Ja, querdenken ist schwer. Und Verantwortung übernehmen auch. Beides sucht Dietmar Schmid, der Vorstandsvorsitzende der BHF-Bank-Stiftung, unter den Künstlern, wie er im Eröffnungsgrußwort zu dem von seiner Stiftung initiierten Projekt der "Frankfurter Positionen" betonte. Dafür wurde er tüchtig gelobt von den Teilnehmern der Podiumsdiskussion, die unter dem wohl als provozierend gedachten, aber wenig glücklichen Titel: "Das Theater als (post-)moralische Anstalt" stand.
Doch das Gespräch zeigte vor allem, wie schwer es ist, tatsächlich "quer" - d.h. auch quer zum Mainstream - zu denken. Zu denken, dass es auch anders sein könnte als es ist. Ihrem Selbstverständnis nach tun die Theatermacher dies natürlich, die auf dem Podium unter sich waren: Frankfurts Schauspielintendantin Elisabeth Schweeger, die Regisseure Christof Nel und Armin Petras und der als Moderator eingeladene Theaterkritiker Peter Iden, der lieber nicht moderierte, sondern stichelte. Man arbeitete sich an unfruchtbaren Alternativen ab: ob, z.B., die Zuschauer auf dem Theater Geschichten erzählt bekommen wollen oder ob es besser sei, wenn man nach einer Vorstellung "als ein anderer" aus dem Theater kommt. Das schließt sich ja nicht aus, nur ging beim Schlagabtausch solcher Leitsätze unter, dass es v.a. auf das WIE der Darstellung ankommt, und darauf, welche Bereiche in einem Menschen berührt werden: seine Sensationslust, seine Neu-Gier, seine Gewaltphantasien, seine Freude an einer modisch durchgestylten Schauseite - oder seine Affekte. Christof Nel, der am wenigsten redete, hatte am meisten zu sagen. Theatermachen in einer veränderten Welt - das hieße nicht: Zertrümmern des Tradierten. Die Frage sei vielmehr: wie könne man es schaffen, im Zuschauer.
Das ist ein wirklich brauchbarer und wichtiger Maßstab, wenn man schon über das Gefallen und das Urteilen und Be-urteilen heute nachdenkt. Und es war auch Nel, der das "Lastende der Quote", die "Gefährdung durch den schleichenden Zwang zur Gefälligkeit" ins Spiel brachte. Die Quotenfrage führt in der Tat mitten hinein in das Titelthema aller Veranstaltungen der kommenden sechs Wochen: "Gut ist was gefällt" - zu versehen mit einem dicken Fragezeichen. Allzu oft nämlich orientieren sich Theatermacher heute, in Zeiten leerer Kassen, an dem, was sie aufgrund der (Fern-)Seherfahrung der Zuschauer für deren Erwartungen (auch) an das Theater halten. Aber auf dieses Problem gingen die anderen Mitdiskutierenden ebenso wenig ein wie auf die von Iden angesprochen sehr weitgehende politische Verantwortung des Theaters: seien doch die Bewahrung des Vergangenen, Perspektivenwechsel und immer wieder neue spielerische Verwandlung eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratie.
Am Abend dann auf dem Theater die Probe aufs Exempel: die Uraufführung von Fritz Katers (alias Armin Petras) Stück "abalon, one nite in Bangkok", inszeniert von Peter Kastenmüller. Nein, es blieb nicht stecken in der von Nel befürchteten bloßen Information über den Verlauf einer Geschichte, dazu blieb sie zu unscharf. Einer schneidet sich die Pulsadern auf, doch der mehr gehaßte als geliebte große Bruder rettet ihn. Ein Trip nach Bangkok (oder Taipeh oder Hongkong oderoder)- sei er real, Phantasiereise, Drogentrip oder Theatersuggestion, bringt beide Brüder in die Ferne, weg aus dem eigenen Leben. Dort treffen sie zwei Schwestern, es gibt beiderseits ein paar Überkreuzgefühle, viele Lebensbeichten, ungeklärte Unfälle und Verletzungen. Und am Ende ist der große Bruder (mit militärischer Vergangenheit) tot und der jüngere lächelt. Zum ersten Mal. Zwischen filmschnittartigen Blenden und aufflackernden, flimmernden, bisweilen beschleunigten, rasenden Projektionen auf zwei hintereinander hängenden, durchscheinenden Gazewänden findet die Kommunikation zwischen den Paaren aus einander fremden Kulturen statt: Gespräche voller Bekenntnisse aus der täglichen Misere und persönlichen Untröstlichkeit - aber in zwei Sprachen, deutsch und chinesisch, teilübersetzt von einem roten Drachen; manche Sätze werden auch zum Mitlesen auf den Aushang projiziert. Das bleibt denn doch in den Stereotypen der Fremdheit hängen - auch wenn die beiden jungen Gastdarstellerinnen aus Taiwan wahrhaft meisterliche Schauspielerinnen sind.
