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"Oberstes Gebot ist die Konsolidierung"

Der Arbeitgeberfunktionär, Reinhard Göhner, hält die Konsolidierung des Bundeshaushaltes für das Gebot der Stunde. In der gesamten Legislaturperiode sei "eine Schieflage in der Großen Koalition im Bereich der Haushalts-, Finanz- und Sozialpolitik" zu beobachten. Göhner forderte die Bundesregierung auf, auf Mehrausgaben zu verzichten. Sonst sei ein ausgeglichener Haushalt trotz der Steuermehreinnahmen von 100 Milliarden in den letzten vier Jahren unmöglich.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Nach Anlauf mit Hindernissen hat die SPD heute Orientierungspunkte für ein Steuer- und Abgabenkonzept vorgestellt. Der Parteivorsitzende hatte sich nicht zuletzt bei diesem Vorhaben widersprüchlich geäußert. Erst kündigte Kurt Beck ein durchgerechnetes Steuerkonzept an, dann kamen irgendwie die Abgaben dazu und das Papier wurde zu Orientierungspunkten herabgestuft. Auf jeden Fall liegt nun etwas vor. Am Telefon ist Reinhard Göhner, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Guten Tag!

    Reinhard Göhner: Guten Tag Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Göhner, Sie waren bis vor kurzem Mitglied der Unionsbundestagsfraktion. Wie bewerten Sie die Pläne der SPD?

    Göhner: Ich suche zunächst mal nach den Positiven und wenn die SPD die Absicht hat, insgesamt die Abgaben- und Steuerlast mittelfristig zu senken, so ist das positiv. Mir klingt allerdings gleichzeitig zu viel Abgabenerhöhung durch bei den verschiedensten Plänen, die dort genannt werden, und ich fürchte, dass der Mittelstand dabei zusätzlich belastet würde, und das wäre natürlich kontraproduktiv.

    Heinemann: Welche Abgabenerhöhung?

    Göhner: Wenn davon die Rede ist, dass beispielsweise Beitragsbemessungsgrenzen angehoben werden sollen, so trifft das sogar schon den Facharbeiter. Das heißt man kommt in Einkommensklassen, um deren Entlastung es eigentlich gehen sollte. Ich finde vom Prinzip her müsste jetzt endlich an diejenigen gedacht werden, die erwerbstätig sind, die den Sozialstaat, den Staat überhaupt, unsere Wirtschaft ans Laufen halten. Deshalb glaube ich muss auf diese Zielgruppe beachtet eine Entlastung erreicht werden. Richtig finde ich den Ansatz, vor allem an eine Senkung der Sozialabgaben zu denken, weil damit sowohl die Arbeitskosten gesenkt werden können als auch mehr Netto für alle Arbeitnehmer erreicht werden kann. Diesen Ansatz finde ich vernünftig. Allerdings sollte das nicht mit Steuererhöhungen an anderer Stelle kompensiert werden.

    Heinemann: Ist dieser Ansatz vernünftiger als der CSU-Ansatz von Steuersenkungen?

    Göhner: Nein, er ergänzt sich. Wir brauchen eine Steuer- und Abgabensenkung. Beides wird mittelfristig erforderlich sein. Und wenn ich es bei der SPD richtig verstanden habe, ist dort auch beides beabsichtigt. Man verweist auf die bestehenden Beschlüsse, beispielsweise mit der Auswirkung auf die Kinderfreibeträge auch im Steuerrecht, die zumindest für Familien mit Kindern ja zu Steuerentlastungen führen würde. Insgesamt erscheint mir das Ganze allerdings sehr unverbindlich zu sein, eben doch nicht durchgerechnet zu sein. Was konkret jetzt geschehen könnte, aus meiner Sicht auch geschehen müsste ist eigentlich, dass der höchst problematische Eingliederungsbetrag in der Arbeitslosenversicherung gestrichen wird und dann könnte man um ein halbes Prozent jetzt den Arbeitslosenversicherungsbeitrag weiter senken. Das hieße mehr Netto für alle Arbeitnehmer, gleichzeitig Senkung der Arbeitskosten, Verbesserung der Beschäftigungschancen.

    Heinemann: Herr Göhner, die CSU will die Steuern unabhängig von der Haushaltslage senken. Die SPD sagt ganz klar "Vorrang für einen ausgeglichenen Haushalt".

    Göhner: Ich halte den Vorrang, so wie die SPD es formuliert, als oberstes Gebot für eine Konsolidierung des Haushaltes für richtig und kann deshalb die Finanzpolitik der SPD überhaupt nicht verstehen, denn das Gegenteil passiert. Es wird an allen möglichen Dingen zurzeit ausgabenerhöhende Maßnahmen beschlossen, gerade auch auf Betreiben der SPD. Wer das wirklich ernst nimmt und sagt, oberstes Gebot ist Konsolidierung des Haushaltes, der darf keine Mehrbelastungen beschließen. Das ist aber gerade in den letzten Monaten geschehen.

