Identität ist eines der großen Problemthemen unserer Zeit. Achtmal umgezogen, dreimal geschieden, vielleicht auch noch ein Herz von einem fremden Spender eingepflanzt: Das moderne Leben setzt dem ruhigen, klaren Ich-Gefühl beträchtlich zu. Daher ist Identitätssuche so groß in Mode, daher gibt es ein fabelhaftes Angebot von Selbstvergewisserungsstrategien: zum Beispiel Schafe züchten, Gedichte schreiben oder Mitglied bei El Kaida werden. Hilfreich bei beginnendem Ego-Verlust ist auch ein Blick aufs Autonummernschild. Denn unter allen Nummern, die einem heutzutage zwangsläufig verpasst werden - Krankenversicherung, Kreditkarte, Telefon, Steuer - spielt das Autokennzeichen eine ganz besondere Rolle.
Übrigens nicht nur in Deutschland: In den USA lassen viele Leute eine selbst gewählte Buchstabenkombination registrieren, ein witziges oder persönliches Wort, das wie ein Mantra des mobilen Menschen auf seiner Stoßstange prangt. In Großbritannien ist der Besitz einer kurzen, möglichst den Buchstaben A oder die Ziffer 1 enthaltenden Autonummer ein begehrtes Statussymbol, für das mancher viele tausend Pfund ausgibt. Denn da ein Personenkraftwagen meist der teuerste Einzelgegenstand ist, den ein Mensch besitzt, so möchte er seinen Besitzerstolz auch auf dessen Amtssiegel ausdehnen.
Es kommt aber noch etwas hinzu, das Autokennzeichen ebenso zu einer Sache des Herzens und Gefühls wie der administrativen Rationalität macht, und zwar ist es der landsmannschaftliche Aspekt. Fahrzeuge sind Boten aus der Fremde, zumindest potenziell. Die liebevolle Hinwendung zum Auto gilt im Grunde dem Traum von weiträumiger Beweglichkeit. Von daher ist der lokale Bezug der Autonummern nicht nur für Kinder eine große Freudenquelle, wenn sie sich während langweiliger Fahrten auf dem Rücksitz im alphabetisch-geografischen Erkennen üben, sondern auch Erwachsene lieben diese Hinweise auf Herkunftsorte, denn Heimat ist eines der Fundamente von Identität. Als in Italien vor ein paar Jahren der lokale Bezug der Autonummern abgeschafft wurde, empfanden viele Italiener dies als eine Art kultureller Enteignung: Florentiner sind seither von Neapolitanern nicht zu unterscheiden, bloß die Römer haben noch ein kraftfahrzeugmäßiges Sondermerkmal.
Nun soll Ähnliches auch bei uns geschehen: Das ganze Anmeldungs- und Zulassungsverfahren für Autos hierzulande steht vor einer Revolution. Sowohl die lokale Buchstabenfolge auf den Kennzeichen als auch die lokale Zuständigkeit bei der Vergabe sollen wegfallen - letztere sorgt immerhin dafür, rund 10.000 Amtspersonen bundesweit beschäftigt zu halten. Und genau genommen liegt wohl darin der größte Kulturverlust, wenn man nicht mehr diese düsteren deutschen Kfz-Zulassungsstellen mit ihrer sinistren Stimmung und ihrer nach Katastrophenfilm aussehenden Ausstattung aufsuchen muss, um ein Gefährt an-, um- oder abzumelden. Denn nervös glühende, latent feindliche Atmosphäre in diesen Behördenräumen zeigt einem stets, wozu Autonummern eigentlich dienen: der Feststellung und Bestrafung von Verkehrssündern. Da kann der Einzelne auf sein Kennzeichen so stolz sein, wie er will; die Schilder sind doch Ausdruck eines staatlichen Generalverdachts, einer allgemeinen Negativvermutung.
Übrigens nicht nur in Deutschland: In den USA lassen viele Leute eine selbst gewählte Buchstabenkombination registrieren, ein witziges oder persönliches Wort, das wie ein Mantra des mobilen Menschen auf seiner Stoßstange prangt. In Großbritannien ist der Besitz einer kurzen, möglichst den Buchstaben A oder die Ziffer 1 enthaltenden Autonummer ein begehrtes Statussymbol, für das mancher viele tausend Pfund ausgibt. Denn da ein Personenkraftwagen meist der teuerste Einzelgegenstand ist, den ein Mensch besitzt, so möchte er seinen Besitzerstolz auch auf dessen Amtssiegel ausdehnen.
Es kommt aber noch etwas hinzu, das Autokennzeichen ebenso zu einer Sache des Herzens und Gefühls wie der administrativen Rationalität macht, und zwar ist es der landsmannschaftliche Aspekt. Fahrzeuge sind Boten aus der Fremde, zumindest potenziell. Die liebevolle Hinwendung zum Auto gilt im Grunde dem Traum von weiträumiger Beweglichkeit. Von daher ist der lokale Bezug der Autonummern nicht nur für Kinder eine große Freudenquelle, wenn sie sich während langweiliger Fahrten auf dem Rücksitz im alphabetisch-geografischen Erkennen üben, sondern auch Erwachsene lieben diese Hinweise auf Herkunftsorte, denn Heimat ist eines der Fundamente von Identität. Als in Italien vor ein paar Jahren der lokale Bezug der Autonummern abgeschafft wurde, empfanden viele Italiener dies als eine Art kultureller Enteignung: Florentiner sind seither von Neapolitanern nicht zu unterscheiden, bloß die Römer haben noch ein kraftfahrzeugmäßiges Sondermerkmal.
Nun soll Ähnliches auch bei uns geschehen: Das ganze Anmeldungs- und Zulassungsverfahren für Autos hierzulande steht vor einer Revolution. Sowohl die lokale Buchstabenfolge auf den Kennzeichen als auch die lokale Zuständigkeit bei der Vergabe sollen wegfallen - letztere sorgt immerhin dafür, rund 10.000 Amtspersonen bundesweit beschäftigt zu halten. Und genau genommen liegt wohl darin der größte Kulturverlust, wenn man nicht mehr diese düsteren deutschen Kfz-Zulassungsstellen mit ihrer sinistren Stimmung und ihrer nach Katastrophenfilm aussehenden Ausstattung aufsuchen muss, um ein Gefährt an-, um- oder abzumelden. Denn nervös glühende, latent feindliche Atmosphäre in diesen Behördenräumen zeigt einem stets, wozu Autonummern eigentlich dienen: der Feststellung und Bestrafung von Verkehrssündern. Da kann der Einzelne auf sein Kennzeichen so stolz sein, wie er will; die Schilder sind doch Ausdruck eines staatlichen Generalverdachts, einer allgemeinen Negativvermutung.