Das Irondale Center in Fort Green, Brooklyn, ist seit 25 Jahren ein Ort für experimentelles Theater. Und es war einmal der Saal einer Sonntagsschule in der alten Presbyterianerkirche Fort Green. Ein idealer Ort also für "Sarah Ruhl's Passion Play". Das Stück greift die Tradition der Passionspiele aus drei verschiedenen Zeitepochen auf: aus dem elisabethanischen England, Hitlers Deutschland und dem Amerika nach dem Vietnamkrieg. Sarah Ruhl hat es geschrieben, als George W. Bush den heiligen Krieg gegen die Feinde Amerikas ausrief, und sie untersucht darin die Vermischung von Religion und Staat, von Theater und Propaganda, von persönlichem Leid und religiöser Überhöhung.
Der erste Akt spielt 1575 in einem kleinen englischen Dorf, dessen katholische Bevölkerung trotz des strikten Verbots, das Queen Elisabeth erlassen hat, das alljährliche Passionsspiel aufführen will. Der zweite Akt führt ins Jahr 1934 nach Oberammergau, wo Hitler, der sich für die antisemitischen Passagen der Passionsspiel-Texte begeistert, sie als Paukenschlag für das neue Deutschland sieht.
Der dritte Akt spielt von 1968 bis heute in Spearfish, einer Kleinstadt in South Dakota, in der ein deutscher Immigrant 1940 eine eigene Tradition der Passionsspiele begründete. Nach der Rückkehr aus dem Vietnamkrieg kann der Darsteller des Pontius Pilatus die Szene nicht mehr spielen, in der er seine Hände in Unschuld wäscht. Er fordert Textänderungen ein, da Pontius Pilatus als Teil des politischen Establishments der eigentliche Schuldige sei, und verliert sein Engagement. Von posttraumatischen Ängsten und Schuldgefühlen getrieben, versucht er ein Attentat auf Ronald Reagan, der 1984 während seiner Präsidentschaftskampagne die Stadt und die Spiele besucht. Regisseur Mark Wing-Davey inszeniert energievoll zwischen Volkstheater, Farce und realistischem Drama, wobei er ans Ende jedes Aktes beeindruckend poetische Traumsequenzen setzt, in denen das elfköpfige Ensemble mit großen Fischmasken wie ein unablässiger Strom den jeweils letzten Schauspieler von der Bühne trägt.
"Sarah Ruhl’s Passion Play" zeigt - durchaus mit satirischen Zügen - nicht nur, wie die Mächtigen das Passionsspiel für ihre Politik benutzen, sondern auch, wie die Darsteller durch ihre Rollen im Passionsspiel mit ihrem Leben in Konflikt geraten. Und zwar in allen drei Epochen durch die Kluft zwischen gelebtem Leben und idealisiertem Glauben. Geschickt verschiebt Sarah Ruhl dabei die Zeitebenen, wenn zum Beispiel der englische Dorftrottel zum jüdischen Mädchen wird, das vom Jesus-Darsteller nach Dachau gebracht wird. Oder wenn Queen Elisabeth die Soldaten im Vietnamkrieg ermuntert, für sie zu sterben und Adolf Hitler in South Dakota auftaucht und dem stammelnden Pilatus ermunternd zulächelt.
Und auch die Darsteller selbst verändern sich: Jesus, der sich in England noch aus religiöser Inbrunst seiner geliebten Maria verweigert und damit eine Tragödie auslöst, wird in Oberammergau zum verkappten Homosexuellen, der sich glühend auf die neue Ideologie stürzt und zum Mörder wird. In Amerika mutiert er dann zum eitlen Superstar, der die Frau seines Bruders verführt, während ihr Mann im Krieg ist. Schuld und Unschuld, Glaube und Angst, Religion und Wahrheit – so könnte man das Feld abstecken, auf dem Sarah Ruhl ihre Fragen stellt. Im Vorwort zum Programmheft beschreibt sie, wie in den USA die verfassungsmäßige Trennung zwischen Religion und Staat immer mehr in Frage gestellt wird und das ganze Land spaltet, es aber keinen Diskurs darüber gebe. Sie hält das Theater für genau den richtigen Ort, dieses Gespräch zu führen. Nach dem dreieinhalbstündigen Passionsspiel-Marathon, mit Wein und Brot in den Pausen, bleiben überraschend viele Zuschauer nach langem Applaus zum anschließenden Publikumsgespräch mit dem Ensemble und einem Professor für Religionsgeschichte. Ort und Zeit für dieses Gespräch scheinen richtig zu sein.
