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Nutzen und Risiken chinesischer Heilpflanzen

Pflanzen und Mikroorganismen sind die bedeutendste Quelle für neue Heil- und Arzneimittel. Von den zwanzig weltweit meistverkauften Medikamenten lassen sich die Hälfte aus Naturstoffen ableiten. Insbesondere die Länder des Südens mit ihrer ungeheueren Artenvielfalt liefern die begehrten Rohstoffe für die Pharmaindustrie. Werden in Pflanzen geeignete Wirkstoffe identifiziert, ist ihre Existenz jedoch bedroht, denn um die wachsende Nachfrage nach dem Heilmittel zu bedienen, kommt es häufig zu einem "Abernten" der Art. Um die Artenvielfalt zu erhalten, führt das Münchner Biotech- Unternehmen Bicoll zur Zeit auf der südchinesischen Insel Hainan ein Forschungsprojekt durch.

von: Britta Demmer |
    Pflanzen und Mikroorganismen sind die bedeutendste Quelle für neue Heil- und Arzneimittel. Von den zwanzig weltweit meistverkauften Medikamenten lassen sich die Hälfte aus Naturstoffen ableiten. Insbesondere die Länder des Südens mit ihrer ungeheueren Artenvielfalt liefern die begehrten Rohstoffe für die Pharmaindustrie. Werden in Pflanzen geeignete Wirkstoffe identifiziert, ist ihre Existenz jedoch bedroht, denn um die wachsende Nachfrage nach dem Heilmittel zu bedienen, kommt es häufig zu einem "Abernten" der Art. Um die Artenvielfalt zu erhalten, führt das Münchner Biotech- Unternehmen Bicoll zur Zeit auf der südchinesischen Insel Hainan ein Forschungsprojekt durch.

    Chinesische Heilkräuter liegen in Deutschland ganz stark im Trend. Es boomt an allen Ecken. Es ist aber nicht so ungefährlich, chinesische Heilkräuter anzuwenden. Hier gibt es ein Beispiel: Pilz der Reinheit. Zur Vitalisierung und Anregung wird er benutzt und wenn man weiter liest, steht nicht drauf, welche Inhaltsstoffe, welche Reinheitskriterien, welche Prüfrückstände - und es wäre in der Apotheke undenkbar, dass man solche Mittel verkauft.

    In Reformhäusern oder Bioläden sind diese chinesischen Produkte jedoch zu haben. Apothekerin Rose Pakebusch aus Köln warnt aber vor der Anwendung. Da die Wirkstoffkonzentration nicht angegeben ist und viele Konsumenten davon ausgehen, dass pflanzliche Produkte nicht schädlich sein können, komme es häufig zu Überdosierungen. Durchfall und im schlimmsten Fall Nierenversagen können die Folge sein. Aber dennoch ist sie überzeugt, dass chinesische Naturstoffe ein Segen für die Bekämpfung von Krankheiten sein können. Um die heilende Wirkung der Kräuter für die westliche Medizin nutzbar zu machen, arbeitet das Münchner Biotech-Unternehmen Bicoll gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern an der Erstellung einer Naturstoffbank. In einem Labor in Shanghai isoliert ein deutsch-chinesisches Team zur Zeit Hunderte von Wirkstoffen aus einheimischen Pflanzen, die zukünftig die Pharmaindustrie nutzen könnte, um Alzheimer, Infektionen oder erhöhten Blutdruck zu bekämpfen.

    Wir nehmen 250 Gramm von einer Pflanze, die getrocknet ist. Diese Pflanze wird dann extrahiert mit organischen Lösungsmitteln versetzt - das ist ungiftig, weil es sich z.B. um Alkohol handelt und dort gehen dann die Moleküle in Lösung.

    Diese chemischen Verbindungen, so der Geschäftsführer Kai Lamottke, werden dann auf ihre Wirkung gegen Krankheiten untersucht. Zur Zeit sucht das junge Team einen geeigneten Wirkstoff gegen Tuberkulose. Ist er gefunden, soll er synthetisch oder biotechnologisch hergestellt werden. Durch dieses Verfahren könne nicht nur eine genaue Konzentration und die Reinheit des Wirkstoffs gewährleistet, sondern auch ein Abernten der Pflanzen verhindert werden. Bereits überall auf der Welt habe die Suche nach Pflanzenwirkstoffen für die Pharmaindustrie dazu geführt, die Artenvielfalt zu reduzieren, erklärt der Münchner Unternehmer. Denn rund 90 Prozent des weltweiten Bedarfs an Heilkräutern werde aus unkontrollierten Wildsammlungen gedeckt.

    Durch die geringe Naturstoffmenge, die Lamottke für seine Analyse braucht, ist keine Art bedroht. Und von Pflanzen, die auf "der roten Liste" stehen, also vom Aussterben bedroht sind, lassen sie ohnehin die Finger. Es gibt genügend andere auf Hainan, einer südchinesischen Insel, auf der Bicoll ein Forschungsprojekt mit dem Hainan Normal College durchführt.

    Wir haben uns deshalb Hainan ausgesucht, weil dort eine besonders hohe Artenvielfalt herrscht. Wir verfolgen extra keinen ethnobotanischen Ansatz, d.h. wir gehen nicht hin und schauen, was hat der traditionelle Mediziner von Behandlungsmöglichkeiten für eine gewisse Art von Krankheit, sondern wir sagen, dass wir Pflanzen sammeln, da wir an der Vielfalt der Inhaltsstoffe interessiert sind und diese Vielfalt der Inhaltsstoffe isolieren wir und stellen diese in der Naturstoffbank in China für die weitere Forschung zur Verfügung.

    Beim Aufbau dieser Naturstoffbank helfen 40 Studenten der Universität. Sie wurden im Rahmen des Projektes in der Pflanzenbestimmung ausgebildet und haben gelernt, ihre Funde nach internationalem Standard zu dokumentieren. Ausgerüstet mit Kamera und GPS Sender, der hilft die Position einer Pflanze genau zu berechnen, durchstreifen sie den Tropischen Regenwald. Ihre Dokumentation wird in Zukunft Aufschluss darüber geben, welche Pflanzen besonders gefährdet sind. Artenschwund kann so erstmalig in China auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Das ist wichtig, denn Hainan zählt zu den 16 Regionen der Erde, deren große Artenvielfalt von Zerstörung bedroht ist. Der starke Bevölkerungszuwachs in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat den primären Regenwald auf der Insel auf zwei Prozent der Gesamtfläche zurückgedrängt. Da der Ressourcenschutz einen Schwerpunkt in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit China bildet, unterstützt die Deutsche Investitions- und Entwicklungsbank das Forschungsprojekt mit öffentlichen Mitteln:

    Das Projekt soll Technologie und Know-how im Bereich Forschung nach China transferieren. Und durch die Zusammenarbeit mit Unis und anderen Multiplikatoren, den Behörden, soll der Schutz dieser Artenvielfalt vorangetrieben werden.

    Durch dieses Projekt, so Claudia Wink, verantwortlich für die Projektfinanzierung der DEG in China, werden wichtige Bestandteile der Biodiversitätskonvention von 1992 umgesetzt. Demnach müssen Unternehmen, die mit Naturstoffen aus einem fremden Land forschen, die zuständigen Behörden um Erlaubnis fragen und gemeinsam mit ihnen festlegen, wie beide Seiten von dem Projekt profitieren können. Eine so weitgehende Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Umweltbehörden und einem ausländischen Unternehmen habe es in China, laut Lamottke, bisher noch nie gegeben.