Oliver Schmitt stochert im Sand, könnte man sagen. Er untersucht eine Kultur, die aus der Wüste kam. Der Althistoriker erforscht die antike Geschichte der Nomaden im Vorderen Orient: der arabischen Stammesverbände, die je nach Jahreszeit zwischen der besiedelten Küste in Syrien und Palästina und der Wüste hin und her wechselten. Auf ihren Wanderungen haben sie sehr wenig Spuren hinterlassen - und das bereitet Dr. Schmitt Kopfzerbrechen.
"Das waren Hirten, die von den Erträgen ihrer Herden lebten. Von ihrer Milch in erster Linie, natürlich auch von ihrem Fleisch, und ansonsten mussten sie halt mit dem vorlieb nehmen, was sie in der Wüste fanden: Honig, Heuschrecken, Wurzeln und eben das Fleisch, was sie erjagen konnten. Die Wüsen-Steppe war ja damals durchaus wildreich, das heißt, es gab große Herden von Wildtieren, Gazellen, wilde Esel, Wildgeflügel, das eben auch eine wesentliche Ernährungsbasis für die dort umher ziehende Bevölkerung bildete. "
Ackerbau betrieben sie auf Nomaden-Art: Sie säten an geeigneten Stellen Getreide aus und wenn sie wieder vorbei kamen, sammelten sie ein, was dort gewachsen war.
"Mit den Datteln an den entsprechenden Hainen wurde es ähnlich gemacht. Also eine Form von Landbestellung, die auch mit einer nomadischen Lebensweise vereinbar war."
Die Hirtenstämme spielten in der multi-ethnischen Bevölkerung des Nahen Ostens für Jahrhunderte eine wichtige Rolle. Das Projekt von Oliver Schmitt und seinen Kollegen an der Universität Halle ist daher Teil eines Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Verhältnis von Nomaden und Sesshaften.
Die antike Stammesgeschichte der arabischen Nomaden hat bisher niemand geschrieben. Schmitt wertet die Aufzeichnungen griechischer und römischer Historiker aus - darin tauchen sie allerdings nur am Rande auf. Auch die Archäologie liefert kaum Hilfe, denn den Scherben eines Tontopfs, einer Pfeilspitze, auch den Ruinen eines Hauses sieht man nicht an, ob sie einst vielleicht von Nomaden benutzt wurden. Immerhin haben sie selbst einige spärliche Notizen hinterlassen: Inschriften auf Felsblöcken, Graffiti imgrunde, offenkundig aus Langeweile in den Stein geritzt.
"Sehr oft, und das macht die Inschriften für uns auch interessant, findet man Mitteilungen wie "Oh, Gott, gewähre uns Frieden". Das lässt Rückschlüsse darauf zu, dass diese nomadischen Araber in einer Umwelt lebten, die von einer hochgradig gewaltbereiten menschlichen Umgebung geprägt war. Man findet auch immer mal wieder Mitteilungen, "ich sitze jetzt hier und spähe nach Feinden aus", das hat dann jemand auf einen Stein gekritzelt. "
Im Sommer zogen die Nomaden auf Weiden an der Küste, etwa auf die Golan-Höhen, im Winter wichen sie in die Wüste zurück. Wenn es dort regnete, wurde aus dem gelb-grauen Steinfeld ein blühendes Land. Dennoch waren Futter für die Schaf- oder Kamel-Herden und Wasser für Mensch und Tier sehr knapp: Nach jedem Trockenheitseinbruch brachen zwischen den Stämmen Kämpfe um die verbliebenen Wasserstellen aus.
Die extreme Armut führte dazu, dass die Nomaden immer wieder die sesshafte Bevölkerung an der Küste ausraubten: nicht zuletzt um an die Waffen zu kommen, die lebenswichtig waren. Am Fernhandel waren sie nicht beteiligt, weil sie gar nicht das Kapital hatten, um die Karawanen auszurüsten, die mit Handelsgut zum Persischen Golf oder über die Weihrauchstraße zogen. Nomaden ritten höchstens als bewaffnete Bedeckung mit.
Bei den Arabern seien alle Krieger, schrieb denn auch ein römsicher Autor. Und diese kriegerische Eigenschaft machten sich die Großmächte des Altertums oft zunutze. Gerade die Römer warben Nomaden gern als Bundesgenossen an: Ob unter Pompeius, Caesar oder Marc Anton, arabische Bogenschützen und Kamelreiter zogen mit den Legionen mit.
"Das hängt damit zusammen, dass die Römer, speziell die Legionen, schwerbewaffnetes Fußvolk waren. Und Sie können sich vielleicht die klimatischen Bedingungen, vielleicht auch die räumlichen Bedingungen dort vorstellen: Sie brauchen unter Umständen eben schon Leute, die mit dem Terrain, mit dem Klima, umgehen können, die dort leben können, die als Aufklärer dienen, die vielleicht spezielle Waffengattungen stellen, die Araber waren als Bogenschützen berühmt. "
Die Legionäre, immer mit Helm und Panzer, Schild, Speer und Schwert beladen, waren nicht sehr beweglich. In die Wüste konnten sie ihrem Gegner kaum folgen. Dafür brauchte die römische Armee leichtbewaffnete Bundesgenossen, die mit dem kargen Land vertraut waren, vor allem die Wasserstellen kannten, aber auch wussten, wie man sich Nahrung beschaffen konnte.