Doch das Gespräch zeigte vor allem, wie schwer es ist, tatsächlich "quer" - d.h. auch quer zum Mainstream - zu denken. Zu denken, dass es auch anders sein könnte als es ist. Ihrem Selbstverständnis nach tun die Theatermacher dies natürlich, die auf dem Podium unter sich waren: Frankfurts Schauspielintendantin Elisabeth Schweeger, die Regisseure Christof Nel und Armin Petras und der als Moderator eingeladene Theaterkritiker Peter Iden, der lieber nicht moderierte, sondern stichelte. Man arbeitete sich an unfruchtbaren Alternativen ab: ob, z.B., die Zuschauer auf dem Theater Geschichten erzählt bekommen wollen oder ob es besser sei, wenn man nach einer Vorstellung "als ein anderer" aus dem Theater kommt. Das schließt sich ja nicht aus, nur ging beim Schlagabtausch solcher Leitsätze unter, dass es v.a. auf das WIE der Darstellung ankommt, und darauf, welche Bereiche in einem Menschen berührt werden: seine Sensationslust, seine Neu-Gier, seine Gewaltphantasien, seine Freude an einer modisch durchgestylten Schauseite - oder seine Affekte. Christof Nel, der am wenigsten redete, hatte am meisten zu sagen. Theatermachen in einer veränderten Welt - das hieße nicht: Zertrümmern des Tradierten. Die Frage sei vielmehr: wie könne man es schaffen, im Zuschauer.
Das ist ein wirklich brauchbarer und wichtiger Maßstab, wenn man schon über das Gefallen und das Urteilen und Be-urteilen heute nachdenkt. Und es war auch Nel, der das "Lastende der Quote", die "Gefährdung durch den schleichenden Zwang zur Gefälligkeit" ins Spiel brachte. Die Quotenfrage führt in der Tat mitten hinein in das Titelthema aller Veranstaltungen der kommenden sechs Wochen: "Gut ist was gefällt" - zu versehen mit einem dicken Fragezeichen. Allzu oft nämlich orientieren sich Theatermacher heute, in Zeiten leerer Kassen, an dem, was sie aufgrund der (Fern-)Seherfahrung der Zuschauer für deren Erwartungen (auch) an das Theater halten. Aber auf dieses Problem gingen die anderen Mitdiskutierenden ebenso wenig ein wie auf die von Iden angesprochen sehr weitgehende politische Verantwortung des Theaters: seien doch die Bewahrung des Vergangenen, Perspektivenwechsel und immer wieder neue spielerische Verwandlung eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratie.
Am Abend dann auf dem Theater die Probe aufs Exempel: die Uraufführung von Fritz Katers (alias Armin Petras) Stück "abalon, one nite in Bangkok", inszeniert von Peter Kastenmüller. Nein, es blieb nicht stecken in der von Nel befürchteten bloßen Information über den Verlauf einer Geschichte, dazu blieb sie zu unscharf. Einer schneidet sich die Pulsadern auf, doch der mehr gehaßte als geliebte große Bruder rettet ihn. Ein Trip nach Bangkok (oder Taipeh oder Hongkong oderoder)- sei er real, Phantasiereise, Drogentrip oder Theatersuggestion, bringt beide Brüder in die Ferne, weg aus dem eigenen Leben. Dort treffen sie zwei Schwestern, es gibt beiderseits ein paar Überkreuzgefühle, viele Lebensbeichten, ungeklärte Unfälle und Verletzungen. Und am Ende ist der große Bruder (mit militärischer Vergangenheit) tot und der jüngere lächelt. Zum ersten Mal. Zwischen filmschnittartigen Blenden und aufflackernden, flimmernden, bisweilen beschleunigten, rasenden Projektionen auf zwei hintereinander hängenden, durchscheinenden Gazewänden findet die Kommunikation zwischen den Paaren aus einander fremden Kulturen statt: Gespräche voller Bekenntnisse aus der täglichen Misere und persönlichen Untröstlichkeit - aber in zwei Sprachen, deutsch und chinesisch, teilübersetzt von einem roten Drachen; manche Sätze werden auch zum Mitlesen auf den Aushang projiziert. Das bleibt denn doch in den Stereotypen der Fremdheit hängen - auch wenn die beiden jungen Gastdarstellerinnen aus Taiwan wahrhaft meisterliche Schauspielerinnen sind.