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Nur eine "kreative Pause"?

Schossig: Nun soll einfach Schluss sein? Kommentare von Harald Schmidt oder aus seinem Team sind heute nirgends zu haben gewesen. Daher habe ich vor der Sendung Mariam Lau, die Biografin von Harald Schmidt, gefragt. Eine kreative Pause, habe ich gefragt, klingt gut. Acht Jahre macht er das schon. Eine solche mittlerweile ja tägliche Talkshow zerrt dann vielleicht doch so an den Nerven und Kräften, dass er damit Schluss machen muss?

Helge Malchow, Verleger von Harald Schmidt bei Kiepenheuer und Witsch |
    Lau: Ich habe den Eindruck, der Dampf ist raus. Die Show kocht mehr oder weniger im eigenen Saft. Es bezieht sich alles immer nur noch um Andrag, die Urlaubspläne des Teams und um das Klassenbuch, und so weiter. Man spielt also den Ball immer im Studio hin und her und kommt nicht mehr richtig zu dem, was die Show einmal ausgemacht hat, nämlich wirklich auf Ereignisse intelligent zu reagieren. Ich glaube, damit ist Harald Schmidt einfach selber nicht mehr zufrieden.

    Schossig: Harald Schmidt also am Ende? Das war Mariam Lau, die Autorin der in diesem Jahr erschienenen Harald-Schmidt-Biografie. Frage nun an Helge Malchow, den Verleger von Harald Schmidt bei Kiepenheuer und Witsch. Kann es denn sein, dass Harald Schmidt und sein Team ein Burnout-Syndrom haben?

    Malchow: Nein, meines Erachtens ganz und gar nicht. Soweit ich die Sendungen verfolgt habe, hat sich ja die Bissigkeit und die Schärfe seiner täglichen Interventionen in den letzten Jahren ständig gesteigert. Darüber hinaus weiß ich auch von ihm selbst, da er ja auch Autor des Verlages Kiepenheuer und Witsch ist, dass er keinesfalls geplagt war von Gefühlen des Überdrusses oder des Nachlassens der Spannkraft, oder wie man es auch immer nennen will. Im Gegenteil hat er sogar ja in den letzten Monaten die Sendung noch erweitert mit dem Montagsauftritt. Im Gespräch mit mir hat er immer darauf hingewiesen, dass es keinesfalls ein Projekt ist, das im nächsten oder übernächsten Jahr beendet sein wird.

    Schossig: Er wollte es dreißig Jahre lang machen.

    Malchow: Es war auf lange Zeit angelegt, und in diesem Punkt hat er sich immer mit den Amerikanern verglichen, mit Jay Leno und mit Letterman.

    Schossig: Was ist an dem Gerücht dran, Herr Malchow, dass Harald Schmidt mit Roger Schawinski, dem neuen SAT1-Chef nicht gut könne, und dass das diesen Grund habe.

    Malchow: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur feststellen, dass eine Beendigung der täglichen Sendung – ich weiß gar nicht, ob das offiziell bereits für alle Zeiten eine Beendigung bedeutet – einen großen Verlust darstellen würde für die öffentliche Kultur des Landes. So muss man das wohl sagen. Es gibt in Deutschland eigentlich niemanden, der so kontinuierlich die tägliche Zersetzungsarbeit betreibt, die notwendige Zersetzungsarbeit gegenüber dem, was an einem Tag an falschem Pathos verbreitet wird, an falscher Sinnstiftung im Sinnlosen. Das ist praktizierte Dekonstruktion an jedem Abend, ohne die man das, was man in den Medien erlebt, fast kaum aushalten kann.

    Schossig: Für so eine sensible Tätigkeit braucht es aber die richtigen Rahmenbedingungen. Man weiß ja, dass Harald Schmidt – er hat es selbst gesagt – mit dem Vorgänger von Schawinski, Martin Hoffmann, gut befreundet war. Könnte es nicht sein, dass ihm jetzt unter der neuen Leitung nichts mehr einfällt?

    Malchow: Das weiß ich nicht. Ob Herrn Schmidt etwas einfällt oder nicht – so weit kenne ich ihn -, hängt aber nicht davon ab, wer jetzt im Sender der jeweilige Besitzer oder der jeweilige Chef ist. Ich gehe einmal davon aus, dass die Kompetenz seiner Sendung und seiner Produktion sowieso über alle Zweifel erhaben und auch mit anderen Sendern kompatibel ist. Ich denke, dass wir Harald Schmidt in der Zukunft auf jeden Fall weiter erleben werden. Es ist doch wahrscheinlich einfach nur offen, in welcher Form.

    Schossig: Nicht eine kreative Pause also, sondern schon über andere Formen und Plattformen nachdenken?

    Malchow: Das weiß ich nicht. Sicher ist die Unterbrechung, die jetzt verkündet worden ist, durch äußere Anlässe ausgelöst worden. Welche das sind, kann ich nicht genau beurteilen. Ich weiß nur, dass das keine Unterbrechung ist, die auf sehr lange Zeit halten wird. Das, was Harald Schmidt tut, liebt er viel zu sehr. Er ist im Grunde genommen eine notwendige Instanz in einer Zeit, in der Politisches, Kulturelles, Sportliches in den Medien zu schlechter Unterhaltung gleichgeschaltet wird. Da braucht es einfach jemanden, der wie ein Virus mit guter Unterhaltung darauf reagiert. Diese Leerstelle, die da jetzt entstehen würde, kann eigentlich nur er ausfüllen. Ich glaube, das weiß er auch. Er macht es mit so viel Spaß, Einsatz und so viel Engagement, dass er das auch weiter betreiben wird.

    Schossig: Ein Verlust für die öffentliche Kultur der Republik. Das war Helge Malchow, Verleger bei Kiepenheuer und Witsch über die Hintergründe und Motive des Endes einer, ja DER Late-Night-Show, die Harald-Schmidt-Show. Sie endet am 28. beziehungsweise am 29. Dezember mit einem Jahresrückblick und einer Spezialausgabe, die am 08. Januar 2004 zum 20. Geburtstag von SAT1 nachgeliefert wird. Wir sind natürlich gespannt, wie diese Geschichte aus- und weitergeht.