Römische Feldherrn verkehrten nicht direkt mit den Viehzüchtern aus der Wüste. Sie wandten sich an einen der örtlichen Herrscher: Zum Beispiel in Homs im heutigen Syrien, in Urfa in der Türkei und in Petra in Jordanien residierten Dynastien, die einmal Nomaden gewesen, aber dann sesshaft geworden waren. Diese Fürsten organisierten dann den Einsatz von einigen Hundert Wüsten-Kriegern - die sich wegen der Aussicht auf Beute nur zu gern an einem Kriegszug beteiligten.
Zwischen Sesshaften und Wanderhirten verlief keine klare Trennungslinie. Mancher Scheich ließ sich dauerhaft in der Stadt nieder, andere besaßen Häuser und wanderten trotzdem mit den Herden mit. Die Hirten bauten oft auch stationäre Zeltlager auf: Für die, die zu alt oder zu jung waren, um mit den Tieren durchs Land zu ziehen, aber auch für Handwerker, die eine feste Arbeitsstätte brauchten, Schmiede etwa. Gleichzeitig vermischten sich die Völker der Region, die schon lange Durchzugsgebiet für Händler und Heere war: Araber lebten mit Phöniziern und Syrern zusammen, mit Kolonisten aus Griechenland und mit Beamten und Soldaten aus dem Römischen Imperium, das die Küste um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus besetzt hatte.
Die Araber machten ab 633 Geschichte: Damals begann die große islamische Expansion. Das Weströmische Reich hatte sich aufgelöst, Ostrom war nach einem verlustreichen Krieg gegen die Perser geschwächt und so übernahmen arabische Reiche die Rolle der Vormacht und dominierten die Welt des Mittelmeerraums für Jahrhunderte. Die Nomaden spielten dabei keine entscheidende Rolle - sie waren nur am Rande an der arabisch-islamischen Eroberung beteiligt.
"Sie wissen, dass sie im Wesentlichen ausging von Mekka und Medina, also städtischen Zentren, wo eine arabische Bevölkerung aus sich heraus, ohne irgendwelche Anleitung durch Griechen oder Römer, schon längst sesshaft geworden war. Von diesen Leuten ging eben die Expansion aus - da haben Nomaden dran teilgenommen, aber Sie dürfen die arabisch-islamische Expansion auf keinen Fall als ein nomadisches Phänomen beurteilen. "
"Das waren Hirten, die von den Erträgen ihrer Herden lebten. Von ihrer Milch in erster Linie, natürlich auch von ihrem Fleisch, und ansonsten mussten sie halt mit dem vorlieb nehmen, was sie in der Wüste fanden: Honig, Heuschrecken, Wurzeln und eben das Fleisch, was sie erjagen konnten. Die Wüsen-Steppe war ja damals durchaus wildreich, das heißt, es gab große Herden von Wildtieren, Gazellen, wilde Esel, Wildgeflügel, das eben auch eine wesentliche Ernährungsbasis für die dort umher ziehende Bevölkerung bildete. "
Ackerbau betrieben sie auf Nomaden-Art: Sie säten an geeigneten Stellen Getreide aus und wenn sie wieder vorbei kamen, sammelten sie ein, was dort gewachsen war.
"Mit den Datteln an den entsprechenden Hainen wurde es ähnlich gemacht. Also eine Form von Landbestellung, die auch mit einer nomadischen Lebensweise vereinbar war."
Die Hirtenstämme spielten in der multi-ethnischen Bevölkerung des Nahen Ostens für Jahrhunderte eine wichtige Rolle. Das Projekt von Oliver Schmitt und seinen Kollegen an der Universität Halle ist daher Teil eines Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Verhältnis von Nomaden und Sesshaften.
Die antike Stammesgeschichte der arabischen Nomaden hat bisher niemand geschrieben. Schmitt wertet die Aufzeichnungen griechischer und römischer Historiker aus - darin tauchen sie allerdings nur am Rande auf. Auch die Archäologie liefert kaum Hilfe, denn den Scherben eines Tontopfs, einer Pfeilspitze, auch den Ruinen eines Hauses sieht man nicht an, ob sie einst vielleicht von Nomaden benutzt wurden. Immerhin haben sie selbst einige spärliche Notizen hinterlassen: Inschriften auf Felsblöcken, Graffiti imgrunde, offenkundig aus Langeweile in den Stein geritzt.
