Stefan Koldehoff: "Gemeinsam gegen den neuen Totalitarismus, den Islamismus", so ist ein Manifest überschrieben, das heute verschiedene deutsche Tageszeitungen nachdrucken und das ursprünglich im französischen Wochenmagazin "Charlie Hebdo" veröffentlicht worden war. In dieser Denkschrift rufen die Unterzeichner zu einem Kampf für die universellen Werte und zu einem Kampf der Demokraten gegen die Theokraten auf. Die Unterzeichner, das sind unter anderem Schriftsteller und Philosophen wie Bernard-Henri Levy, Taslima Nasreen, Salman Rushdie und Antoine Sfeir. Deutsche Autoren sind für diesen Aufruf nicht um ihre Unterschrift gebeten worden. An den Schriftsteller Peter Härtling deshalb die Frage: Hätten Sie denn unterschrieben?
Peter Härtling: Nein. Nein, das bin ich nicht. Ich hätte vielleicht sogar oder wahrscheinlich sogar Nein gesagt. Denn seit einiger Zeit unterschreibe ich keine Manifeste und Resolutionen mehr. Denn deren Sinn, ist mir allmählich klar geworden, den gibt es eigentlich nicht. Das ist ein Schreien in den Wald.
Koldehoff: Und ist das immer gewesen? Oder hat sich inzwischen zu einem unerhörten Schreien in den Wald entwickelt?
Härtling: Ja es ist wahrscheinlich immer so gewesen. Aber in einer Zeit, beispielsweise in den 50er und 60er Jahren, als sehr vieles neu war, eine neue Diskussion über die Wiederbewaffnung im Bundestag damals, über das neue Heer und so weiter, da konnte man noch wirklich beherzt unterschreiben. Und da wusste man, dass darüber diskutiert wird. Während jetzt bei den Resolutionen und Manifesten gibt es bereits eine Harthörigkeit. Das ist so wie bei der Impfung gegen Viren, die nicht mehr funktioniert.
Koldehoff: Warum nicht? Weil die Stimme der Intellektuellen nicht mehr gehört wird? Oder weil diese Stimme untergeht im vielstimmig gewordenen Konzert der Medien, des Internets und und und?
Härtling: Das Konzert der Medien ist zu vielstimmig geworden, so dass eine Stimme oder die Stimme von ein paar wenigen, die wenig unterstützt wird, nicht gehört wird.
Koldehoff: Mich erinnert so ein Manifest - so sinnvoll viele seiner Sätze sein mögen - immer so ein wenig an das Pfeifen im Keller. Empfinden Sie das auch so?
Härtling: Ja, ja. Ja gut, ich pfeife manchmal in meinem Zimmer und nicht im Keller. Und dann pfeife ich vor mich hin, wenn ich sehe, das hat keine Folgen. Was ich unterschreiben müsste, hat keine Folgen. Und das macht einen auch traurig.
Koldehoff: Nun sind ja die Menschen, die das aktuelle Manifest geschrieben haben, durchaus geistige Größen.
Härtling: Aber gewiss, ja.
Koldehoff: Da hat unterschrieben, unter anderem, Herr Levy, da hat geschrieben Salman Rushdie, da hat unterschrieben Antoine Sfeir und und und. Warum tun die das denn wohl?
Härtling: Es könnte sein, dass es ein Gespräch unter diesen Unterzeichnern war, wo man sich dann sagte: Du hast ja Recht, wir müssen etwas tun. Und man fragt sich dann nicht: Was geschieht mit dem, was wir getan haben? Sondern man fragt sich: Kann man unsere Gemeinsamkeit deutlich machen?
Koldehoff: Gäbe es denn andere, gäbe es dem Jahr 2006 angemessenere Formen als die eines Manifestes, wenn man denn tatsächlich den Eindruck hat, man müsste jetzt etwas tun?
Härtling: Also ein Manifest beispielsweise gegen Diktaturen, gegen Totalitarismus hat für mich auch deswegen wenig Sinn, weil Leute, die Diktaturen errichten, die Diktaturen dienen, totalitären Staaten dienen, so etwas gar nicht hören werden. Sie denken gar nicht daran. Sie verfolgen eher die, die sich dagegen wehren. Und da sitze ich hilflos da.
Koldehoff: Botho Strauss hat in einem Essay im "SPIEGEL" formuliert, diese Drohungen, die von Islamisten kommen gegen die westliche Gesellschaft, die könnten doch wenigstens dazu führen, dass wir uns wieder dessen vergewissern, was wir selbst für verteidigenswert halten. Haben Sie denn das Gefühl, dass unter deutschen Intellektuellen, die ja eigentlich immer sehr schnell mit Äußerungen bei der Hand sind - also wenn ich daran denke, wie, ja, fast automatisch vor jeder Bundestagswahl Appelle von Herrn Grass und Herrn Staeck und und und mit langen Unterschriftenlisten veröffentlicht werden, dann geht das immer sehr schnell. Haben Sie denn das Gefühl, dass in der deutschen Intelligenz im Moment debattiert wird über diese mögliche Bedrohung der westlichen Werte?
