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Oase für Forscher

Gemeinsam forschen, diskutieren, wohnen und die Freizeit verbringen. Am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZIF) der Universität Bielefeld ist dies möglich. Als erste Hochschuleinrichtung in Deutschland bot sie Spitzenforschern aus mehren Ländern und Disziplinen an, ein Jahr lang gemeinsam zu leben und arbeiten. Dieses Jahr feiert die Einrichtung ihr 40-jähriges Jubiläum.

Von Robert Fishman |
    "Das ZIF hat neben seiner eigentlichen Funktion, Forschungsförderung zu betreiben… ist es auch ein Tagungszentrum für die Universität, also die Universität greift auch gerne auf dieses Gebäude ZIF zu. Das sind hier einfach ausgezeichnete Tagungsmöglichkeiten und das ist natürlich sehr begehrt, aber unser Kerngeschäft ist es eben, tatsächlich diesen Freiraum für Spitzenforscher und Spitzenforschung zur Verfügung zu stellen."

    Die neue Geschäftsführerin Britta Padberg führt durch das Zentrum für interdisziplinäre Forschung - kurz ZIF - der Universität Bielefeld das in diesem Herbst 40 Jahre alt geworden ist.

    Vor 40 Jahren war das ZIF nicht nur Keimzelle der neu gegründeten Universität in Bielefeld. Es war Deutschlands erstes Institute for Advanced Studies und damit die erste Hochschuleinrichtung, an der Spitzenforscher aus mehren Ländern und Disziplinen ein Jahr lang gemeinsam leben und arbeiten. Die Idee hat inzwischen viele Nachahmer gefunden. Dennoch hat das ZIF noch einige Besonderheiten.

    "An ein solches Institute for Advanced Studies werden normalerweise hochrangige Wissenschaftler eingeladen als Fellows. Die kommen in der Regel als Einzelpersonen an solche Institute, manchmal auch zu kleineren Gruppen, also harmoniert das gut zusammengefasst. Am ZIF machen wir das anders. Unser Hauptarbeitsformat ist die Forschergruppe oder auch das Forschungsjahr, wie wir sagen. Jedes Jahr hat das ZIF ein neues, aufregendes Thema, an dem hier Leute als Fellows zusammenkommen und miteinander arbeiten und leben,"

    erklärt der geschäftsführende Direktor des ZIF, Prof. Dr. Ipke Wachsmuth.

    Die Wissenschaftler, die sich - auf Einladung - den interdisziplinären Forschungsgruppen am ZIF anschließen, wohnen direkt auf dem Gelände.

    "Hier wohnen zum einen Fellows des ZIF, zum anderen Gastwissenschaftler der Universität. Wir haben insgesamt 100 Betten, aufgeteilt in Wohnungen verschiedener Größe, auch Wohnungen, die für Familien geeignet sind. Die sind dann oft zweiteilig, mit einem eigenen Arbeitsstudio, sodass man sich auch separieren kann, um eben auch in Ruhe vor seiner Familie zu arbeiten. Aber Sie wohnen hier eben in Nachbarschaft. Das ganze ist natürlich geprägt durch den Bielefelder Stil, also das heißt, es ist siebziger-jahre-geprägt, aber es ist eben auch als Campus konzipiert, sodass man, wenn man vor die Haustür tritt, man aufeinander treffen kann, ohne sich zu verabreden,"

    erklärt ZIF-Geschäftsführerin Britta Padberg.

    Fellow Adrián Továr lebt mit seiner Frau, einer Malerin, seit Anfang Oktober im ZIF. Von den Bedingungen ist der Kulturanthropologe und Soziologe aus Mexiko begeistert.

    "Die Atmosphäre und die Arbeitsbedingungen sind hier optimal, weil: durch die ganze Einrichtung wird schon erzeugt, was eigentlich die Intention ist von diesem Forschungszentrum, dass die Leute sich hier treffen und wirklich in ein Forschungsprojekt gemeinsam eintauchen und hier auch gemeinsam leben. Hier hat man so ziemlich alles, was man braucht zum Leben, man hat alle Forschungsressourcen zur Verfügung von der Bibliothek, von der man auch Bücher von der Zentralbibliothek bestellen kann. Man hat wunderbare Einrichtungen für die Konferenzen, für die Symposien und so weiter. Und ich meine für die Forschungsarbeit ist das einfach optimal."