Der erste Akt spielt 1575 in einem kleinen englischen Dorf, dessen katholische Bevölkerung trotz des strikten Verbots, das Queen Elisabeth erlassen hat, das alljährliche Passionsspiel aufführen will. Der zweite Akt führt ins Jahr 1934 nach Oberammergau, wo Hitler, der sich für die antisemitischen Passagen der Passionsspiel-Texte begeistert, sie als Paukenschlag für das neue Deutschland sieht.
Der dritte Akt spielt von 1968 bis heute in Spearfish, einer Kleinstadt in South Dakota, in der ein deutscher Immigrant 1940 eine eigene Tradition der Passionsspiele begründete. Nach der Rückkehr aus dem Vietnamkrieg kann der Darsteller des Pontius Pilatus die Szene nicht mehr spielen, in der er seine Hände in Unschuld wäscht. Er fordert Textänderungen ein, da Pontius Pilatus als Teil des politischen Establishments der eigentliche Schuldige sei, und verliert sein Engagement. Von posttraumatischen Ängsten und Schuldgefühlen getrieben, versucht er ein Attentat auf Ronald Reagan, der 1984 während seiner Präsidentschaftskampagne die Stadt und die Spiele besucht. Regisseur Mark Wing-Davey inszeniert energievoll zwischen Volkstheater, Farce und realistischem Drama, wobei er ans Ende jedes Aktes beeindruckend poetische Traumsequenzen setzt, in denen das elfköpfige Ensemble mit großen Fischmasken wie ein unablässiger Strom den jeweils letzten Schauspieler von der Bühne trägt.
"Sarah Ruhl’s Passion Play" zeigt - durchaus mit satirischen Zügen - nicht nur, wie die Mächtigen das Passionsspiel für ihre Politik benutzen, sondern auch, wie die Darsteller durch ihre Rollen im Passionsspiel mit ihrem Leben in Konflikt geraten. Und zwar in allen drei Epochen durch die Kluft zwischen gelebtem Leben und idealisiertem Glauben. Geschickt verschiebt Sarah Ruhl dabei die Zeitebenen, wenn zum Beispiel der englische Dorftrottel zum jüdischen Mädchen wird, das vom Jesus-Darsteller nach Dachau gebracht wird. Oder wenn Queen Elisabeth die Soldaten im Vietnamkrieg ermuntert, für sie zu sterben und Adolf Hitler in South Dakota auftaucht und dem stammelnden Pilatus ermunternd zulächelt.
Und auch die Darsteller selbst verändern sich: Jesus, der sich in England noch aus religiöser Inbrunst seiner geliebten Maria verweigert und damit eine Tragödie auslöst, wird in Oberammergau zum verkappten Homosexuellen, der sich glühend auf die neue Ideologie stürzt und zum Mörder wird. In Amerika mutiert er dann zum eitlen Superstar, der die Frau seines Bruders verführt, während ihr Mann im Krieg ist. Schuld und Unschuld, Glaube und Angst, Religion und Wahrheit – so könnte man das Feld abstecken, auf dem Sarah Ruhl ihre Fragen stellt. Im Vorwort zum Programmheft beschreibt sie, wie in den USA die verfassungsmäßige Trennung zwischen Religion und Staat immer mehr in Frage gestellt wird und das ganze Land spaltet, es aber keinen Diskurs darüber gebe. Sie hält das Theater für genau den richtigen Ort, dieses Gespräch zu führen. Nach dem dreieinhalbstündigen Passionsspiel-Marathon, mit Wein und Brot in den Pausen, bleiben überraschend viele Zuschauer nach langem Applaus zum anschließenden Publikumsgespräch mit dem Ensemble und einem Professor für Religionsgeschichte. Ort und Zeit für dieses Gespräch scheinen richtig zu sein.