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Obergrenzen für Feinstaub

Umwelt. – In Barcelona kamen jetzt Forscher zusammen, die sich den Aerosolen widmen, winzigen Schwebteilchen in der Luft. Diese stehen im Verdacht Schäden an Atemwegen und Lunge, möglicherweise sogar Krebs auszulösen. Stichpunkte: Daher will die EU-Kommission den Gehalt an künstlichen Aerosolen in der Luft begrenzen. Atmosphärenforscher stellen zurzeit Aerosolkataster für europäische Städte auf.

    Von Volker Mrasek

    Der Brüsseler Gesetzes-Vorstoß mag gut gemeint sein. Aus gesundheitlicher Vorsorge soll der Feinstaub-Gehalt in der Außenluft abgesenkt werden. Und zwar vor allem in verkehrsreichen Städten. Denn dort dürften die Partikel-Konzentrationen den neuen Höchstwert am ehesten überschreiten. Er gilt ab 2005. Wo dann mehr Feinstaub als erlaubt in der Luft ist, müssen Gegenmaßnahmen getroffen werden. So sieht es die neue EU-Richtlinie vor.

    Für die Meßtechnik ist das Ganze aber eine große Herausforderung. Der Geochemiker Xavier Querol vom Spanischen Forschungsrat in Barcelona:

    In Spanien zum Beispiel gibt es immer wieder Episoden, da wird natürlicher Sandstaub aus der Sahara eingeweht. Im halbtrockenen Süden des Landes, wo es kaum regnet, hängt ständig Bodenstaub in der Luft. Die Messinstrumente unterscheiden aber nicht zwischen natürlichen und künstlichen Partikeln. Sie erfassen einfach nur die Gesamtmenge an Aerosolen. Die neue EU-Richtlinie verlangt aber, dass wir die chemische Zusammensetzung des Feinstaubs kennen.

    Querol und andere Atmosphärenforscher haben nun alle Hände voll zu tun. Sie stellen derzeit eine Art "Aerosol-Inventar" auf, in ausgesuchten europäischen Großstädten. Dabei analysieren sie den Feinstaub auch chemisch. Um zu sehen: Welcher Anteil der atmosphärischen Partikel stammt denn nun wirklich aus Industrieschloten und Autoabgasen?

    Das vorläufige Ergebnis: Vor allem Stadtluft ist künstlich mit Aerosolen angereichert. Sie enthält stets mehr Feinstaub als Landluft - ganz gleich, ob in Helsinki, Wien oder Berlin. Am stärksten ist die Belastung in vielbefahrenen Straßen. Allein der Verkehr erhöht den Feinstaub-Anteil in der Regel um 30 bis 50 Prozent. Das alles gilt für Aerosole im Größenbereich um 10 Mikrometer, also ein Hunderstel Millimeter. "PM 10" wird diese Partikel-Fraktion genannt. Zu ihr zählt auch Ruß aus Diesel-Motoren.

    Seit Monaten wird heftig über die Einführung von Partikelfiltern in Diesel-Fahrzeugen gestritten. Die Diskussion kommt zur rechten Zeit. Denn nach den aktuellen Messungen dürften die kommenden PM10-Grenzwerte an den städtischen Haupt-Verkehrsadern nicht eingehalten werden. Da könnten Ruß-Filter Abhilfe schaffen. Es gibt auch überraschende Ergebnisse, zu denen Querol und seine Kollegen bei ihren Untersuchungen kommen:

    In Schweden hat man stellenweise genauso viel Mineralstaub in der Luft gefunden wie in Spanien während der Sahara-Sand-Einträge. Das war zunächst verblüffend. Aber es gibt eine einfache Erklärung dafür. In Schweden, aber auch in Norwegen und Finnland sind die Straßen im Winter vereist. Die Streudienste bringen Sand aus, und die Autos sind mit Spikes unterwegs. Sie zermahlen den Sand zu mineralischem Staub. Und der reichert sich dann als Schwebstaub in der Luft an.

    Die Skandinavier atmen in der kalten Jahreszeit also mehr PM10-Partikel ein als andere Europäer. Ist das für sie nun schädlich oder nicht? Es handelt sich doch bloß um ungiftigen Sandstaub, könnte man meinen. Und nicht etwa um Dieselruß, von dem bekannt ist, dass er im Tierversuch Krebs auslöst.

    Was genau ist am Feinstaub eigentlich gesundheitsschädlich? Ist es die Winzigkeit der lungengängigen Partikel? Oder spielt auch die Art des Aerosols eine Rolle? Auf diese entscheidende Frage weiß die Wissenschaft bisher noch keine Antwort. Das räumt auch der Physikochemiker Harry ten Brink ein. Der Niederländer leitet die Arbeitsgruppe "Feinpartikel" in der Europäischen Aerosol-Gesellschaft ...

    In den USA läuft ein großes Forschungsprogramm mit dem Ziel herauszufinden, was genau am Feinstaub so schädlich ist. Noch liegt aber kein Ergebnis vor. Die Sache bleibt also kontrovers: In Europa hält man Ruß für das Hauptproblem, in den USA dagegen die Emissionen der Industrie.

    So uneinig ist die Forschung also noch auf dem Feld der Feinstaub-Partikel. Die kommenden EU-Grenzwerte sind deshalb auch nur als erste breite Vorsorgemaßnahme zu verstehen.