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Nur ein Telefongespräch

Das 15-minütige Telefongespräch zwischen US-Präsident Obama und seinem iranischen Kollegen hat ein drei Jahrzehnte langes Schweigen beendet. Doch für einen echten Wandel in ihrer alten Heimat ist weit mehr nötig, als eine Rede bei den Vereinten Nationen und ein kurzes Telefonat. Da sind sich Exil-Iraner in Los Angeles einig.

Von Wolfgang Stuflesser, ARD Los Angeles |
    Tehrangeles – die Kurzform aus Teheran und Los Angeles – ist eine kleine Welt für sich. Der "Persian Square", der persische Platz im Westen der Millionenmetropole Los Angeles. Die Autos haben kalifornische Nummernschilder, doch sonst erinnert vieles eher an den Iran: An den Geschäften hängen Firmenschilder in arabischer Schrift, viele Passanten sprechen Farsi und in den Lebensmittel-Läden gibt es Lammfleisch, Oliven und Fladenbrot.

    Fargol und Hamíd Hassáni sind gerade zu Besuch aus dem Iran. Fargol begleitet ihren Mann Hamíd, der an einer Konferenz für Elektrotechniker teilnimmt. Die Nachricht vom Telefonat der beiden Präsidenten Obama und Ruhani hat sie kurz nach ihrer Ankunft in den USA erreicht.

    Sie sei sehr glücklich gewesen, sagt Fargol, als sie davon gehört habe. Das alles könne eine Menge Dinge im Iran zum Besseren wenden.

    Tatsächlich hat der amerikanische Außenminister Kerry schon ein baldiges Ende der wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran in Aussicht gestellt. Wenn Präsident Ruhani seinen Worten Taten folgen lässt.

    Hamid glaubt, der neue Präsident habe die Macht dazu. Allerdings liege es nun an den westlichen Staaten zu entscheiden, ob sie tatsächlich Beziehungen zum Iran wollen – oder nicht.

    Die Exil-Iranerin Toofan – ihren Nachnahmen will sie nicht nennen – sieht das Telefonat dagegen kritisch. Sie hat den Iran schon vor fast 30 Jahren verlassen, nicht lange nach der Revolution, als ihr Mann, wie sie erzählt, von der muslimischen Regierung getötet wurde. Anlass zur Hoffnung durch Präsident Ruhanis Auftritt in New York sieht sie wenig.

    "Sie glauben, Ahmadinedschad ist weg? Rohani ist besser? Nein, das ist alles dieselbe Gang. Nicht ist hat sich geändert für mein Land und für mein Volk.""

    Sie zeigt ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie sie vorige Woche vor dem UNO-Gebäude in New York gegen Ruhani demonstriert. Sie sei extra hingereist, sagt sie, so wichtig war ihr der Protest. Das Telefonat zwischen Obama und Ruhani kommt für sie einer Verhandlung mit einem Terroristen gleich.

    Unser Gespräch findet in der Buchhandlung Ketab statt. Es ist die vermutlich größte iranische Buchhandlung der Welt – das Sortiment ist umfangreicher, als es im Iran selbst sein könnte, weil hier auch Titel in den Regalen stehen, die im Iran unter die Zensur fielen. Etwa wissenschaftlich ausgewogene Biografien von Reza Pahlavi, dem letzten iranischen Schah vor der Revolution. Midi Aghazamani ist regelmäßig hier: Er ist Journalist und gibt eine Zeitschrift für Exil-Iraner heraus. Auch er hat die Nachrichten vom Telefonat der beiden Präsidenten genau verfolgt:

    ""Das ist kein Gespräch zwischen zwei Präsidenten, sondern zwischen zwei politischen Systemen: Demokratie in den USA und Diktatur im Iran. Das amerikanische Volk sollte wissen: Im Iran ist der Präsident nicht der politische Führer, sondern Ayatollah Ali Chamenei hat als oberster Geistlicher das erste und letzte Wort. Beide, Ahmadinedschad oder Ruhani, sind Puppen in seiner Hand."

    Ruhanis Rede vor der UNO und das Telefonat der beiden Präsidenten mag in vielen Medien als Zeichen der Hoffnung gewertet werden – hier in Tehrangeles ist das Misstrauen gegen den neuen iranischen Führer offenbar immer noch groß. Kein Wunder, viele hier haben durch die islamische Revolution Verwandte verloren, mussten alles Hab und Gut zurücklassen und sahen nur in der Flucht einen Ausweg.

    Seit 20 Tagen sei er in den USA, erzählt Nadir, der gerade auf den Bus wartet. Er habe den Iran für immer verlassen, sagt er, nachdem er dort im Gefängnis gesessen habe. Er sieht das größte Problem für seine Heimat weniger in der Beziehung zu den USA als zu Israel. Und er nimmt den Iran ebenso wie Israel in die Pflicht.

    "Beide Länder müssen etwas tun für den Frieden im Mittleren Osten. Im Moment spielen sie nur miteinander. Es ist, als würden sie Karten spielen – und die Leute müssen zahlen."

    Auch wenn Präsident Ruhani erste Zeichen einer möglichen neuen Haltung des Iran sichtbar werden lässt: Bis die Exil-Iraner in Los Angeles an einen echten Wandel in ihrer alten Heimat glauben, wird weit mehr nötig sein als eine Rede bei den Vereinten Nationen und ein kurzes Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten.