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Nutzen der Lysetherapie bestätigt

Herzinfarkte oder ein Schlaganfall können durch Blutgerinnsel ausgelöst werden. Mit der Thrombolyse-Therapie können diese Verschlüsse das Gerinnsel abbauen und die Blutbahn freihalten. Doch die Therapie ist nicht unbegrenzt einsetzbar - es zählt jede Minute.

Von Michael Engel | 24.07.2012
    Viele Patienten mit Schlaganfall "landen" direkt vor der Notaufnahme der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Hubschrauberlandeplatz ist nur wenige Meter davon entfernt. Dann ist Dr. Franco Morbiducci zur Stelle. Der Neurologe fällt die Entscheidung für das weitere Vorgehen:

    "Dem Patienten muss man erst mal Blut abnehmen. Das heißt, man muss wissen, wie die Gerinnung ist. Das braucht circa 30 Minuten. In dieser Zeit bewegen wir uns dann weiter mit dem Patienten. Untersuchen den ordentlich und laufen dann weiter ins CT mit dem Patienten, das dauert circa zehn bis 15 Minuten."

    Mit der Computertomografie – kurz CT - lässt sich eine Hirnblutung erkennen. Bei zehn Prozent der Patienten mit Schlaganfall ist das der Fall. Eine "Lysetherapie", die den Blutpfropf auflöst, scheidet dann aus, denn sonst würde man die Blutung sogar noch verstärken.

    Schon 30 Minuten später geht es im Eiltempo in die 3. Etage - Station 43c - in die "Stroke Unit". Und dort wartet schon Dr. Nicole Scharn die heute Frühdienst hat:

    "Die Lyse selber dauert nicht so lange. Also wichtig ist, dass man das Medikament relativ schnell erst mal über eine Spritze gibt und danach läuft der Wirkstoff über einen Perfusor innerhalb von einer Stunde. Und hier auf der "Stroke Unit" werden die Patienten meistens drei Tage überwacht und kommen dann auf eine Normalstation."

    Auf der "Stroke Unit" – der 15 Betten-Spezialstation für Schlaganfälle – arbeiten Neurologen. Im Arztzimmer stehen verschiedene Monitore, auf denen die Daten der Patienten online auflaufen und im Notfall Alarm schlagen. Nicole Scharn schaut zufrieden:

    "Hier sehen wir einen Patienten, der ist jetzt ganz stabil, da sehen wir eine Pulsfrequenz von 60 und einen Blutdruck, der für einen Schlaganfallpatienten eher niedrig ist. Der ist 135 zu 55. Und dem geht’s jetzt wirklich sehr gut

    20 Prozent der Schlaganfallpatienten, die in der Medizinischen Hochschule Hannover eintreffen, können mit einem rettenden Lysepräparat versorgt werden. Bei den anderen 80 Prozent ist zu viel Zeit verstrichen. Die Betroffenen warten zu lange mit dem Notruf, und nach viereinhalb Stunden ist die Lyse wirkungslos.

    Oder aber es gibt "Kontraindikationen" wie zum Beispiel die Hirnblutung. Deshalb, so Stationsleiterin Professor Karin Weißenborn, wurde am Rettungssystem gefeilt, um jede Minute herauszukitzeln.

    "Wenn wir von anderen Kliniken Patienten zugewiesen bekommen, dann sind das Patienten mit nachgewiesenen Gefäßverschlüssen, bei denen erwartet wird, dass die Lysetherapie allein nicht ausreichen wird, das Gefäß wieder zu eröffnen. Dann beginnen die Kollegen schon mit der IV-Lysetherapie vor Ort und schicken die Patienten mit laufender Lyse in die MHH, damit hier mit interventionellen Maßnahmen noch eine Wiedereröffnung des Gefäßes versucht wird – also mit Katheterangiographie und Stentverfahren und ähnlichem."

    Heute werden auch die über 80-Jährigen behandelt, obwohl Präparate wie "Alteplase" streng genommen für diese Altersgruppe gar nicht zugelassen sind. Neueste Studienergebnisse sprechen dafür, und deshalb gibt auch die Deutsche Schlaganfall-Hilfe und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie eine entsprechende Empfehlung heraus.

    Für Patienten mit Schlaganfall gilt – jede Minute zählt – betont Chefneurologe Prof. Reinhard Dengler.

    "Weil das Nervengewebe höchst empfindlich ist und Sauerstoff unerlässlich ist. Und wenn Sauerstoff fehlt, gehen Nervenzellen sehr rasch zugrunde. Vier Minuten Sauerstoffmangel sind für eine Nervenzelle tödlich. Das kann man durch die Lyse verhindern. Und da zählt jede Sekunde."