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Obama in Deutschland
Der amerikanische Freund drängelt

US-Präsident Barack Obama ist zu seinem fünften Deutschlandbesuch eingetroffen. Zwei Tage verbringt er im Großraum Hannover. Bundeskanzlerin Angela Merkel will er den Rücken stärken für ihre Flüchtlingspolitik - und Rückhalt fordern für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA.

24.04.2016
    Barack Obama zum Deutschland-Besuch in Hannover gelandet
    Barack Obama zum Deutschland-Besuch in Hannover gelandet (dpa / picture-alliance / Peter Steffen)
    Barack Obama ist als Freund politischer Symbolik bekannt: Unvergessen seine lässige Pose vor idyllischem Alpenpanorama im bayerischen Elmau im Juni 2015, vor ihm gestikuliert Bundeskanzlerin Angela Merkel - die Momentaufnahme inszenierte zwei umweltbewusste Poltiker, die gerade mitbeschlossen hatten, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 70 Prozent reduziert werden sollen.
    Dass Obama sich nun für seinen wohl letzten Deutschlandbesuch ausgerechnet Hannover ausgesucht hat, dürfte kein Zufall sein. Gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet er am Abend die weltgrößte Industriemesse, deren Partnerland die USA in diesem Jahr sind. Diesen Ort wird er nutzen wollen, um für den weltgrößten Handelsraum von US-Amerikanern und EU-Europäern zu werben. Doch dafür fehlt eines: das Freihandelsabkommen TTIP.
    Kaum gelandet dringt US-Handelsministerin Penny Pritzker auch schon zur Eile. "Wenn wir die TTIP-Verhandlungen nicht bis Ende des Jahres schließen, dann könnte es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis ernsthafte Gespräche wieder aufgenommen werden können", sagte Pritzker. Deutschland müsse helfen, das Projekt voranzutreiben.
    Und ausgerechnet von seinen deutschen Freunden bekommt Obama in diesem wirtschaftspolitischen Kernanliegen in seiner Amtszeit so viel Gegenwind wie schon lange kein US-Präsident mehr. In Hannover haben einen Tag vor seiner Ankunft zehntausende Menschen gegen TTIP demonstriert. Sie kritisieren, dass der Vertrag über den Freihandel in Hinterzimmern ausgehandelt wird. Hinter TTIP vermuten die Gegner ein Trojanisches Pferd, das europäische Standards aushebelt und aufweicht.
    Die Bundeskanzlerin beschwichtigt, verteidigt die Geheimhaltung bei den Vertragsverhandlungen: Es könne nicht alles "bereits im Vorfeld für jedermann zugänglich sein", wenn man Interessen durchsetzen wolle.
    Obama will für ein Momentum auf der Hannover Messe sorgen, damit bei den TTIP-Verhandlungen ein Gang zugelegt wird, um noch vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2017 sagen zu können: "Deal!". Deutschlands größtem Konzern wird Obama beim Messerundgang aber keinen Besuch abstatten. Für Volkswagen ist die Auslassung mehr als ungewohnt: Europas umsatzstärkster Autobauer galt als Station praktisch immer als gesetzt. Begründungen für die VW-freie Routenplanung gibt es keine. Fakt ist, dass das Verhältnis der Wolfsburger zu den USA infolge der Diesel-Krise sehr angespannt ist und Obama in der juristisch aufgeladenen Situation jegliche Symbolik vermeiden wollen dürfte.
    Ein bisschen Weltpolitik
    Zu einem Sonntagskaffee hat Merkel Obama diesmal auf Schloss Herrenhausen eingeladen. Themen dürften neben den bilateralen Beziehungen die großen Themen der Weltpolitik sein: die Krisen in Syrien und Libyen und damit verbunden die Terrorgefahr und die Flüchtlingskrise, der Konflikt in der Ukraine, die Zukunft Europas und besonders die Gefahr eines sogenannten Brexits, des Austritts Großbritanniens aus der EU. In London hatte Obama zuvor die Briten ungewöhnlich deutlich davor gewarnt. Falls Großbritannien die EU verlasse, müsse es sich bei Handelsgesprächen "in der Schlange hinten anstellen".
    Am Montag wollen Merkel und Obama den eigentlichen Messebetrieb mit einem Rundgang und dem Besuch ausgewählter Unternehmensstände eröffnen. Im Anschluss wird der US-Präsident auf dem Messegelände eine politische Rede halten - Hauptthema dürfte hier der Handel zwischen EU und USA sein. Am Nachmittag hat Merkel zu einem Minigipfel mit Großbritanniens Premier David Cameron, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi geladen.
    (sdö/kis)