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Nur die Fiktion einer Kulturmetropole

Ingeborg Flagge, die Direktorin des Deutschen Architektur-Museums (DAM) in Frankfurt hat um vorzeitige Entlassung aus ihrem Vertrag gebeten. Flagge ist seit 2000 Chefin des Architekturmuseums. Unter ihrer Leitung konnte das DAM in den letzten drei Jahren die Besucherzahl mehr als verdreifachen. Gesundheitliche Gründe werden nun offiziell für den Rücktritt angeführt. Tatsächlich scheint aber auch mangelnde Unterstützung des Museums durch die Stadt eine Rolle zu spielen.

Von Christian Thomas |
    Die fettesten Erträge, die die Frankfurter Kulturpolitik in den letzten Wochen abgeworfen hat, waren üppige Schlagzeilen. Der zukünftige Direktor des traditionsreichen Städel, Max Hollein, wurde ohne Findungskommission erwählt. Dem Museum für Moderne Kunst droht der Ausverkauf von Schätzen. Und an dem Tag, an dem der hessische Ministerpräsident öffentlich seine "Kultur-Leuchtturmpolitik" für das Rhein-Main-Gebiet ankündigt, erklärt die Direktorin des Deutschen Architektur Museums, Ingeborg Flagge, ihren vorzeitigen Rücktritt zum Jahresende.

    Koinzidenz als bittere Ironie. Denn die Entscheidung der DAM-Direktorin bedeutet einen herben Verlust, denn sie hat dem Haus, trotz größter finanzieller Probleme, ein überregionales Prestige gesichert. Der Entschluss (bei dem auch gesundheitliche Gründe eine Rolle spielen) zeigt erneut, dass in Frankfurt an einer Fiktion festgehalten wird, einer Kulturmetropolenfiktion. Anstelle von finanziellen und strukturellen Investitionen, die den Metropolenstatus sichern könnten, wendet die Oberbürgermeisterin der Stadt, Petra Roth, immer wieder eine Konstruktion auf. Es ist eine, die sich auf einen so pompösen Begriff wie "Bürgergesellschaft" beruft. Das Lehnwort aus der Sozialwissenschaft mag die Künste in dem einen oder anderen Fall bereichert haben. In den bundesdeutschen Kulturinstitutionen jedoch wirft das Wortgeklingel allein in den dort rumgereichten Klingelbeuteln etwas ab. Das Beispiel München und des Architekturmuseums dort zeigt, dass es an erster Stelle die verlässliche Unterstützung durch den (bayerischen) Staat und die Stadt (München) ist, die ein Museum auf Dauer sichern.

    Die Bürgergesellschaft mag in manchem wildentschlossenen Verein zusammenkommen: hier in einem Montagskreis zur Ehrenrettung von "Zar und Zimmermann", dort in einem Tabakskollegium zum Wohle der Wiener Sezession. Tatsächlich mag das stille Mäzenatentum für die Bilderwelten in den Frankfurter Museen zukünftig eine unauflösliche Basis und keine neoliberale Spekulationsmasse liefern.

    Das Sponsorentum, auf das das DAM gerechnet hat und rechnen musste, weil es von der Stadt Frankfurt auf den Neuen Markt der Akquise entlassen wurde, reicht nicht aus. Trotz der Bedeutung des Museums mit seinen großen Ausstellungen, ob nun zuletzt über Dominikus Böhm oder Paul Schmitthenner, über Geoffrey Bawa, Jörg Schlaich oder zur "Revision der Postmoderne" – trotz solcher Highlights verfügt die Einrichtung über keinen dauerhaften Ausstellungsetat. Städtische Finanzspritzen sind an den Nachweis von Sponsorengeldern geknüpft.

    Aus der kommunal- und kulturpolitischen Verantwortung für ein Museum , das das Kurz- und Langzeitgedächtnis des Urbanen ebenso wie dessen Zukunft in einer Global City wie Frankfurt nachhaltig behauptet -: aus einer solchen Verantwortung hat sich an erster Stelle die Oberbürgermeisterin der Stadt verabschiedet. Sie lässt sich gern dabei beobachten, wie sie Museums- und Kulturpolitik ohne den dafür verantwortlichen Dezernenten macht. Mit seiner Entmachtung wie überhaupt derjenigen der Frankfurter Dezernentenebene geht eine Symbolpolitik einher. Es ist eine Investition in symbolische Anstrengungen, die ins Leere greift und ins Leere geht.

    Ein Interview mit Ingeborg Flagge auf Deutschlandradio Kultur können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.