Härtling: Ja. Ich diskutiere öfter auch mit Freunden, mit so genannten Intellektuellen und Kollegen über dieses Grundproblem, nicht? Die Auseinandersetzung zwischen kulturellen Vorstellungen. Dies alles sollte uns schon nachdenklich stimmen. Aber ich glaube nicht, dass da Rufe vom Turm helfen, sondern Nachdenken im Turm. Und, schlicht und einfach, die Realität, die wir lebend herstellen. Und schreibend herstellen. Und mit Bildern herstellen. Und auch im Glauben herstellen. Das sind die Gegensätze, die man schaffen müsste.
Peter Härtling: Nein. Nein, das bin ich nicht. Ich hätte vielleicht sogar oder wahrscheinlich sogar Nein gesagt. Denn seit einiger Zeit unterschreibe ich keine Manifeste und Resolutionen mehr. Denn deren Sinn, ist mir allmählich klar geworden, den gibt es eigentlich nicht. Das ist ein Schreien in den Wald.
Koldehoff: Und ist das immer gewesen? Oder hat sich inzwischen zu einem unerhörten Schreien in den Wald entwickelt?
Härtling: Ja es ist wahrscheinlich immer so gewesen. Aber in einer Zeit, beispielsweise in den 50er und 60er Jahren, als sehr vieles neu war, eine neue Diskussion über die Wiederbewaffnung im Bundestag damals, über das neue Heer und so weiter, da konnte man noch wirklich beherzt unterschreiben. Und da wusste man, dass darüber diskutiert wird. Während jetzt bei den Resolutionen und Manifesten gibt es bereits eine Harthörigkeit. Das ist so wie bei der Impfung gegen Viren, die nicht mehr funktioniert.
Koldehoff: Warum nicht? Weil die Stimme der Intellektuellen nicht mehr gehört wird? Oder weil diese Stimme untergeht im vielstimmig gewordenen Konzert der Medien, des Internets und und und?
Härtling: Das Konzert der Medien ist zu vielstimmig geworden, so dass eine Stimme oder die Stimme von ein paar wenigen, die wenig unterstützt wird, nicht gehört wird.
Koldehoff: Mich erinnert so ein Manifest - so sinnvoll viele seiner Sätze sein mögen - immer so ein wenig an das Pfeifen im Keller. Empfinden Sie das auch so?
Härtling: Ja, ja. Ja gut, ich pfeife manchmal in meinem Zimmer und nicht im Keller. Und dann pfeife ich vor mich hin, wenn ich sehe, das hat keine Folgen. Was ich unterschreiben müsste, hat keine Folgen. Und das macht einen auch traurig.
Koldehoff: Nun sind ja die Menschen, die das aktuelle Manifest geschrieben haben, durchaus geistige Größen.
Härtling: Aber gewiss, ja.
Koldehoff: Da hat unterschrieben, unter anderem, Herr Levy, da hat geschrieben Salman Rushdie, da hat unterschrieben Antoine Sfeir und und und. Warum tun die das denn wohl?
Härtling: Es könnte sein, dass es ein Gespräch unter diesen Unterzeichnern war, wo man sich dann sagte: Du hast ja Recht, wir müssen etwas tun. Und man fragt sich dann nicht: Was geschieht mit dem, was wir getan haben? Sondern man fragt sich: Kann man unsere Gemeinsamkeit deutlich machen?
Koldehoff: Gäbe es denn andere, gäbe es dem Jahr 2006 angemessenere Formen als die eines Manifestes, wenn man denn tatsächlich den Eindruck hat, man müsste jetzt etwas tun?
Härtling: Also ein Manifest beispielsweise gegen Diktaturen, gegen Totalitarismus hat für mich auch deswegen wenig Sinn, weil Leute, die Diktaturen errichten, die Diktaturen dienen, totalitären Staaten dienen, so etwas gar nicht hören werden. Sie denken gar nicht daran. Sie verfolgen eher die, die sich dagegen wehren. Und da sitze ich hilflos da.
Koldehoff: Botho Strauss hat in einem Essay im "SPIEGEL" formuliert, diese Drohungen, die von Islamisten kommen gegen die westliche Gesellschaft, die könnten doch wenigstens dazu führen, dass wir uns wieder dessen vergewissern, was wir selbst für verteidigenswert halten. Haben Sie denn das Gefühl, dass unter deutschen Intellektuellen, die ja eigentlich immer sehr schnell mit Äußerungen bei der Hand sind - also wenn ich daran denke, wie, ja, fast automatisch vor jeder Bundestagswahl Appelle von Herrn Grass und Herrn Staeck und und und mit langen Unterschriftenlisten veröffentlicht werden, dann geht das immer sehr schnell. Haben Sie denn das Gefühl, dass in der deutschen Intelligenz im Moment debattiert wird über diese mögliche Bedrohung der westlichen Werte?
Härtling: Ja. Ich diskutiere öfter auch mit Freunden, mit so genannten Intellektuellen und Kollegen über dieses Grundproblem, nicht? Die Auseinandersetzung zwischen kulturellen Vorstellungen. Dies alles sollte uns schon nachdenklich stimmen. Aber ich glaube nicht, dass da Rufe vom Turm helfen, sondern Nachdenken im Turm. Und, schlicht und einfach, die Realität, die wir lebend herstellen. Und schreibend herstellen. Und mit Bildern herstellen. Und auch im Glauben herstellen. Das sind die Gegensätze, die man schaffen müsste.