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Nur ein Karrierist?

In New York kennt man den neuen FIFA-Chefermittler Michael J. Garcia. Und zwar als Mann, der dank des richtigen Parteibuchs Karriere machte und der tat, was seine Bosse von ihm verlangten. Scherereien braucht Sepp Blatter von ihm nicht erwarten. Schließlich ist er der Klient, der ihn teuer bezahlt.

Von Jürgen Kalwa |
    Es muss eine zwiespältige Aufgabe sein, die Führungsstuktur einer Organisation zu verändern, in der Korruption, Betrug und Einflussnahme den Mörtel für alles bilden, was das Gebäude zusammenhält. Besonders wenn man keinen Weg findet, den Mann an der Spitze aus dem Haus zu jagen.

    Aber wenn man Mark Pieth ist und als Rechtsprofessor, Kriminologe und Anti-Korruptionskämpfer weltweit einen guten Namen hat, dann mutet man sich so etwas schon mal zu. Wie im Fall des internationalen Fußballverbandes, in dem in den nächsten Monaten ein mittelgroßes Wunder vollbracht werden soll. Mit Sepp Blatter an der Spitze jenes System auszuhebeln, das dieser Sepp Blatter perfektioniert hat.

    Tatsächlich erinnert die Anstrengung eher an eine der Geschichten der Bürger von Schilda. Nämlich jene, bei der Licht in Eimern in ein dunkles, fensterloses Rathaus getragen wurde.

    Immerhin wissen wir seit der vergangenen Woche, wer dieses Licht hineintragen soll: Der ehemalige Staatsanwalt Michael J. Garcia aus New York. Er war nicht gerade Pieths erste Wahl, aber er hat angeblich das Format für den Job. Der Schweizer nennt ihn gerne ein "Schwergewicht der amerikanischen Justiz".

    Auf den ersten Blick mag eine solche Einschätzung vielleicht berechtigt sein. Doch wer etwas genauer hinschaut, dem wird an Garcias Biographie vor allem eines auffallen. Es ist seine mit Hilfe eines Parteibuchs geschmiedete, steile Karriere. Die Mitgliedschaft in der Republikanischen Partei und sein Ruf als linientreuer, fleißiger Jurist brachten ihn in den acht Jahren der Präsidentschaft von George W. Bush in rascher Folge in verantwortliche Positionen in Washington und schließlich 2005 auf den Posten eines Bundesstaatsanwalts in Manhattan.

    Sein nachhaltigster Tätigkeitsnachweis in New York wurde Jahre später in einem Dokumentarfilm festgehalten – Titel: "Client-9". "Klient neun" erzählt die Geschichte der Ermittlungen von Garcia, der weder Steuergeld noch Mühe scheute, einen politischen Auftrag zu erfüllen: den aufstrebenden und erfolgreichen Gouverneur des Staates New York, Eliot Spitzer, aus dem Amt zu vertreiben.

    "The U.S. Attorney for the Southern District of New York was Michael Garcia. The man who hat tangled with Spitzer. Normally focused on terrorists, mobsters and Wall Street Garcia’s office was suddenly spending enormous resources to go after a small escort service. Garcia was a Republican. Was this a political hit?"

    Das Vorhaben gelang, als der Demokrat zurücktrat, nachdem bekannt wurde, dass Garcia gegen ihn eine Anklage vorbereitete. Spitzer war Kunde von teuren Prostituierten gewesen. Scott Horton, Jurist und Dozent an der Columbia Universität in New York:

    "Garcia folgt nicht den Spuren. Er ist einer, der das tut, was seine Bosse von ihm erwarten."

    Wozu ganz offensichtlich gehörte, politischen Freunden nicht zu nahe zu treten, die während seiner Amtszeit in Manhattan die Weltfinanzwirtschaft an den Rand des Kollapses brachten.

    "Dieser Mann hat als Sheriff von Wall Street in einer Periode unverschämter Missetaten absolut nichts getan. Das ist erstaunlich. Ich kenne Kollegen von ihm, die ihn für absolutes Mittelmaß halten und nicht für einen starken Ermittler."

    Mittelmaß kann sich lohnen. Als Garcia gegen Ende der Bush-Präsidentschaft sein Amt aufgab, wurde er Teilhaber in einer der größten und ältesten Kanzleien Amerikas. Eine Position, die ihm mehrere Millionen Dollar pro Jahr einbringen dürfte. Die Kanzlei hatte übrigens laut Horton viele Gegner des diskreditierten Gouverneurs vertreten, der einst gegen so manchen Winkelzug in der Finanzindustrie vorgegangen war.

    A propos Millionen. Die FIFA hat bislang nicht mehr über die Kosten der anstehenden Ethik-Ermittlungen verraten, als dass sie die üblichen Honorare und Auslagen bezahlen wird. Hochkarätige Anwaltsbüros in New York stellen für die Arbeit ihrer Top-Leute in solchen Angelegenheiten übrigens Honorarsätze von 750 Dollar pro Person pro Stunde in Rechnung. Da kommen rasch ein paar Millionen zusammen.

    Gleichzeitig muss sich der Auftraggeber - in diesem Fall die FIFA und ihr Chef Sepp Blatter – keine Sorgen machen, dass die Ermittlungen sehr viele Scherereien verursachen. Noch einmal Scott Horton:

    "Michael Garcia – der wird die Interessen und die Position seines Klienten schützen, für den er die Untersuchung betreibt. Das ist anders als in einem Strafermittlungsverfahren."

    Garcia, der selbst mal Journalist war, ehe er Jura studierte, redet übrigens nicht gerne mit Journalisten. Er hat sich bislang mit keinem Wort zu der Arbeit für die FIFA geäußert und lehnt Interviewwünsche ab.