Zwei mondäne Mädchen mit Bubikopf und knappem Einteiler; die eine in Froschgrün - lasziv hingegossen auf eine zimtfarbene Ottomane - qualmend aus korallroter Zigarettenspitze, die andere - ganz in Oliv mit roter Mähne und violettem Plaid - hält eine kleine Kinder-Angel in ein rundes Goldfischglas, in dem winzig kleine Männer - im schwarzen Frack mit dicken Geldbeuteln - sich nach dem Köder strecken. Eine weiße Katze mit grüner Schleife sieht dem Spiel gespannt schnurrend zu. Das Interieur des Etablissements, wo dieses symbolische Spielchen stattfindet, ist unübersichtlich zugestellt mit Möbeln und Draperien, zugleich ist der Bildraum kubistisch gebrochen. Jeanne Mammen hat das Bild mitten in den "Roaring Twenties" gemalt, damals befand sie sich auf dem Sprung zum Ruhm. Anders als Paula Modersohn-Becker, die Namenspatronin des Museums, die nur 14 Jahre älter war, musste sie - Mitglied der zweiten Schicht der Maler-Pionierinnen der Moderne - nicht darum kämpfen, überhaupt Künstlerin werden zu dürfen:
"Jeanne Mammen hatte das Glück, dass sie in Paris aufgewachsen ist, sie konnte dort an der Académie Julien, später auch in Brüssel an der staatlichen Akademie lernen. Sie war also nicht eine, die überhaupt noch darum ringen musste, Künstlerin werden zu können, sondern sie stößt andere Türen auf. Nach 1919 arbeitet sie in der Weimarer Republik als Zeichnerin und - das ist eine Sensation: sie kann davon leben, weil ihre Zeichnungen in der illustrierten Presse gedruckt wurden."
Rainer Stamm, der Direktor des Paula Modersohn-Becker Museums in der Bremer Böttcherstraße, legt Wert auf diesen nicht nur quantitativen, in Reichsmark und Pfennig zu beziffernden Unterschied zwischen beiden Künstlerinnen. Sie gehört schon einer qualitativ anderen Generation an: Dies wird auch an der Selbstverständlichkeit deutlich, mit der Jeanne Mammen das Bild der Frau in den Blick nahm. Ihre Skizzenbücher fangen die ganze Bandbreite des Alltagslebens von Brüssel ein, erst dann wird sie auf den Schwulst des belgischen Symbolismus aufmerksam und zollt den männlichen Vorbildern Rops, Knopff und Ensor einen gewissen Tribut. Doch dann - zurück in ihrer Geburtstadt Berlin - dreht sie richtig auf: Im verschwiegenen Dickicht der Reichshauptstadt entdeckt und protokolliert sie, wie sich die "Kunstseidenen Mädchen" der neuen Angestellten- und Vergnügungs-Kultur entfalten und entblättern, auf Tanzböden, in Transvestiten-Lokalen, in Comme-des-Garçons-Moden und Karneval-Kostümen.
"Jeanne Mammen hat flanierend ihre Zeit aufgefangen und in Skizzen und Aquarelle übersetzt. Sie beobachtet ihre Zeit, sie schreibt selber in ihren autobiografischen Fragmenten, sie wollte 'nur ein Paar Augen sein', sich zurücknehmen, um ihre Zeit zu spiegeln. Und da ist sie brillant; sie zeigt uns Facetten der Weimarer Republik, die wir auch in den Werken von George Grosz und Otto Dix nicht finden."
Ohne ins rein Genrehafte abzugleiten, gelingt es der exzellenten Zeichnerin, deren Kolorit von Toulouse-Lautrec, über Pierre Bonnard bis zu Tamara de Lempicka changiert, einen sehr eigenen, irisierenden Zwischenton zu finden. Kurt Tucholsky, der Zeitgenosse mit dem scharfen Blick für die Schärfe der Anderen, wandte sich in der Weltbühne - hingerissen von ihren so fein wie spitz gemachten Illustrationen - persönlich an Jeanne Mammen:
Die zarten, duftigen Aquarelle, die Sie in Magazinen und Witzblättern veröffentlichen, überragen das undisziplinierte Geschmier der meisten Ihrer Zunftkollegen derart, dass man Ihnen eine Liebeserklärung schuldig ist. Ihre Figuren fassen sich sauber an, sie sind anmutig und herb dabei, und sie springen mit Haut und Haaren aus dem Papier.
Die von Tucholsky geortete anmutig-herbe Lebendigkeit der Kunst Jeanne Mammens schuldet sich nicht zuletzt der Scheu dieser Künstlerin, selbst in Erscheinung zu treten. Die wenigen Selbstbildnisse zeigen sie als sehr schlanke, schüchterne, eigensinnige, ja verstockte junge Frau, in Gruft-Schwarz gehüllt. Anders als ihre - nicht von männlicher Eitelkeit ganz freien - Kollegen Otto Dix und George Grosz scheint sie ganz hinter ihren Bildern zu verschwinden.
"Sie ist wirklich kontemporan, sie zeichnet ihre Zeit, aber sie stellt sich nie über ihre Sujets, sie ist auf Augenhöhe, sie macht nie lustig, sie hat nicht dieses Sarkastische, nicht die Bitterkeit von George Grosz, sondern zeigt uns ganz unbefangen, was sie in ihrer Zeit gesehen hat."
