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Nur selten riecht es etwas streng

Tiere häuten, das Fell gerben, das Fleisch entfernen, den Körper detailgetreu nachbauen - das gehört zu Werner Beckmanns Job als Tierpräparator im Naturkundemuseum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Münster.

Von Sylvia Gräber | 01.01.2011
    "Tiere der Bibel" heißt die aktuelle Ausstellung. Eine Schülergruppe betrachtet gerade zwei Kamele. Dass dahinter ein richtiger Beruf steht, machen sich die Wenigsten klar:

    "Ist bestimmt Originalgröße. Also ich find´s nicht schlecht. Das ist schon eine Leistung."
    "Ja, die sehen echt aus, ne."
    "Kann man sich gut vorstellen, dass die so gelebt haben."
    Ja, was soll ich dazu sagen, ist besser als im Museum.
    "Wir sind im Museum."

    Naturgetreu und lebensecht - da kann man schon mal Zeit und Raum vergessen. Tierpräparator Werner Beckmann freut sich, wenn seine Werke so gut ankommen. Und er beschreibt gerne, wie er sie macht: Das Tier häuten, das Fell gerben, das Fleisch entfernen und den Körper detailgetreu nachbauen.

    "Und über diesen künstlichen Körper zieht man dann die gegerbte Haut, also das Originalfleisch ist gar nicht mehr da, also nichts mehr, ist nur noch die Haut vorhanden, und die Augen werden aus Glas gemacht."

    "Ja, weil´s sonst gammelt auf Deutsch gesagt, ja, anders kann man´s nicht sagen."

    Seit 40 Jahren schon erweckt Werner Beckmann tote Tiere zu ewigem Leben - aus Leidenschaft. Tierpräparator, das war sein Traumberuf - schon immer.

    "Ich bin sehr ländlich aufgewachsen, wir hatten eine Wassermühle zu Hause, mein Vater war Müller, und von der Natur umgeben hat mich die Natur immer mehr fasziniert als eigentlich die Schule. Und das Faszinierende ist, dass man täglich was Neues vor sich hat. Es können Tiere sein, es können Modelle sein, jedes Ding ist einzigartig, und das macht unseren Beruf so spannend."

    Er liebt Tiere, studiert ihre Anatomie und weiß über Knochenbau und Bewegungsabläufe mehr als mancher Biologe. Zwar sieht er die Tiere lieber lebendig, doch das Zerlegen macht ihm trotzdem keine Schwierigkeiten:

    "Was mich immer abgestoßen hat, war, wenn Tiere gequält wurden oder diese verrückten Tiertransporte und wie da mit den Tieren umgegangen wird. Aber wenn wir ein Tier abhäuten, dann ist das für mich überhaupt kein Problem. Wenn wir Tiere bekommen, woraus dann Skelette gebaut werden sollen, die ziemlich verfault sind schon und streng riechen, ja, dann ist es eine kleine Überwindung, aber selbst das geht nach einigen Minuten verloren, dann riecht man es nicht mehr. Nur neu Hinzukommende, die fallen wahrscheinlich hinten rüber, weil sie´s nicht ertragen können."

    So erging es seiner Museumskollegin Friederike Ehne, als sie mal zuschauen wollte:

    "Dann ist das - trotzdem ich die Luft angehalten habe - in meinen Mund gestiegen, dieser Geruch, und ich hab das trotzdem gerochen, also das war ziemlich ekelig."

    Aber das kommt zum Glück nur selten vor. Wie wird man eigentlich Tierpräparator? Man macht eine handwerkliche Ausbildung und geht dann zur Präparatorenschule in Bochum. Doch Jobs in Museen sind heutzutage selten, sagt Beckmann, der Festangestellte.

    Auch freie Präparatoren haben schon bessere Zeiten gesehen, sagt Thomas Strunk, der Selbstständige. Er führt einen Familienbetrieb in Münster. Reich wird man damit nicht, aber es ist immer was zu tun:

    "Vor 'ner halben Stunde hatte ich 'nen Anruf: da ist heute eine Katze verstorben. Und der überlegt sich jetzt, ob er die machen lässt oder nicht."

    Strunk hat Stamm- und Laufkundschaft. Jäger, Sammler und Tierfreunde, die ihm Aufträge bringen oder gleich ein Ausstellungsstück kaufen.

    "Ein ausgestopftes Huhn. Ich mag Hühner sehr gerne, aber ich hab nicht die Möglichkeit, mir selber welche zu halten. Und dann möchte ich wenigstens ein ausgestopftes zu Hause haben."

    "Wir haben gestern Nachmittag 'nen Fuchs geschossen, ja und weil der Fuchs eine schöne Trophäe ist, lässt man ihn gerben und benutzt ihn dann auch dementsprechend. Als Decke oder als Mantelinnenfutter."

    "'N Kleener, so sieht er aus, ist ja das beste Winterhaar, kalt genug isses ja."

    Im Museum präpariert Werner Beckmann derweil eine Schleiereule. Sie wurde im Garten einer Kindertagesstätte gefunden und bei ihm abgegeben.

    "In den letzten Tagen haben wir schon sieben tot Schleiereulen bekommen, das ist eine ganze Menge. Die Eule ist einfach regelrecht verhungert, aber das ist Natur, so ist das eben."

    Zum Arbeitsmaterial gehören Holzwolle und Draht, Gips und verschiedene Kunststoffe. Die Werkzeuge sind Säge und Bohrer - oder Schere, Skalpell und Pinzette. Zum Aufbereiten der Eule - für die nächste Ausstellung - braucht er Fingerspitzengefühl, gelegentlich auch Kraft.

    "Ist man zu zimperlich, dann kriegt man die Haut nicht runter, und wenn man zu grobmotorisch ist, dann kann die Haut reißen. Also man muss so'n Mittelding haben, aber das kann man üben, das lernt man auch im Laufe der Jahr natürlich. Und diese Schleiereule, die wird hinterher in dieser Ausstellung 'Bionik' zu sehen sein. Und an dieser Schleiereule werden künstliche Menschenohren angebracht, damit der Betrachter sehen kann, dass die Schleiereulen ihre Ohren auf unterschiedlicher Höhe haben."

    Erstaunlich! Wer hätte das gedacht? Und so hat es Werner Beckmann in seinem Job auch mal mit Menschen zu tun - allerdings quicklebendigen. Seine Kollegin Friederike Ehne ist das Modell fürs Menschenohr.