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Oberes Mittelrheintal bangt um Welterbetitel

Seit 2011 in Koblenz die neue Seilbahn in Betrieb genommen wurde, kommen immer mehr Besucher auf die Koblenzer Festung. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) verlangt jetzt jedoch den Abbau der Bahn und droht mit Aberkennung des Welterbetitels. Bürger und Politiker protestieren.

Von Ludger Fittkau |
    Die Bläser der Rheinischen Philharmonie eröffnen eine Versammlung am Koblenzer Rheinufer mit mehreren Tausend Menschen. Die Bühne, auf der die Musiker spielen, steht unmittelbar vor der Talstation der Seilbahn, die seit 2011 die Koblenzer Innenstadt mit der Festung Ehrenbreitstein hoch über dem gegenüberliegenden Rheinufer verbindet. Die Menschen vor der Bühne halten Schilder hoch mit der Aufschrift: "Die Seilbahn muss bleiben".

    Durch die Seilbahn haben die Koblenzer die alte Festung über der Stadt neu entdeckt, sagt Erika Engemann. Sie steht einem kleinen Tisch mitten in der Menschenmenge vor der Bühne und sammelt Unterschriften für den Erhalt der Seilbahn, die zur Bundesgartenschau 2011 installiert wurde:

    "Seit die Buga da ist und die Seilbahn da ist, da kommen die Leute zur Festung, auch die Koblenzer, die früher noch nie oben auf der Festung gewesen sind, und das ist da oben ein Traum, weil man alles überblickt, das ist einfach ein Traum."

    Doch der Traum könnte bald aus sein, zumindest wenn es nach dem Internationalen Rat für Denkmalpflege - kurz ICOMOS - geht. ICOMOS beobachtet im Auftrag der UNESCO die deutschen Denkmäler auf der Liste des Weltkulturerbes. Die Organisation verlangt nun von der Stadt Koblenz den Abbau der Seilbahn. Die UNESCO berät ab heute darüber, ob sie sich der Forderung der Denkmalpfleger anschließt.

    Während die Rheinische Philharmonie noch spielt, steigt Roger Lewentz aus seinem Dienstwagen, um an der Demo für den Erhalt der Seilbahn teilzunehmen. Er ist rheinland-pfälzischer Innenminister und SPD-Landesvorsitzender. Lewentz hofft, dass sich die UNESCO nicht der Meinung der Denkmalpfleger von ICOMOS anschließt und den Verbleib der Seilbahn im Weltkulturerbe "Oberes Mittelrheintal" absegnet. Das Land Rheinland-Pfalz hat eigens eine Delegation in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh geschickt, wo die UNESCO ab heute auch über die Koblenzer Seilbahn berät:

    "Die UNESCO hat ICOMOS schon mehrfach korrigiert, zum Beispiel bei der Frage der Mittelrheinbrücke. Und ich bin davon überzeugt, dass die UNESCO hier auch eine ganz eigene Wertung vornehmen wird. Und ich kann mir auch nichts anderes vorstellen. Seilbahn und Welterbe gehören und passen zusammen."

    Davon ist auch Wilhelm Vogelsang überzeugt. Der Rentner sammelt seit Monaten Unterschriften für den Erhalt der Seilbahn. 100.000 hat er mit seinen 850 Mitstreitern vom Buga-Freundeskreis jetzt schon zusammen. Weil Ehrenbreitstein auch nach dem Ende der Bundesgartenschau jährlich von mehreren Hunderttausend Menschen besucht wird, will Wilhelm Vogelsang die Seilbahn zur Festung über der Stadt vor allem aus ökologischen Gründen erhalten:

    "Wegen der Umwelt. Wenn die Seilbahn nicht mehr da wäre, die müssen alle mit dem PKW die zig Kilometer da hochfahren, die Busse müssen hochfahren. So stellen die die PKW hier in der Stadt ab, im Parkhaus. Die Busse stehen hinten an der Mosel, die Leute fahren mit der Seilbahn hoch und runter, entsprechend wird die Umwelt viel geschont."

    Wenn die UNESCO ab heute bei ihrer Konferenz in Kambodscha solche Argumente nicht berücksichtigen sollte und trotz allem den Abbau der Seilbahn verlangt, hat Wilhelm Vogelsang noch eine Kompromissidee: Man könnte doch einfach die Stadt Koblenz aus dem Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal herausnehmen und das Gütesiegel der UN-Kulturorganisation erst einige Kilometer rheinaufwärts im eigentlichen Tal der Loreley gelten lassen. Damit sei doch beiden gedient - den Koblenzer Seilbahnfreunden und der UNESCO, sagt Wilhelm Vogelsang und zwinkert dabei am Unterschriftentisch seinen Mitstreiterinnen Gisela Gassen und Erika Engemann zu:

    "Dann sollen sie das Weltkulturerbe nur bis Lahnstein machen und wir behalten unsere Seilbahn."

    Erika Engemann: "Wäre ne Lösung." (lacht)

    Gisela Gassen: "Das Beste wäre einfach ein Kompromiss. Das Beste wäre wirklich die Einsicht der Kommission, dass beides geht. Aus unserer Empfindung heraus stört sie niemanden und deswegen wäre es das Beste, wenn die UNESCO-Welterbekommission sich eines besseren belehren lässt."

    Das sieht auch der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz so und drängt zur Bühne, um zu den inzwischen rund 3500 Koblenzern zu sprechen, die sich davor versammelt haben:

    "Ich bin davon überzeugt, dass unsere Delegation ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen wird. Man kann sich ja überhaupt nicht vorstellen, dass man es zu einem trennenden Argument zwischen Seilbahn und Weltkulturerbe kommen lassen wird. Das kann die UNESCO nicht wollen. Und ich werde noch einmal unterstreichen, dass für uns beides zusammengehört."