Mit dem Ausbruch der Barbarei 1933 verlor Jeanne Mammen, wie unzählige Andere auch, ihre Existenzgrundlage. 1932 hatte ein Kunstverleger wie Gurlitt sie gerade wahrgenommen, jenseits des schnöden Karikaturen-Handwerks - da musste sie auch schon wieder abtauchen in Brotarbeit. Sie überlebte NS- und Kriegszeit zwar, doch danach gelang es ihr nie mehr, was sie ein leben lang wollte, und was ihr in den Zwanzigern gelungen war: "von ihrer Zeit zu sein". Dass die Bremer Ausstellung ihre späten abstrakten Versuche nicht mehr zeigt, ist insofern nur konsequent.
"Jeanne Mammen hatte das Glück, dass sie in Paris aufgewachsen ist, sie konnte dort an der Académie Julien, später auch in Brüssel an der staatlichen Akademie lernen. Sie war also nicht eine, die überhaupt noch darum ringen musste, Künstlerin werden zu können, sondern sie stößt andere Türen auf. Nach 1919 arbeitet sie in der Weimarer Republik als Zeichnerin und - das ist eine Sensation: sie kann davon leben, weil ihre Zeichnungen in der illustrierten Presse gedruckt wurden."
Rainer Stamm, der Direktor des Paula Modersohn-Becker Museums in der Bremer Böttcherstraße, legt Wert auf diesen nicht nur quantitativen, in Reichsmark und Pfennig zu beziffernden Unterschied zwischen beiden Künstlerinnen. Sie gehört schon einer qualitativ anderen Generation an: Dies wird auch an der Selbstverständlichkeit deutlich, mit der Jeanne Mammen das Bild der Frau in den Blick nahm. Ihre Skizzenbücher fangen die ganze Bandbreite des Alltagslebens von Brüssel ein, erst dann wird sie auf den Schwulst des belgischen Symbolismus aufmerksam und zollt den männlichen Vorbildern Rops, Knopff und Ensor einen gewissen Tribut. Doch dann - zurück in ihrer Geburtstadt Berlin - dreht sie richtig auf: Im verschwiegenen Dickicht der Reichshauptstadt entdeckt und protokolliert sie, wie sich die "Kunstseidenen Mädchen" der neuen Angestellten- und Vergnügungs-Kultur entfalten und entblättern, auf Tanzböden, in Transvestiten-Lokalen, in Comme-des-Garçons-Moden und Karneval-Kostümen.
"Jeanne Mammen hat flanierend ihre Zeit aufgefangen und in Skizzen und Aquarelle übersetzt. Sie beobachtet ihre Zeit, sie schreibt selber in ihren autobiografischen Fragmenten, sie wollte 'nur ein Paar Augen sein', sich zurücknehmen, um ihre Zeit zu spiegeln. Und da ist sie brillant; sie zeigt uns Facetten der Weimarer Republik, die wir auch in den Werken von George Grosz und Otto Dix nicht finden."
Ohne ins rein Genrehafte abzugleiten, gelingt es der exzellenten Zeichnerin, deren Kolorit von Toulouse-Lautrec, über Pierre Bonnard bis zu Tamara de Lempicka changiert, einen sehr eigenen, irisierenden Zwischenton zu finden. Kurt Tucholsky, der Zeitgenosse mit dem scharfen Blick für die Schärfe der Anderen, wandte sich in der Weltbühne - hingerissen von ihren so fein wie spitz gemachten Illustrationen - persönlich an Jeanne Mammen:
Die zarten, duftigen Aquarelle, die Sie in Magazinen und Witzblättern veröffentlichen, überragen das undisziplinierte Geschmier der meisten Ihrer Zunftkollegen derart, dass man Ihnen eine Liebeserklärung schuldig ist. Ihre Figuren fassen sich sauber an, sie sind anmutig und herb dabei, und sie springen mit Haut und Haaren aus dem Papier.
Die von Tucholsky geortete anmutig-herbe Lebendigkeit der Kunst Jeanne Mammens schuldet sich nicht zuletzt der Scheu dieser Künstlerin, selbst in Erscheinung zu treten. Die wenigen Selbstbildnisse zeigen sie als sehr schlanke, schüchterne, eigensinnige, ja verstockte junge Frau, in Gruft-Schwarz gehüllt. Anders als ihre - nicht von männlicher Eitelkeit ganz freien - Kollegen Otto Dix und George Grosz scheint sie ganz hinter ihren Bildern zu verschwinden.
"Sie ist wirklich kontemporan, sie zeichnet ihre Zeit, aber sie stellt sich nie über ihre Sujets, sie ist auf Augenhöhe, sie macht nie lustig, sie hat nicht dieses Sarkastische, nicht die Bitterkeit von George Grosz, sondern zeigt uns ganz unbefangen, was sie in ihrer Zeit gesehen hat."
Mit dem Ausbruch der Barbarei 1933 verlor Jeanne Mammen, wie unzählige Andere auch, ihre Existenzgrundlage. 1932 hatte ein Kunstverleger wie Gurlitt sie gerade wahrgenommen, jenseits des schnöden Karikaturen-Handwerks - da musste sie auch schon wieder abtauchen in Brotarbeit. Sie überlebte NS- und Kriegszeit zwar, doch danach gelang es ihr nie mehr, was sie ein leben lang wollte, und was ihr in den Zwanzigern gelungen war: "von ihrer Zeit zu sein". Dass die Bremer Ausstellung ihre späten abstrakten Versuche nicht mehr zeigt, ist insofern nur konsequent.