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Nutztierhaltung
Fütterung mit Tiermehl unter strengen Auflagen wieder erlaubt

Infolge der BSE-Krise in den 90er-Jahren wurde jegliche Verfütterung von Tiermehl verboten. Seit Juli dieses Jahres darf tierisches Eiweiß unter strengen Auflagen wieder an Nutztiere verfüttert werden – was Biobauern zufolge nachhaltiger und artgerechter ist als deren vegetarische Ernährung.

Von Annette Eversberg | 19.10.2021
Zwei Hände halten Tiermehl
Nach wie vor darf kein Tiermehl kranker Tiere verfüttert werden (picture alliance / dpa | Tobias Kleinschmidt)
Auch wenn das strikte Verbot der Verfütterung von Tiermehl nicht mehr gilt - eine Wiederauflage der Tiermehlverfütterung an Schweine, Hühner oder gar Rinder wie vor der BSE-Krise wird es trotzdem nicht mehr geben. Denn damals wurden auch Tierbestandteile von kranken Tieren verfüttert, die bei der Schlachtung anfallen und sich ausdrücklich nicht für die menschliche Ernährung eignen. Sie dürfen auch künftig nicht verfüttert werden, sagt Peter Radewahn, Geschäftsführer des Deutschen Verbands Tiernahrung.
"Es darf nur genusstaugliches Material, das auch der Mensch konsumieren dürfte, zur Fütterung verwendet werden."
Neue von der EU genehmigte wissenschaftlich Analyseverfahren sollen für den Verbraucher Sicherheit garantieren. Außerdem darf das tierische Protein aus genusstauglichen Nebenprodukten der Schlachtung nicht an Rinder verfüttert werden, nur an Hühner, Puten oder Schweine.
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Nachhaltig und artgerecht

Die Proteinfütterung sei nachhaltig, weil wertvolle Ressourcen genutzt werden, betont Christian Rehmer Agrarreferent beim BUND.
"Wichtig ist nur, wenn man Tiere schon tötet, wenn man sagt, ich finde die Nutztierhaltung wichtig, dass man so viel wie möglich von dem Tier nutzt und nichts verkommen lässt."
Vor allem für Biobetriebe ist die bisherige Fütterung mit Soja als Eiweißersatz alles andere als artgerecht, betont Stefan Mutter, Geflügelexperte beim Biokreis aus Passau.
"Seither müssen wir unsere Tiere vegetarisch ernähren. Wir sehen jetzt wieder die Chance, die Tiere nach ihrer Wesensart ein bisschen besser zu ernähren zu können, als wir es momentan tun."
Zumal das tierische Eiweiß auch - wie schon in der Aquakultur - laut EU nun auch aus Insekten gewonnen werden darf. Stefan Mutter.
"Es gibt im Nordwesten Amerikas noch wilde Puten. Wenn man sieht, wie die Putenhenne ihre Tiere da führt, dann sieht man ganz deutlich, dass in den ersten acht, neun, zehn Wochen die Diät mindestens zu 70 Prozent aus Insekten, Käfern, Schmetterlingen besteht. Wir wollen nicht die ganze Zeit tierisches Eiweiß verfüttern, aber wir müssen sehen, was uns die Natur vorgibt, und das bedeutet tierisches Eiweiß."
Auch Schweine auf der Weide oder Legehennen wühlen und stochern im Boden nach Würmern und Maden. Zu ihrer natürlichen Ernährung gehört ebenfalls tierisches Eiweiß, das auch aus der Schlachtung von Tieren kommen kann. Die rein vegetarische Ernährung von Geflügel führt zudem aus der Erfahrung der Biobetriebe auch zu einem Überschuss an Stickstoff in der Umwelt. Chrisitian Rehmer vom BUND.
"Wenn man hier bei Geflügel auch Schweineprotein dabei hätte oder Insekten natürlich, dann kann es sein, dass der Körper das viel besser aufnimmt und damit die Futterration viel effektiver verwertet werden kann."

Strenge Auflagen

Mit der Verwendung der genusstauglichen Schlachtnebenprodukte für die Eiweißversorgung wird darüber hinaus der Kreislaufwirtschaft im ökologischen Landbau Rechnung getragen. Nutztierhalter würden gern mehr tierisches Protein füttern, auch, um weniger abhängig von Sojaeinfuhren zu werden. Doch die Mengen sind begrenzt.
Deshalb rät Fütterungsexperte Wolfgang Preißinger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zunächst zu prüfen, wie hoch der Bedarf der Tiere sein kann. Der Lebensmittelhandel in Deutschland besteht auf zusätzlichen Auflagen. Doch die seien schwer umzusetzen, sagt Peter Radewahn vom Deutschen Verband Tiernahrung.
"Es ist eine Frage, welche zusätzlichen Kontrollen die Betriebe sicherstellen können. Es darf beispielsweise kein Geflügelmaterial an Geflügel verfüttert werden, kein Schweinematerial an Schweine, all das lückenlos und vor dem Hintergrund einer Nulltoleranz sicherzustellen, das sind die wirklich schwierigen Aufgaben vor dem die Branche steht, wenn sie dieses Material einsetzen will."