    Heinemann: Die Steuersenkungspläne, die Pendlerpauschale, das hat alles die CSU ins Spiel gebracht, nicht die SPD.

    Göhner: Ja und wer sagt "oberstes Gebot ist die Konsolidierung", der muss zunächst einmal alle Mehrausgaben stoppen. Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Mehrausgaben bekommen - denken Sie an den Betrug der Beitragszahler in der Rentenversicherung durch die Manipulation der Rentenformel, denken Sie an die Verlängerung des Arbeitslosengeldes, die Erhöhung des Wohngeldes. Das mag gut gemeint sein, aber im Ergebnis ist das eben nicht die oberste Priorität "Konsolidierung des Haushaltes", sondern Mehrausgaben.

    Heinemann: Wobei vieles davon von der Union eben auch mit gefordert wurde - gerade ALG I.

    Göhner: Ja, natürlich! Deshalb wird es nicht besser. Die Tatsache, dass wir ständig Mehrausgaben haben bei gleichzeitigen hohen Mehreinnahmen auf der Einnahmeseite - bei den Steuern allein in den letzten vier Jahren 100 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen -, zeigt: Wir hätten längst den Spielraum sowohl für Steuersenkungen als auch Abgabensenkungen, wenn man nicht ständig diese Mehrausgaben machen würde.

    Heinemann: Was spricht dagegen, Vermögen stärker zu besteuern beziehungsweise den Spitzensteuersatz anzuheben?

    Göhner: Das Verfassungsrecht! Die Vermögenssteuer ist bereits einmal für verfassungswidrig erklärt worden, denn man muss ja bedenken, dass alle Erträge aus den Vermögen progressiv besteuert werden - nicht mit einem Prozent, wie vorhin der Herr Steinbrück zu vernehmen war, sondern mit 45 Prozent bei den höheren Einkommen. Und gleichzeitig ist es so, dass das Anwachsen des Vermögens aus Einkommen ja auch bereits progressiv besteuert gewesen ist. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die Vermögenssteuer verworfen und mir scheint, dass die SPD das auch erkennt und deshalb ja auch nicht die Wiedereinführung der Vermögenssteuer vorschlägt.

    Heinemann: Das Gericht hat aber nichts gegen einen höheren Spitzensteuersatz.

    Göhner: Das ist durchaus verfassungsrechtlich höchst problematisch. Wenn eine so genannte konfiskatorische Grenze erreicht wird, also dass mehr besteuert wird als man selbst davon behält, dann kann das durchaus ebenfalls verfassungswidrig sein. Das ergibt sich gerade aus dieser früheren Entscheidung auch zur Vermögenssteuer.

    Heinemann: Herr Göhner, die Koalition, deren Politik Sie bis vor kurzem als Bundestagsabgeordneter der Union eben auch mit unterstützt haben, hat bisher eigentlich nur die Einnahmen erhöht, nicht die Ausgaben vermindert. Wäre das nicht längst dran jetzt und der erste Schritt einer vernünftigen Finanzpolitik?

    Göhner: Ja, indem man zumindest auf mehr Ausgaben verzichtet. Also wenn man schon sich nicht verständigen kann auf Reduzierung öffentlicher Ausgaben im konsumtiven Bereich, dann sollte man jedenfalls im Bereich der Sozialausgaben nicht ständig neue gut gemeinte Erfindungen oben drauflegen und Mehrausgaben hervorrufen. Ich bin durchaus dafür, dass im Bereich der Zukunftsinvestitionen, in der Infrastruktur und vor allem beim Thema Bildung, mehr investiert wird. Aber tatsächlich haben wir eine Ausweitung der öffentlichen Ausgaben bei den Konsumausgaben und das ist kontraproduktiv, vermindert den Spielraum für notwendige Entlastung vor allem derer, die jetzt erwerbstätig sind und mit Steuern und Abgaben überhaupt dafür sorgen, dass Staat und Sozialstaat finanziert werden.

    Heinemann: Gibt es seit dem Auszug des CDU-Politikers Friedrich Merz aus der Bundespolitik eigentlich noch nennenswerte Unterschiede in der Steuerpolitik zwischen SPD und Union?

    Göhner: Friedrich Merz ist nach wie vor Mitglied des Bundestages.

    Heinemann: Aber nicht mehr lange!

    Göhner: Ich sehe bereits in der gesamten Legislaturperiode eine Schieflage in der Großen Koalition im Bereich der Haushalts-, Finanz- und Sozialpolitik, weil das oberste Gebot Konsolidierung mindestens erfordert "keine Mehrausgaben", eine strikte Regel, keine Mehrausgaben im konsumtiven Bereich vorzunehmen. Das ist von Anfang an leider ignoriert worden und deshalb kommen wir bei der Konsolidierung trotz der gewaltigen Steuermehreinnahmen - wie gesagt allein 100 Milliarden in den letzten vier Jahren - nicht so voran, wie das eigentlich schon möglich wäre.

    Heinemann: Reinhard Göhner, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!