das Latein ist für jeden eine sprachliche Herausforderung, anders als das Englische, das heute als Lingua franca dient.
    Dennoch – Hannelore Zöllner sieht stoisch-gelassen in die altsprachliche Zukunft: "Gut – es ist auch ein bisschen das Gefühl, dass man ein bisschen verrückt ist. Aber im Grunde ist man ein bisschen allein - und da sucht man natürlich Gleichgesinnte."