"Sehr oft, und das macht die Inschriften für uns auch interessant, findet man Mitteilungen wie "Oh, Gott, gewähre uns Frieden". Das lässt Rückschlüsse darauf zu, dass diese nomadischen Araber in einer Umwelt lebten, die von einer hochgradig gewaltbereiten menschlichen Umgebung geprägt war. Man findet auch immer mal wieder Mitteilungen, "ich sitze jetzt hier und spähe nach Feinden aus", das hat dann jemand auf einen Stein gekritzelt. "
Im Sommer zogen die Nomaden auf Weiden an der Küste, etwa auf die Golan-Höhen, im Winter wichen sie in die Wüste zurück. Wenn es dort regnete, wurde aus dem gelb-grauen Steinfeld ein blühendes Land. Dennoch waren Futter für die Schaf- oder Kamel-Herden und Wasser für Mensch und Tier sehr knapp: Nach jedem Trockenheitseinbruch brachen zwischen den Stämmen Kämpfe um die verbliebenen Wasserstellen aus.
Die extreme Armut führte dazu, dass die Nomaden immer wieder die sesshafte Bevölkerung an der Küste ausraubten: nicht zuletzt um an die Waffen zu kommen, die lebenswichtig waren. Am Fernhandel waren sie nicht beteiligt, weil sie gar nicht das Kapital hatten, um die Karawanen auszurüsten, die mit Handelsgut zum Persischen Golf oder über die Weihrauchstraße zogen. Nomaden ritten höchstens als bewaffnete Bedeckung mit.
Bei den Arabern seien alle Krieger, schrieb denn auch ein römsicher Autor. Und diese kriegerische Eigenschaft machten sich die Großmächte des Altertums oft zunutze. Gerade die Römer warben Nomaden gern als Bundesgenossen an: Ob unter Pompeius, Caesar oder Marc Anton, arabische Bogenschützen und Kamelreiter zogen mit den Legionen mit.
"Das hängt damit zusammen, dass die Römer, speziell die Legionen, schwerbewaffnetes Fußvolk waren. Und Sie können sich vielleicht die klimatischen Bedingungen, vielleicht auch die räumlichen Bedingungen dort vorstellen: Sie brauchen unter Umständen eben schon Leute, die mit dem Terrain, mit dem Klima, umgehen können, die dort leben können, die als Aufklärer dienen, die vielleicht spezielle Waffengattungen stellen, die Araber waren als Bogenschützen berühmt. "
Die Legionäre, immer mit Helm und Panzer, Schild, Speer und Schwert beladen, waren nicht sehr beweglich. In die Wüste konnten sie ihrem Gegner kaum folgen. Dafür brauchte die römische Armee leichtbewaffnete Bundesgenossen, die mit dem kargen Land vertraut waren, vor allem die Wasserstellen kannten, aber auch wussten, wie man sich Nahrung beschaffen konnte.
Römische Feldherrn verkehrten nicht direkt mit den Viehzüchtern aus der Wüste. Sie wandten sich an einen der örtlichen Herrscher: Zum Beispiel in Homs im heutigen Syrien, in Urfa in der Türkei und in Petra in Jordanien residierten Dynastien, die einmal Nomaden gewesen, aber dann sesshaft geworden waren. Diese Fürsten organisierten dann den Einsatz von einigen Hundert Wüsten-Kriegern - die sich wegen der Aussicht auf Beute nur zu gern an einem Kriegszug beteiligten.
Zwischen Sesshaften und Wanderhirten verlief keine klare Trennungslinie. Mancher Scheich ließ sich dauerhaft in der Stadt nieder, andere besaßen Häuser und wanderten trotzdem mit den Herden mit. Die Hirten bauten oft auch stationäre Zeltlager auf: Für die, die zu alt oder zu jung waren, um mit den Tieren durchs Land zu ziehen, aber auch für Handwerker, die eine feste Arbeitsstätte brauchten, Schmiede etwa. Gleichzeitig vermischten sich die Völker der Region, die schon lange Durchzugsgebiet für Händler und Heere war: Araber lebten mit Phöniziern und Syrern zusammen, mit Kolonisten aus Griechenland und mit Beamten und Soldaten aus dem Römischen Imperium, das die Küste um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus besetzt hatte.
Die Araber machten ab 633 Geschichte: Damals begann die große islamische Expansion. Das Weströmische Reich hatte sich aufgelöst, Ostrom war nach einem verlustreichen Krieg gegen die Perser geschwächt und so übernahmen arabische Reiche die Rolle der Vormacht und dominierten die Welt des Mittelmeerraums für Jahrhunderte. Die Nomaden spielten dabei keine entscheidende Rolle - sie waren nur am Rande an der arabisch-islamischen Eroberung beteiligt.
"Sie wissen, dass sie im Wesentlichen ausging von Mekka und Medina, also städtischen Zentren, wo eine arabische Bevölkerung aus sich heraus, ohne irgendwelche Anleitung durch Griechen oder Römer, schon längst sesshaft geworden war. Von diesen Leuten ging eben die Expansion aus - da haben Nomaden dran teilgenommen, aber Sie dürfen die arabisch-islamische Expansion auf keinen Fall als ein nomadisches Phänomen beurteilen. "