    Ipke Wachsmuth lobt die inspirative Kraft, die viele Fellows am ZIF wahrnehmen.

    "Eine französische Emotionsforscherin, die vor wenigen Wochen hier war, hat das so gesagt: Da ist etwas Besonderes hier, etwas starkes. Man schaut von der Höhe umher und sieht neue Dinge, Schönheit und Harmonie."

    Das ZIF bietet den Wissenschaftlern Freiräume für gemeinsames Arbeiten und Leben. Die besten Ideen entstehen oft dort, wo man sie nicht vermutet.

    "Hier sehen Sie auch schon ein bisschen, wie sich ein Fellow-Leben abends entfalten kann. Man trifft sich, man hört zusammen Musik, man macht vielleicht zusammen Musik. Sie sehen ja hier das Klavier, die Gitarren, die auch regelmäßig benutzt werden, aber auch eben die Tafel. Wenn Wissenschaftler zusammen sind und man ist im lockeren Gespräch, kommt es eben manchmal doch dazu, dass man mal eben eine mathematische Formel austauschen möchte und einen Raum braucht, wo man das aufschreiben kann. Wenn Sie da durchgehen, sehen Sie die Bibliothek. Die Bibliothek ist an die Zentralbibliothek der Universität angeschlossen. Das ist auch als Infrastruktur sehr, sehr herausragend, weil eben alle Arten von Literatur, wissenschaftlicher Literatur besorgt werden kann und auch innerhalb der Bibliothek ein ruhiges Arbeiten möglich ist."

    Immer weniger Spitzenforscher haben die Zeit, sich für ein Jahr aus ihren heimischen Verpflichtungen auszuklinken. Deshalb gibt es am ZIF neben den einjährigen Fellowships inzwischen auch kürzere Arbeitsgruppen von einigen Wochen und zahlreiche Einzeltagungen.

    Meist geht es hier wie da um Grundlagenforschung. Derzeit zum Beispiel forschen Adrián Továr und seine Mit-Fellows aus anderen lateinamerikanischen Ländern, England, Frankreich, Deutschland und den USA zu ethnischen Identitäten in transnationalen Integrationsprozessen in den Amerikas. Ein weiteres Beispiel nennt der geschäftsführende ZIF-Direktor Ipke Wachsmuth:

    "Es gibt hier große Forschungseinheiten, die heißen Sonderforschungsbereiche. Die werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Oft ist dabei auch das ZIF im Spiel gewesen, wenn es zu einem solchen Sonderforschungsbereich kam, zur Einrichtung. Wir hatten hier im ZIF 2004 eine Arbeitsgemeinschaft, mit der wir ein neues Thema erprobten. Das heißt auf Englisch "Alignment in Communication" und dabei geht es darum: Wie ist es so leicht und automatisch möglich, dass Menschen, die sich gegenüber sitzen und etwas gemeinsames vorhaben, so auf die gleiche Wellenlänge kommen. Das passiert unbemerkt, dass man sich aufeinander einstellt. So etwas wollen wir erforschen, teils durch empirische Arbeiten, teils auch, indem wir das mit Computern oder gar Robotern simulieren."

    Um im Geschäft zu bleiben, suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZIF heute vor allem die Themen von morgen, an die sonst noch niemand denkt. Entscheidend ist und bleibt die Interdisziplinarität und die internationale Zusammensetzung der Forschungsgruppen. Immer wichtiger werden die Naturwissenschaften. Geschäftsführerin Britta Padberg, die bisher beim Wissenschaftsrat in Bonn gearbeitet hat, deutet eine mögliche Richtung an.

    "Als so ein Beispiel für ein so neues Menschenbild könnte man ein Forschungsthema wie Emotionen wählen, was natürlich auch schon mal im ZIF behandelt wurde, wo eben neurobiologische, philosophische, psychologische, pädagogische Ansätze zusammengeführt werden können und man sich über Menschenbilder verständigt."

    In der entspannten Stille am Teutoburger Wald lässt es sich angenehm arbeiten. Neben Tagungen holen die Verantwortlichen auch Kunst ins Haus. Regelmäßig organisieren sie Vernissagen und Ausstellungen.